Erneut sprudelt glühend heiße Lava aus einem kilometerlangen Erdriss. Anders als bei vorherigen Ausbrüchen kündigt sich das Naturspektakel diesmal vorab nicht großartig an.
«Natur ist unberechenbar» – Neuer Vulkanausbruch auf Island
Zum zehnten Mal seit 2021 und allein zum siebten Mal innerhalb der vergangenen zwölf Monate erfährt die Nordatlantik-Insel Island einen spektakulären Vulkanausbruch. Erneut hat sich ein kilometerlanger Erdriss auf der Reykjanes-Halbinsel südwestlich der Hauptstadt Reykjavik geöffnet, erneut bahnen sich daraus Massen an glutroter Lava ihren Weg an die Erdoberfläche.
Am Morgen erreichte der Lavafluss unter anderem eine wichtige Straße in der Gegend, den Grindavíkurvegur, sowie die gut geschützte Warmwasserleitung Njardvíkuræd. Der kleine Fischerort Grindavík wurde erneut evakuiert, ebenso wie die Blaue Lagune, ein bei Island-Touristen sehr beliebtes Geothermalbad.
Laut dem isländischen Wetteramt begann der Ausbruch kurz vor Mitternacht (Ortszeit). Danach floss glühend heiße Lava aus einem etwa drei Kilometer langen Erdspalt. Es schien, dass die vulkanische Aktivität bereits in der Nacht ihren Höhepunkt erreicht hatte. Das Wetteramt sah keine Anzeichen dafür, dass sie weiter zunehmen würde. Die Behörde stellte fest, dass die Eruption deutlich kleiner war als die vor drei Monaten in dem Gebiet begonnene.
«Die Natur ist unberechenbar»
Anders als bei früheren Vorfällen dieser Art ereignete sich der Ausbruch recht unerwartet: Frühere Ausbrüche auf der Halbinsel wurden jeweils durch eine zunehmende Anzahl von Erdbeben über Tage oder sogar Wochen angekündigt. Dies blieb diesmal aus: Nur eine knappe Dreiviertelstunde vor Beginn des Ausbruchs wurden ein kleiner Schwarm von Erdbeben und die ersten Anzeichen eines unterirdischen Magmaeinflusses registriert.
Entsprechend überraschend kam der Eruptionsbeginn auch für diejenigen, die sich schon längst auf ein Leben mit dauerhafter Vulkangefahr eingestellt haben: Fannar Jónasson, der Bürgermeister von Grindavík, sagte dem isländischen Rundfunksender RÚV zufolge, die Eruption sei unerwartet aufgetreten. «Aber die Natur ist unberechenbar», wurde er von dem Sender zitiert. Die Einheimischen hätten sich an die Evakuierung ihres Ortes mittlerweile gewöhnt.
Aufatmen in Grindavík
Bei einem vorherigen Ausbruch im Januar wurden drei Häuser in den Ausläufern von Grindavík von Lavamassen betroffen – zum ersten Mal seit einem halben Jahrhundert hatte ein Vulkanausbruch in Island Wohngebäude zerstört. Diesmal scheint die Lage der Eruption für den Ort jedoch günstiger zu sein: Nach bisherigen Erkenntnissen floss die Lava nicht in Richtung des kleinen Ortes, in dem vor den Ausbrüchen etwa 4.000 Menschen lebten und in dem nur noch einige Dutzend Häuser bewohnt sind.
Die Bewohner von Grindavík könnten erleichtert aufatmen, dass die Eruption recht weit nördlich aufgetreten sei, sagte Jónasson. Die isländische Zivilschutzbehörde teilte mit, dass in der Gegend keine Gefahr bestehe. Auch der internationale Flughafen von Island im nahegelegenen Keflavík sei nicht betroffen. «Island bleibt ein sicheres Reiseziel», hieß es von der Behörde.
Die Eruptionen auf der Reykjanes-Halbinsel sind nicht wie diejenigen eines klassischen Vulkans vorzustellen. Stattdessen tritt die Lava aus einem langen Erdspalt aus, weshalb diese Art von Eruption auch als Spalteneruption bekannt ist. Normalerweise entsteht dabei keine massive Aschewolke – im Gegensatz zum Ausbruch des Vulkangletschers Eyjafjallajökull im Jahr 2010, dessen kilometerhohe Wolke damals den internationalen Flugverkehr tagelang lahmgelegt hatte.
Die Spalteneruptionen sind auf mehrere Vulkansysteme mit unterirdischen Magmakammern zurückzuführen. Fast 800 Jahre lang war Ruhe unter der dünn besiedelten Halbinsel im Südwesten von Island, bevor es im März 2021 zu einer ersten Eruption kam. Experten gehen davon aus, dass die derzeitige Serie von Ausbrüchen noch Jahrzehnte andauern könnte – die aktuelle Eruption wird also wahrscheinlich nicht die letzte sein.