Ein Regionalexpress mit Dutzenden Menschen entgleist. Mögliche Ursache könnte ein Hangrutsch infolge eines Unwetters sein. Der Bahnchef und Spitzenpolitiker wollen heute zur Unglücksstelle kommen.
Lokführer unter Toten bei Zugunglück im Südwesten
Unter den Opfern des Zugunglücks im Südosten Baden-Württembergs befinden sich laut Kreisbrandmeisterin Charlotte Ziller der Lokführer und ein weiterer Mitarbeiter der Deutschen Bahn (DB). Eine weitere Person verlor am Sonntagabend bei dem Unfall in Riedlingen ihr Leben. Außerdem gehen die Rettungskräfte mittlerweile von etwa 50 Verletzten aus. Davon seien 25 schwer verletzt, so Ziller. Zuvor war von 34 Verletzten die Rede gewesen.
Die Unfallursache war zunächst unklar. Augenscheinlich könnte aber ein Erdrutsch dabei eine Rolle gespielt haben, sagte Ziller. «Weiteres ist gerade der Gegenstand der Untersuchung der Polizei.»
Auch Landesinnenminister Thomas Strobl (CDU) sagte: «Es hat hier starke Regenfälle gegeben, sodass nicht ausgeschlossen werden kann, dass auch der Starkregen und ein damit verbundener Erdrutsch-Unfall ursächlich gewesen ist.» Das sei nun Gegenstand der laufenden Untersuchungen.
DB-Chef Richard Lutz, Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sowie die Verkehrsminister von Bund und Land, Patrick Schnieder (CDU) und Winfried Hermann (Grüne), planen heute Vormittag nach Riedlingen zu kommen. Sie beabsichtigen unter anderem mit Einsatzkräften zu sprechen und sich ein Bild von der Unfallstelle zu machen.
Bahnchef und Spitzenpolitiker kondolieren
Alle bei der DB seien tief erschüttert und bestürzt über das schwere Zugunglück, sagte Lutz laut Mitteilung. «Mein tief empfundenes Mitgefühl und meine Anteilnahme gilt den Angehörigen der Verstorbenen. Den Verletzten wünsche ich eine schnelle und vollständige Genesung.» Sein ausdrücklicher Dank gelte allen Einsatzkräften und Helfern, die vor Ort seien.
Auch mehrere Politiker bekundeten ihre Anteilnahme. So schrieb Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) auf dem Portal X: «Wir trauern um die Opfer. Ihren Angehörigen spreche ich mein Mitgefühl aus.» Mit dem Innenminister und dem Verkehrsminister stehe er im engen Kontakt und habe sie gebeten, die Rettungskräfte mit allen Mitteln zu unterstützen.
«Aktuell lässt sich das gesamte Ausmaß des Zugunglücks bei Riedlingen nur erahnen», erklärte Bundesverkehrsminister Schnieder. Die Lage vor Ort sei erschütternd. «Wir stehen im engen Austausch mit der Bahn und unterstützen, wo wir können. Unsere Experten sind unterwegs, um gemeinsam mit den Ermittlungsbehörden die Unfallursache zu untersuchen.»
Regierungschef Kretschmann sprach von einer tragischen Nachricht. Er sei erschüttert. «Mein tief empfundenes Beileid gilt den Angehörigen der Opfer.»
Mindestens zwei Waggons entgleist
Im besagten Zug der Linie RE 55 saßen laut einem Sprecher der Bundespolizei etwa 100 Personen. Der Regionalexpress war auf dem Weg von Sigmaringen nach Ulm, als gegen 18.10 Uhr in der Nähe des Riedlinger Stadtteils Bechingen mindestens zwei Waggons entgleisten. Der Unfallort befindet sich etwa 45 Kilometer südöstlich von Ulm.
Die Leitstelle Reutlingen meldete einen sogenannten «Massenanfall von Verletzten» – das bezeichnet im Rettungswesen eine Situation, bei der eine große Zahl von Verletzten oder Erkrankten versorgt werden muss. Am Unfallort waren laut Innenminister Strobel mehrere hundert Einsatzkräfte mit entsprechendem Gerät und sechs Rettungshubschrauber im Einsatz.
Auch das Bayerische Rote Kreuz unterstützt im benachbarten Bundesland. Weitere Einheiten könnten bei Bedarf nach Baden-Württemberg verlegt werden, hieß es in einer Mitteilung.
Eine Sammelstelle für Angehörige wurde in einem Bürgerzentrum eingerichtet. Die DB hat eine kostenlose Sonder-Hotline unter 0800 3 111 111 für Betroffene und ihre Angehörige eingerichtet. Zusätzlich stehen Notfallseelsorger und Krisenpsychologen für betroffene Reisende und Mitarbeiter bereit.
Laut dem Deutschen Wetterdienst zogen in den frühen Abendstunden unwetterartige Gewitter über die Region. „Lokal seien in kurzer Zeit 30 bis 40 Liter pro Quadratmeter gefallen“, sagte Meteorologe Dominik Smieskol in München. Allerdings habe der DWD am genauen Unglücksort keine Messstation, um für dort konkrete Angaben machen zu können.
Dauer der Streckensperrung unklar
Das Regionalzugnetz Donau-Ostalb wird vom Tochterunternehmen DB Regio BW betrieben. Dies beinhaltet auch die Linie RE 55, die stündlich bis alle zwei Stunden verkehrt.
Auf der Internetseite der Bahn informierte der Konzern, dass der Bahnverkehr zwischen Munderkingen und Herbertingen eingestellt sei. «Grund hierfür ist eine Zugentgleisung auf der Strecke.» Über die Dauer der Sperrung lagen den Angaben nach zunächst keine Informationen vor. Fahrgäste zwischen Ulm und Munderkingen sollte Züge des Bahnunternehmens SWEG nutzen, hieß es. Es wurde zudem ein Schienenersatzverkehr mit Bussen eingerichtet.
Es war zunächst unklar, wie lange die Sperrung dauern würde. Nachdem alle Verletzten versorgt worden waren, bereiteten sich die Einsatzkräfte nun darauf vor, die entgleisten Waggons von den Gleisen zu bergen, sagte Kreisbrandmeisterin Ziller am Abend an der Unglücksstelle.