Die JU bejubelt Kritiker und schweigt bei Merz: Im Streit ums Rentenpaket kracht es zwischen Parteinachwuchs und Kanzler. Was das für das Vorhaben und die Koalition bedeutet.
Merz und Unionsjugend im Rentenkonflikt – und nun?

Bisher war die Junge Union für den Kanzler eine feste Machtbasis. Im Wahlkampf haben die jungen Parteimitglieder unermüdlich Plakate geklebt und standen bei jedem Wetter an der Seite von Friedrich Merz. Jedoch spaltet der Streit um das Rentenpaket der Regierung beide Seiten: Beim Deutschlandtag der JU wird es während der Rede des Kanzlers zunehmend ruhiger, und in der Diskussion erhält er kaum noch Applaus. Kritische Fragen der Delegierten werden dagegen enthusiastisch bejubelt. Kann die JU, die mehrere Bundestagsabgeordnete hat, das Vorhaben noch stoppen?
Der Kanzler unterstützte in seiner Rede am Samstag in Rust im südbadischen den Gesetzentwurf seiner schwarz-roten Koalition und widersprach damit dem Parteinachwuchs. Dieser fühlte sich vom Kanzler regelrecht abgelehnt und plant, seine Ablehnung des Gesetzespakets beizubehalten. Und CSU-Chef Markus Söder, ein wichtiger Machtfaktor in der Union? Er trat einen Tag nach Merz am Sonntag am selben Ort auf – zeigte gleichermaßen Verständnis für Merz und die Kritik der Jungen.
Worum geht es beim Streit?
Im Fokus steht die sogenannte Haltelinie für die Rente, die das Absicherungsniveau der Rente im Verhältnis zu den Löhnen definiert. Im Koalitionsvertrag haben CDU, CSU und SPD beschlossen, die Haltelinie für das Rentenniveau bis 2031 auf 48 Prozent zu erhöhen. Der vom Kabinett verabschiedete Rentengesetzentwurf sieht jedoch vor, dass das Rentenniveau auch nach 2031 um etwa einen Prozentpunkt über dem geltenden Recht liegen soll. Die Junge Gruppe der Unionsabgeordneten im Bundestag kritisiert dies und argumentiert, dass dies nicht im Koalitionsvertrag festgelegt ist.
Was sagt die Junge Union?
Die Junge Union und auch die jungen Abgeordneten im Bundestag haben die Sorge, dass die Folgekosten den finanziellen Spielraum im nächsten Jahrzehnt massiv einschränken und zulasten der Beitragszahler und damit der jungen Generation gehen. JU-Chef Johannes Winkel hatte vor den Delegierten in Rust klargestellt: «Dieses Rentenpaket mit den Folgekosten von 120 Milliarden Euro über den Koalitionsvertrag hinaus, das darf auf keinen Fall so kommen.»
Was meint Bundeskanzler Merz?
Merz dagegen will zustimmen. «Ja, ich werde mit gutem Gewissen diesem Rentenpaket zustimmen, wenn wir es im Deutschen Bundestag zur Abstimmung vorliegen haben», sagte er in seiner Rede. Er forderte den Parteinachwuchs auf, sich an der Debatte konstruktiv zu beteiligen. «Aber nicht, indem ihr sagt, was nicht geht», forderte er. Man müsse gemeinsam diskutieren, was gehe. «Glaubt jemand ernsthaft, dass wir einen Unterbietungswettbewerb gewinnen? Wer bietet das niedrigste Rentenniveau?», rief Merz in den Saal. «Das kann doch nicht euer Ernst sein!» Damit gewinne man keine Wahlen.
Und Söder?
Der bayerische Ministerpräsident zeigte Verständnis für den Kanzler. Er werde Merz nicht in den Rücken fallen, sagte er beim Deutschlandtag. «Friedrich Merz muss auch eine Koalition zusammenhalten.» Söder sprach sich aber für weitere Verhandlungen mit der SPD aus. «Ich finde, ihr habt schon gute Argumente, und man muss sie auch wägen und beachten. Und wir müssen darüber auch mit der SPD reden», sagte Söder an die JU gerichtet. Und mit Blick offensichtlich auf SPD-Chef Lars Klingbeil, der zuvor Änderungen ausgeschlossen hatte: «So ein reines SPD-Basta von der Seite geht auch nicht.»
Um wie viel Geld geht es?
Die Junge Union geht davon aus, dass durch den Gesetzentwurf ab 2031 zusätzlich 118 Milliarden Euro an Belastungen auf die sozialen Systeme und letztlich den Steuerzahler zukommen könnten. Merz sieht das anders und argumentiert, dass er davon ausgeht, dass vorher andere Entscheidungen getroffen werden. «Wir werden alles tun, dass es nicht zu dieser Belastung kommt», sagte Merz.
Ist das ein Generationenkonflikt?
Nein, nicht wirklich. Die Konfliktlinien verlaufen innerhalb der Union. Katherina Reiche, die Wirtschaftsministerin von Merz (CDU), unterstützte die JU. Die umlagefinanzierte Rente sollte nicht zu einer zusätzlichen Belastung der Lohnnebenkosten führen. Daher hat die Junge Gruppe der Unionsabgeordneten Recht, sagte die 52-Jährige.
Unterstützung bekam die JU auch von Baden-Württembergs CDU-Landeschef Manuel Hagel, der weitere Verhandlungen forderte. Wenn der Entwurf von Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) eins zu eins komme, brauche es keine Rentenkommission mehr. Diese soll eigentlich Reformvorschläge machen. «Das einzige, was ihr in der Rentenkommission noch werdet tun können, ist Kaffee trinken, Kuchen essen und euch überlegen, ob ihr 120 Milliarden oder 150 Milliarden zuschießt», sagte der 37-Jährige.
Selbst der Chef der Senioren Union, der 69-jährige Hubert Hüppe, äußerte Verständnis für die Jungen. «Die Sorgen der jungen Generation sind berechtigt, insbesondere mit Blick auf die Finanzierung der Rente und den demografischen Wandel», sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
Wie gefährlich könnte das für die Koalition werden?
Wenn die Junge Gruppe der Unionsabgeordneten bei ihrer Ablehnung bleibt, wird der Koalition eine eigene Mehrheit fehlen. Die Gruppe besteht aus 18 Abgeordneten, während CDU, CSU und SPD im Bundestag nur eine Mehrheit von 12 Stimmen haben.
Es ist jedoch möglich, dass bei der Abstimmung aufgrund von Krankheitsfällen nicht alle Abgeordneten anwesend sind und somit die erforderliche Stimmenanzahl niedriger ausfällt. Bei der Abstimmung über einfache Gesetze reicht die einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Ohne die 18 Stimmen der Jungen Gruppe verfügt die Koalition noch über 310 Stimmen. Diese würden für eine eigene Koalitionsmehrheit ausreichen, wenn alle 310 Abgeordneten anwesend wären und mit Ja stimmen würden – und wenn mindestens 11 Mitglieder der Opposition fehlen würden. Insgesamt wären dann 619 abgegebene Stimmen vorhanden und die erforderliche Mehrheit wäre genau 310.
Es ist jedoch schwer vorherzusagen. Es besteht die Möglichkeit, dass das Projekt möglicherweise auch mit Stimmen der AfD oder Linken genehmigt werden könnte. Dies wäre äußerst riskant für die Koalition und für Merz.
Wie geht es weiter?
Nun besteht erneut die Möglichkeit zu sprechen. Fraktionschef Spahn hat dem Parteinachwuchs in Rust angeboten, die Gespräche über das Thema fortzusetzen. Man könne nicht aufhören, gemeinsam zu überlegen, wie man eine akzeptable Lösung finden könne.
Potenziellen Überlegungen, auch mit der SPD noch einmal ins Gespräch über das Vorhaben zu kommen, wie von CDU-Chef Söder angedeutet, erteilte SPD-Chef Klingbeil am Wochenende allerdings direkt eine Absage. «Ich sage euch in aller Klarheit: An diesem Gesetz wird nichts mehr geändert», sagte der Vizekanzler beim Landesparteitag der SPD Baden-Württemberg in Ulm. «Wir stehen beim Thema Rente. Das werden wir im Bundestag verabschieden.»
Was das Rentenpaket noch umfasst
Es ist ein typischer Kompromiss der drei Koalitionsparteien. Neben der Haltelinie sind auch Unionsprojekte wie die Erweiterung der Mütterrente enthalten, die besonders der CSU wichtig ist, sowie die Aktivrente. CDU-Fraktionschef Spahn betont, dass die Stabilisierung des Rentenniveaus eines der wichtigsten Anliegen der SPD ist: „Das Thema war für den Koalitionspartner bei Eintritt in die Regierungskoalition so bedeutend wie für die Union der Politikwechsel in der Migrationsfrage“, sagte er.








