Dass viele Brücken in Deutschland in einem schlechten Zustand sind, ist Konsens. Eine Auswertung warnt, die Lage sei noch dramatischer als angenommen.
Marode Brücken: Bericht sieht viel höheren Sanierungsstau

Laut einer Erhebung unterschätzt der Bund den Sanierungsstau bei den maroden Brücken in Deutschland deutlich. Insgesamt sind nach Angaben der Organisation Transport & Environment (T&E) etwa 16.000 Brücken in Bundeshand baufällig.
«Wird die Sanierung dieser Brücken verschleppt, dann sind sie anfälliger für Verschleiß, was mittelfristig zu noch höheren Kosten führt.» Auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene müssen nach T&E-Berechnungen bis zu 100 Milliarden Euro in den Ersatzneubau von Brücken investiert werden.
„T&E ist ein europäischer Dachverband von nicht-staatlichen Organisationen, die sich nach eigenen Angaben für nachhaltigen Verkehr engagieren.“
Ringbahn- und Carolabrücke als Beispiele der maroden Brücke
Die alternde Infrastruktur führt bereits jetzt dazu, dass Bauwerke regelmäßig kurzfristig gesperrt werden müssen. Ein aktuelles Beispiel ist die Ringbahnbrücke auf der A100 im Westen Berlins, die seit Mitte März geschlossen ist, da sich ein Riss im Tragwerk vergrößert hatte.
Derzeit wird das Bauwerk von 1963 abgerissen – dann soll ein Neubau folgen. Wann die neue Brücke steht, ist unklar. Die Ringbahnbrücke ist Teil des Autobahndreiecks Funkturm, einem der wichtigsten Verkehrsknotenpunkte in Deutschland.
Die Carolabrücke in Dresden ist auf kommunaler Ebene wohl der prominenteste Fall. Im September 2024 stürzte die Brücke teilweise in die Elbe.
«Dass viele Brücken im deutschen Straßennetz in einem schlechten Zustand sind, war schon lange absehbar», schreibt T&E in dem Bericht, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. «Viele Brücken, oft in den 1970er Jahren gebaut, sind ursprünglich auf eine geringere Belastung ausgelegt worden.»
T&E kritisiert hauptsächlich, dass das Verkehrsministerium in seinem Brückenmodernisierungsprogramm von 2022 nicht das gesamte Autobahnnetz berücksichtigt. Gemäß dem Sanierungsplan des Ministeriums sollen innerhalb von zehn Jahren 4.000 Brücken im Kernnetz stark befahrener Autobahnen saniert werden. Langfristig sollen weitere 4.000 Autobahnbrücken folgen.
Vor allem in Stadtstaaten sind die Brücken in schlechtem Zustand
T&E kommt auf deutlich höhere Zahlen: «Insgesamt müssen 5.905 Brücken, 24 Prozent der Brückenfläche im Bundesfernstraßennetz, ersetzt werden. Weitere 10.240 Brücken sind so stark belastet, dass wahrscheinlich ein Ersatzneubau nötig ist, eventuell kann allerdings auch durch Verstärkung Abhilfe geschaffen werden.»
Dabei sei der Zustand der Brücken nicht überall gleich schlecht. «Besonders betroffen sind die Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen, in denen viele Brücken deutlich über ihre ursprüngliche Auslegung belastet sind.» In Nordrhein-Westfalen sei der Anteil der Brückenfläche, die neu gebaut werden müsse, doppelt so hoch wie in Bayern. Die Brücken in den Ostdeutschen Flächenländern seien hingegen «zu großen Teilen in den 90er Jahren errichtet und schon damals auf höhere Verkehrslasten ausgelegt» worden.
«Triage bei der Modernisierung von Straßenbrücken»
«Wir wissen eigentlich genau, welche Brücke schnell saniert werden muss», sagte Benedikt Heyl von T&E Deutschland. «Doch das Verkehrsministerium hinkt den Notwendigkeiten so weit hinterher, dass die Autobahn GmbH inzwischen eine Triage bei der Modernisierung von Straßenbrücken durchführt. Das ist absurd und teuer, denn jede verschleppte Sanierung kostet in Zukunft noch viel mehr.»
T&E verlangt von der kommenden Bundesregierung, dass Sanierung und Instandhaltung vor dem Bau neuer Autobahnen und Bundesstraßen Vorrang haben müssen. Außerdem sollten Bund und Länder den Kommunen mehr Geld für die Infrastruktur zur Verfügung stellen. Die Berechnungen von T&E basieren unter anderem auf Daten der Bundesanstalt für Straßen- und Verkehrswesen.