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Magpies: Australiens überraschende Angreifer aus der Luft

Mit Australien verbinden Europäer oft respekteinflößende Tiere wie Spinnen, Schlangen, Krokodile oder Haie. Im Moment sorgt aber auch ein scheinbar harmloser Vogel für Aufruhr.

Radfahrer Shane Miller testet einen «PieProof»-Helm gegen Magpie-Angriffe.
Foto: Shane Miller/GPLama/dpa

Rhys Newell, ein Australier, bemerkte kürzlich beim Radfahren plötzlich einen Vogel, der von hinten aufholte, eine Kurve drehte und nach seinem Gesicht schnappte – Treffer. Als Rhys sich ins Gesicht fasste, stellte er fest, dass er eine blutende Wunde hatte.

Was Rhys widerfahren ist, nennt man in Australien «swoopen» – und die Gefahr durch die angreifenden Vögel ist jetzt im australischen Frühling so groß, dass Menschen selbst in den Städten wie Sydney allerhand Schutzmaßnahmen ergreifen. Radfahrer kleben Augensticker auf ihren Helm, andere montieren Kabelbinder oder Metallstäbe, die abstehen und so Angriffe verhindern sollen.

Die Täter sind Elstern – Vögel, die an Krähen erinnern, aber ein teilweise weißes Gefieder haben. Nur männliche Elstern swoopen, und davon auch nur ein kleiner Teil, erklärt Darryl Jones, Verhaltensökologe und Professor an der Griffith University. «Sie machen das, wenn sich Nachwuchs im Nest befindet. Denn die Aufgabe der Männchen ist es, das Nest zu beschützen.»

Verletzte Menschen und abgesagte Veranstaltungen

Australische Medien berichten über Verletzungen durch Krallen oder Schnäbel. Einige Veranstaltungen wurden aufgrund von swoopenden Elstern abgesagt. «Magpiealert» ist eine eigene Website, auf der Betroffene melden können, wann und wo sie angegriffen wurden, damit andere die Gegend meiden können. Täglich tragen Hunderte Fußgänger und Radfahrer dort Vorfälle ein.

Ein Gerücht besagt, dass schon eine falsche Bewegung ausreicht, um von den Vögeln als Feind erklärt zu werden. Magpies – oder auf Deutsch: Flötenkrähenstare – sollen angeblich Gesichter erkennen und gezielt dieselben Personen angreifen können.

Angst vor den Vögeln wird zum Geschäftsmodell

Das Bedürfnis nach Schutz hat sich mittlerweile zu einem Geschäftsmodell entwickelt. So werden etwa spezielle «PieProof» Fahrradhelme verkauft, die vor allem Ohren und Gesicht schützen – und in der Swooping-Zeit besonders gefragt sind.

Darryl Jones zufolge ist das einzige, was wirklich hilft, nicht zu fliehen, sondern vom Rad abzusteigen. Denn anscheinend empfinden die Vögel Radfahrer vor allem aufgrund ihrer Geschwindigkeit als Bedrohung. Er hat dies bereits erfolgreich ausprobiert.

Auch Vögel in Deutschland swoopen

Magpies gelten aufgrund ihres Swoopens oft als besonders aggressive Vögel. Auch in Deutschland kann es jedoch während der Brutzeit zu Angriffen kommen. Mäusebussarde oder Krähen greifen Spaziergänger und Radfahrer an, wenn sie sich ihrem Nest nähern. Diese Vorfälle sind jedoch seltener und meist ungefährlich.

Gisela Kaplan, emeritierte Professorin für Tierverhalten an der University of New England, betont: «Die Vögel sind jederzeit bereit, das Swoopen einzustellen, wenn sie erkennen, dass man keine Gefahr darstellt.» Außerdem stehe das Männchen unter großem Druck, das Nest während dieser kritischen Zeit zu verteidigen. Denn wenn es seinen Job nicht gut macht, riskiert es, vom Weibchen verlassen zu werden.

Es stimme, dass Magpies sich Gesichter über viele Jahre hinweg merken, was für Bewohner aber auch ein Vorteil sein könne. «Außerhalb der vier Wochen, in denen sie swoopen, sind es unauffällige Vögel, die manchmal auch Freundschaften mit Menschen schließen, die in ihrem Gebiet leben. Einige Elternvögel stellen ihren Nachwuchs vertrauten Menschen sogar vor», erklärt die Expertin.

Auch Freundschaften sind möglich

Baz Collis, der in der Nähe von Perth lebt, hat genau diese Erfahrung gemacht. Der Rentner berichtet, dass die Magpie-Art in seiner Gegend in größeren Familien lebt, und er dokumentiert ihre Population seit Jahren.

Viele der 16 Magpies in seinem Gebiet besuchen täglich seine Terrasse – und sein Haus. Dort erhalten sie einen kleinen Snack in Form von speziellem Magpie-Futter, das Baz extra besorgt. Einen besonderen Magpie hat er Mr. Sox genannt. Dieser fliegt auch gerne mal durch die Terrassentür, setzt sich auf einen Stuhl und verweilt dort bis zu 30 Minuten.

«Er ist der Einzige, der auf mein Knie hüpft und darauf besteht, aus der Hand gefüttert zu werden», sagt Baz. Dabei verhält sich der Magpie so vertraut, dass er während des Interviews anfängt, in den Telefonhörer zu zwitschern. Für Baz sind die Magpies inzwischen wie eine Familie.

Menschen reagieren mit Mischung aus Respekt und Humor

Trotz der zahlreichen Berichte über blutige Begegnungen, Kabelbinder am Helm und Swooping-Karten nehmen viele Australier die Swooping-Saison mit einer Mischung aus Pragmatismus, Respekt und Humor gelassen.

Auch Rhys Newell nimmt es gelassen. Der Vorfall auf dem Rad? Nicht seine erste Begegnung mit einem Magpie – und vermutlich auch nicht die letzte. «So was passiert selten. Ich bin danach noch eine Stunde weitergeradelt», sagt er. «Die Wunde sieht schlimmer aus als sie ist – zu Hause hatte ich es schon wieder vergessen.»

dpa