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Obdachloser Rollstuhlfahrer ermordet: Angeklagter wollte ins Gefängnis

Angeklagter plante Gewalttat, um Obdachlosigkeit zu entgehen. Verteidigung spricht von Bindungsproblemen und Ablehnungserlebnissen.

Der heute 30-Jährige soll einen anderen Mann mit einem Küchenmesser erstochen haben. (Symbolbild)
Foto: Arne Dedert/dpa

Wurde ein Mann beschuldigt, einen obdachlosen Rollstuhlfahrer ermordet zu haben, um eine lange Haftstrafe zu erhalten? Diese Frage wird derzeit vor dem Landgericht Frankfurt am Main untersucht. Der heute 30-jährige Angeklagte wird von der Staatsanwaltschaft beschuldigt, im März 2024 im Frankfurter Bahnhofsviertel den Obdachlosen heimtückisch getötet zu haben.

Es wurde berichtet, dass der damals 29-Jährige am Tag zuvor seine Arbeit in Nastätten verloren hatte und zwei Tage zuvor seine Wohnung gekündigt hatte. Seine finanziellen Mittel waren erschöpft und er konnte seine Wohnung nicht mehr bezahlen. Daher entschied er sich gemäß der Anklage, eine schwere Gewalttat zu begehen, um der Obdachlosigkeit zu entgehen und versorgt zu sein. Am Tatabend des 7. März hätten die beiden Männer zunächst diskutiert, woraufhin der Angeklagte dem Opfer gefolgt sei und beschlossen habe, den Mann zu töten. Er zog ein Küchenmesser aus seinem Rucksack und stach ihm mindestens zehnmal in den Rücken. Das Opfer verstarb später in der Uniklinik – der Angeklagte befindet sich seit März 2024 in Untersuchungshaft.

Verteidigung zeichnet Bild einer lieblosen Kindheit

Beim Beginn des Prozesses verweigerte der Angeklagte selbst eine Aussage und beantwortete auch keine Fragen. Seine beiden Anwälte verlasen eine Erklärung in seinem Namen. Im Jahr 2011 machte der Angeklagte seinen Hauptschulabschluss, schaffte es jedoch danach nie, sein Leben zu organisieren. Zwischenzeitlich arbeitete der 30-Jährige als Schlachthelfer, brach eine Ausbildung zum Fachlageristen aus gesundheitlichen Gründen ab und war immer wieder längere Zeit arbeitssuchend.

Die Verteidigung erwähnte auch Bindungsprobleme im persönlichen Bereich. Der Mann hat keine Zärtlichkeiten in der Familie erfahren. Sein Verhältnis zum Vater war von gegenseitigem Desinteresse geprägt, der Vater hat ihn oft als Versager bezeichnet. Es war ihm nicht möglich, Freundschaften zu schließen, er hatte nie eine Beziehung zu Frauen.

Verteidigung: Tat war nicht geplant

Schließlich sei er zur Müllabfuhr vermittelt worden. Dort sei er auch nicht «klargekommen» und habe einen Aufhebungsvertrag unterschrieben. Dieses erneute Ablehnungserlebnis in der Arbeitswelt habe ihn sehr frustriert. Seine Mutter habe nach dem Tod des Vaters das gesamte Erbe verprasst. Er musste letztlich feststellen, dass er nicht in der Lage war, seinen Lebensunterhalt durch Arbeit zu bestreiten, wie es von der Verteidigung hieß. «Er war mit seinem Latein am Ende und sah nur noch den Weg in die Obdachlosigkeit.» 

Deshalb meldete er auch seine Wohnung ab, da sie aufgrund des Vertrags nicht mehr vom Arbeitsamt bezahlt werden würde. Er packte sein letztes Geld (400 Euro) und ein Küchenmesser in einen Rucksack, um seiner Situation zu entkommen. Das Messer nahm er allein aus Angst vor Übergriffen mit und plante, es wegzuwerfen, sobald er sich zur Selbstverteidigung Tränengas gekauft hätte.

Der Vorfall sei vollkommen unvorhergesehen gewesen: Der Angeklagte sei ziellos durch das Bahnhofsviertel gelaufen, als ihn das spätere Opfer auf der zentralen Kaiserstraße angepöbelt habe. Der Obdachlose sei im Rollstuhl auf ihn zugerollt, mit einem brennenden Gasbrennerzeugerzeug in der Hand habe er dem Angeklagten gesagt: «Ich zünde dich jetzt an.»

Überwachungsvideo und Suchverlauf thematisiert

Der Angeklagte zog reflexartig das Messer, weil er Angst hatte. Er hatte jedoch nie die Absicht, jemanden zu töten. Während der Tat war er in größter Angst und handelte nur aus Selbstverteidigung, sagte einer seiner Verteidiger.

Nachdem die Anklage verlesen und die Verteidigung erklärt wurde, wurde ein Videozusammenschnitt der Tat gezeigt. Die Vorsitzende Richterin sagte dann zum Angeklagten, dass sie das Video und die Schilderung der Verteidigung nicht ganz in Einklang bringen könne.

Auch die Auswertung eines Google-Suchverlaufs des Angeklagten aus den Tagen vor der Tat wurde thematisiert. Dabei habe er Artikel und Begriffe gesucht, etwa: «Bürgergeld trotz Knast – werden Leistungen eingestellt?», «Gefängnis letzte Rettung» oder «U-Haft wie ist das eigentlich?» Die Verteidigung entgegnete, er habe nur schauen wollen, wie gefährlich das Bahnhofsviertel sei. 

Das Gericht hat Termine bis zum 2. April für die Fortsetzung anberaumt.

dpa