Justizausschuss tagt zu Vorwürfen nach Tod eines Jugendlichen in der Haftanstalt. Betroffenheit in dem Fall ist groß.
Tragödie in JVA Ottweiler: Vorwürfe von Gewalt und Rassismus erschüttern das Saarland
Nach dem Tod eines Jugendlichen in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Ottweiler sind Politik und Justiz im Saarland mit Vorwürfen von Gewalt und Rassismus konfrontiert. Heute (8.00 Uhr) wird der Justizausschuss des Landtags zu einer nicht-öffentlichen Sondersitzung zusammenkommen, um von der Landesregierung und Staatsanwaltschaft umfassend informiert zu werden. Die Betroffenheit in diesem Fall ist enorm.
Was ist passiert?
Ein jugendlicher Insasse hat sich laut Justizministerium am 1. August in der JVA Ottweiler das Leben genommen. Am folgenden Tag kam es zu Protesten in der Haftanstalt: 17 Gefangene des Jugendvollzugs verweigerten nach der Freistunde die Rückkehr in ihre Zellen und erhoben Vorwürfe bezüglich der Haftbedingungen sowie gegen einzelne Bedienstete. Es kam zu einem ausgedehnten Polizeieinsatz vor Ort.
Um welche Vorwürfe geht es?
Die Gefangenen werfen Justizbeamten vor, den schwarzen 15-Jährigen vor seinem Tod verletzt zu haben. Dazu laufen Vorermittlungen in einem sogenannten Verdachtsprüfungsverfahren, wie die Staatsanwaltschaft Saarbrücken mitteilte. Darin werde überprüft, ob ein Anfangsverdacht «hinsichtlich etwaigen Körperverletzungen zu Lasten des verstorbenen Inhaftierten» vorliege.
Was für Ermittlungen gibt es?
Aufgrund weiterer erhobener Vorwürfe sind laut Staatsanwaltschaft gegen zwei Justizbeamte insgesamt drei Ermittlungsverfahren eingeleitet worden. Darin gehe es um Körperverletzung im Amt. Die Obduktion des Jugendlichen ergab «keine Hinweise auf Fremdeinwirkung» und «keine äußeren Verletzungszeichen», teilte die Staatsanwaltschaft mit.
Wie reagieren die sozialen Medien?
In den sozialen Medien wird rassistische Gewalt für den Tod des 15-Jährigen verantwortlich gemacht. «Er war schwarz, minderjährig – und zuvor Gewalt durch Justizbeamte ausgesetzt», heißt es in einem Spendenaufruf für die Familie. Es gebe «Hinweise, dass Nelson kurz vor seinem Tod getreten und geschlagen wurde – angeblich wegen eines gestohlenen Snacks».
Die Vorwürfe wögen schwer: «Wie kann es sein, dass ein junger schwarzer Mensch so verzweifelt ist, dass er keinen anderen Ausweg sieht, als sich das Leben zu nehmen? Was für rassistischer Gewalt muss Nelson ausgesetzt gewesen sein?», heißt zu der Aktion unter dem Titel «Gerechtigkeit für Nelson».
Warum war der Jugendliche im Gefängnis?
Warum der Jugendliche im Gefängnis saß, war zunächst unklar. Die Staatsanwaltschaft gab an, sie könne dazu «sowohl aus Gründen des Persönlichkeits- als auch des Verfahrensschutzes» keine Auskünfte erteilen. Laut Gerichtspressestelle in Saarbrücken befand sich der 15-Jährige aufgrund eines Sicherungshaftbefehls in der JVA.
Es könnte ein Haftbefehl ausgestellt werden, wenn zu befürchten ist, dass eine Bewährungsstrafe aufgrund weiterer Straftaten widerrufen wird. Es ist auch möglich, dass eine Entscheidung über Bewährung noch aussteht und vorläufig zurückgestellt wurde.
Wie reagiert die Politik auf den Fall?
Die oppositionelle CDU im Saarland fordert «eine schnellstmögliche und objektive Aufarbeitung und Aufklärung der tragischen Ereignisse» in der Haftanstalt. Justizministerin Petra Berg (SPD) müsse die notwendige Transparenz gegenüber dem Parlament herstellen.
Auch die Saar-Grünen wollen eine «lückenlose Aufklärung». Der Fall werfe schwerwiegende Fragen zum Zustand des saarländischen Justizvollzugs auf. «Der Tod eines Jugendlichen in staatlicher Obhut ist eine menschliche Tragödie», sagte Grünen-Chef Volker Morbe. Wenn sich der Verdacht auf «institutionellen Rassismus» erhärte, müssten politische und strukturelle Konsequenzen folgen.
Die Linke forderte «tiefgreifende Reformen im saarländischen Justizvollzug». Neben einer unabhängigen Aufarbeitung seien eine bessere Suizidprävention, psychische Betreuung und eine grundsätzliche Reform der Haftbedingungen nötig – besonders für jugendliche Gefangene. Im Saarland gibt es eine SPD-Alleinregierung.
Was tun Haftanstalten, um Suizide zu verhindern?
Zur Prävention sei das allgemeine Vollzugspersonal ebenso geschult wie Sozialarbeiter und Psychologen, sagte der Vorsitzendes vom Bund Saarländischer Justizvollzugsbediensteter (BSJ), Sascha Klein. Wenn es «nur das kleinste Anzeichen» gebe, dass sich ein Gefangener umbringen wolle, würden besondere Sicherungsmaßnahmen eingeleitet. Dazu zähle auch eine 24-Stunden-Überwachung mit einer Kamera im Haftraum.
Als spezielle Maßnahmen könnten dem Gefangenen alle gefährlichen Gegenstände entzogen werden. Er erhielte dann Plastik- oder Holzbesteck und keine normalen Teller. Gürtel und Schnürsenkel würden ihm ebenfalls abgenommen, erklärte Klein. In solchen Fällen würde er auch Unterwäsche aus Papier erhalten.