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Istanbul: Nachbeben versetzen Bevölkerung weiter in Unruhe

Zwei Tage nach dem starken Beben erschüttern immer wieder Erdstöße Istanbul und die Region. Noch immer trauen sich viele nicht zurück in ihre Häuser.

In Istanbul bebt die Erde weiter.
Foto: Emrah Gurel/AP/dpa

Zwei Tage nach dem starken Istanbuler Beben gibt es weitere Erschütterungen rund um die Metropole. Am frühen Morgen ereigneten sich an einer vor der Stadt gelegenen Plattengrenze Beben mit einer Stärke von bis zu 3,6, wie der Katastrophendienst Afad mitteilte. Menschen verbrachten die Nacht erneut im Freien, zum Beispiel in Sportstadien, wie verschiedene türkische Medien berichteten. Viele sorgen sich vor einem weiteren, heftigeren Beben.

Afad registrierte am Mittwoch kurz vor 13.00 Uhr Ortszeit das bisher stärkste Beben der Stärke 6,2 mit einem Epizentrum im Marmarameer vor der Stadt. Es gab zahlreiche weitere Erdstöße. Bislang wurden etwa 300 Nachbeben verzeichnet. Diese könnten auch in den nächsten Wochen noch anhalten.

Starkes Beben in Istanbul nun wahrscheinlicher 

Die Türkei befindet sich in einer der seismisch aktivsten Regionen der Welt. Über eine Million Gebäude in Istanbul gelten als nicht erdbebensicher. Experten zufolge ist ein Erdbeben der Stärke 7 außerdem überfällig. Das Beben am Mittwoch hat die Wahrscheinlichkeit für ein solches Ereignis noch weiter erhöht, da ein Teil der bereits kritischen Verwerfung vor Istanbul aktiviert wurde, so Marco Bohnhoff vom GFZ Helmholtz-Zentrum für Geoforschung in Potsdam.

Die Nordanatolische Verwerfung verläuft im Marmarameer vor der 16-Millionen-Stadt. Istanbul ist besonders gefährdet, da sich die Verwerfung nur etwa 15-20 km südlich der Stadt entlangzieht.

Nicht nur Gebäudesubstanz macht Erdbeben so gefährlich

Istanbulerinnen und Istanbuler machen fast 20 Prozent der türkischen Bevölkerung aus. Um die Metropole dauerhaft sicher zu machen, fordern zahlreiche Stimmen aus der Politik mehr Maßnahmen – und prangern fehlende Bemühungen vonseiten der Regierung an. Ein Politiker der nationalkonservativen Oppositionspartei Iyi sagte im Parlament mit Blick auf die schlechte Vorbereitung der Stadt, die Menschen würden «in Särgen und nicht in Wohnungen» leben. Der politische Analyst Levent Gültekin kritisierte in einem Video: «Wir warten auf das Erdbeben wie die Schafe auf die Schlacht.»

Nicht nur die Gebäudesubstanz birgt ein erhebliches Risiko in der Metropole. Es mangelt auch an Evakuierungsplanung und -infrastruktur sowie an der Aufklärung der Öffentlichkeit. Zudem sind Mängel bei der Bauaufsicht und Korruption weit verbreitet. In der Vergangenheit wurden immer wieder – nicht nur in Istanbul – Tausende illegal errichtete Gebäude nachträglich durch Baumamnestien legalisiert.

Viele Menschen haben die Stadt vorübergehend verlassen aufgrund der Erdbeben und der Angst vor weiteren. Allerdings haben nicht alle diese Möglichkeit. Eine schwere Wirtschaftskrise hat das Land heimgesucht, der starke Anstieg der Preise, insbesondere für Lebensmittel, hat viele Menschen nicht nur in Istanbul in die Armut getrieben.

Erdbeben konkurriert mit anderen Krisen im Land

Die Erdbebengefahr tritt für viele Stadtbewohner aufgrund anderer politischer Krisen im Land in den Hintergrund. Dazu gehören das Verfahren gegen den inhaftierten und abgesetzten Bürgermeister von Istanbul, Prozesse gegen protestierende Studenten und gesellschaftlich umstrittene Regelungen wie die teilweise Einführung eines Kaiserschnittverbots.

dpa