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Nachbeben erschüttern russische Halbinsel Kamtschatka

Ein schweres Erdbeben versetzt viele Länder im Pazifikraum in Alarmzustand. Die erste Zwischenbilanz fällt glimpflich aus, aber noch ist die Gefahr nicht überall gebannt. Ein Überblick.

Die Tsunami-Warnung führte in mehreren Ländern zu Verkehrsbehinderungen.
Foto: Matias Delacroix/AP/dpa

Nach dem starken Erdbeben vor der Halbinsel Kamtschatka im Osten Russlands beruhigt sich die Erde dort nicht. In der Nacht zum Donnerstag (Ortszeit) wurden vom Geophysischen Dienst der Russischen Akademie der Wissenschaften zahlreiche Nachbeben registriert, weitere könnten in den kommenden Wochen folgen. Tsunami-Warnungen galten vorübergehend für Millionen Menschen im Pazifik-Raum. Die befürchtete Katastrophe blieb jedoch zunächst aus. Auch einen Tag nach dem starken Beben gab es noch nicht überall Entwarnung.

Die Behörden in Chile haben die Küstengebiete des Landes evakuiert. Laut dem Radiosender Cooperativa wurde die Küstenpromenade in der Ortschaft Hanga Roa auf der zu Chile gehörenden Osterinsel im Pazifik gesperrt. Es wird berichtet, dass der Großteil der Bevölkerung in höher gelegenen Gebieten lebt, die als sicher angesehen werden.

Entwarnung für Hawaii und die US-Westküste 

Die beliebte Insel Hawaii erhielt nach besorgniserregenden Stunden die Entwarnung: Am Mittwochvormittag (Ortszeit) wurden die letzten Tsunami-Warnhinweise aufgehoben. Dennoch warnten die Behörden weiterhin Schwimmer und Bootsfahrer vor ungewöhnlichen oder starken Wasserströmungen in einigen Küstenregionen.

Aufgrund der Tsunami-Gefahr für die zu den USA gehörende Inselgruppe im Pazifik, die Tausende Kilometer vom Erdbebengebiet vor der Kamtschatka entfernt liegt, wurden Strände evakuiert und Häfen vorübergehend für den Schiffsverkehr gesperrt. Es gab jedoch letztendlich keine größeren Schäden.

Die Tsunami-Warnungen wurden auch in den westlichen US-Bundesstaaten Alaska, Washington und Oregon aufgehoben. In Kalifornien war am Mittwochnachmittag (Ortszeit) nur noch in einem Küstenabschnitt ein Hinweis auf starke Strömungen in Kraft. Die Strände im Raum Los Angeles waren nach vorübergehender Sperrung wieder zugänglich.

Das ist über das schwere Beben bislang bekannt

Mit einer Stärke von 8,8 war das Hauptbeben gemäß der US-Erdbebenwarte USGS das weltweit stärkste seit der Fukushima-Katastrophe im März 2011 – und wurde seit Beginn der Aufzeichnungen nur von fünf Beben übertroffen. Laut der Russischen Akademie der Wissenschaften war es zudem das heftigste in der Region seit 1952. Das Zentrum des Bebens befand sich in der offenen See, etwa 130 Kilometer vor der dünn besiedelten Küste Kamtschatkas, und relativ tief unter dem Meeresboden.

Wie groß ist die Gefahr von Nachbeben?

Seitdem hat es Hunderte von Nachbeben vor Kamtschatka gegeben. Der Geophysikalische Dienst der Russischen Akademie der Wissenschaften berichtete am Donnerstagmorgen (Ortszeit), dass es innerhalb von nur 30 Minuten vier Erdbeben mit Stärken zwischen 4,4 und 6,3 gegeben habe, wie die staatliche russische Nachrichtenagentur Tass meldete.

«Es wird in den kommenden Wochen und Monaten zu Nachbeben in der Region kommen, die aber sehr wahrscheinlich nicht mehr die Magnitude des Hauptbebens erreichen werden», sagte Heidrun Kopp vom Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel dem Science Media Center (SMC). Generell seien Nachbeben gefährlich, da sie bereits beschädigte Infrastruktur komplett zerstören können. «Im vorliegenden Fall wären weitere Schäden vermutlich auf die Halbinsel Kamtschatka begrenzt.»

Wenige Stunden nach dem Hauptbeben brach auch der höchste Vulkan aus. Wissenschaftler teilten mit, dass am Kegel des 4.750 Meter hohen Kljutschewskoj ein starkes Glühen zu sehen sei. Lava fließe an einer Flanke herab und Explosionen seien zu hören. Der Berg, auch bekannt als Kljutschewskaja Sopka, liegt etwa 400 Kilometer nördlich der Regionalhauptstadt Petropawlowsk-Kamtschatski.

«Wie die Heldin eines Katastrophenfilms»

In der Stadt mit etwa 170 000 Einwohnern versetzte das Beben die Menschen in Schrecken. «Es schien, als würde das Haus gleich zusammenfallen wie ein Kartenhaus», berichtete eine Russin dem unabhängigen Nachrichtenportal «Bereg». Sie sei die Treppe hinab ins Freie gelaufen, auch wenn der übliche Rat laute, bei Erdbeben die Treppenhäuser zu meiden. «Ich habe erstmals in meinem Leben ein so starkes Erdbeben erlebt und habe mich sehr erschrocken.»

Eine andere Frau stieg mit ihren Nachbarn auf eine Anhöhe, um des befürchteten Tsunamis wegen vom Meer wegzukommen. «Ich kam mir vor wie die Heldin eines Katastrophenfilms, wenn Menschen mit Taschen oder Tieren im Korb irgendwohin laufen.» Viele Einwohner versuchten, die Großstadt mit ihren mehrstöckigen Plattenbauten zu verlassen. Vor Tankstellen und Geldautomaten gab es Schlangen, auf den Straßen bildeten sich Staus.

Angst vor meterhohen Wellen

In vielen Ländern gab es nach dem Beben große Besorgnis, dass meterhohe Tsunami-Wellen entlang der Pazifikküste schwere Schäden anrichten könnten – auch in Erinnerung an die verheerenden Tsunami-Katastrophen im Indischen Ozean Weihnachten 2004 und in Fukushima im März 2011. Die meisten Warnungen wurden jedoch bereits nach Stunden aufgehoben oder heruntergestuft. In Japan erreichten die Flutwellen kaum eine Höhe von einem Meter.

dpa