Oliver Blume gibt den Chefposten bei Porsche ab. Jetzt heißt es für ihn wohl: Volkswagen pur. Was der Top-Manager in Stuttgart bewegt hat – und welche Baustellen er seinem Nachfolger hinterlässt.
Oliver Blume soll als Porsche-Chef abgelöst werden

Der Aufsichtsratsvorsitzende wurde beauftragt, mit dem Manager Oliver Blume Gespräche über sein vorzeitiges Ausscheiden als Vorstandsvorsitzender von Porsche zu führen. Es wurde nicht angegeben, wann dies geschehen soll. Blume wird weiterhin VW-Chef bleiben, so das Unternehmen in Stuttgart.
Nach Angaben des Unternehmens steht der ehemalige McLaren-Chef Michael Leiters als möglicher Nachfolger zur Verfügung. Verhandlungen mit ihm wurden aufgenommen. Leiters, der promovierte Maschinenbauer, war zuvor 13 Jahre lang bei Porsche tätig und wechselte vor seiner Tätigkeit bei McLaren zu Ferrari.
Damit endet wohl eine einzigartige Konstellation in der deutschen Unternehmenslandschaft: Blume leitet seit etwa drei Jahren zwei Börsenunternehmen. Vor zehn Jahren – im Oktober 2015 – wurde er Vorstandsvorsitzender von Porsche. Am 1. September 2022 übernahm er – kurz vor dem Porsche-Börsengang – die Position des Vorstandsvorsitzenden bei der Konzernmutter Volkswagen.
Druck auf «Teilzeitvorstandsvorsitzenden»
Bereits länger war über den Rückzug spekuliert worden: Aktionärsvertreter sahen Blumes Doppelrolle ohnehin seit langem kritisch. Nicht nur wegen der riesigen Arbeitsbelastung, sondern auch wegen möglicher Interessenkonflikte. Sie forderten den Top-Manager wiederholt dazu auf, sich für die Führung von einem der Dax-Konzerne zu entscheiden. Hendrik Schmidt vom Fondsanbieter DWS kritisierte etwa, dass Porsche und VW die einzigen Börsenunternehmen in Deutschland seien, die sich einen «Teilzeitvorstandsvorsitzenden» leisteten.
Blume ließ solche Anschuldigungen an sich abprallen. Trotz einer Veränderung im Ton in den letzten Monaten verteidigte er bis zuletzt seine Doppelrolle als ein Erfolgsrezept mit mehr Vor- als Nachteilen. Die Milliardärsfamilien Porsche und Piëch, die die Mehrheit der Stimmrechte im Volkswagen-Konzern kontrollieren, unterstützten ihn lange Zeit. Doch wie fällt die Bilanz des Top-Managers aus – und welche Herausforderungen hinterlässt er seinem Nachfolger?
Das hat Blume bei Porsche erreicht
Blume übernahm Porsche im Top-Zustand. 2015 war bis zu diesem Zeitpunkt das erfolgreichste Geschäftsjahr der Unternehmensgeschichte. Auf seiner ersten Bilanz-Pressekonferenz sprach der Manager von einem «selbst für Porsche-Maßstäbe außerordentlichen Ergebnis». Das war bereits ein Vorgeschmack auf alles, was danach noch kommen sollte.
Jahrelang gab es in Zuffenhausen fast ausschließlich positive Entwicklungen – bei den Verkaufszahlen, dem Umsatz und dem Gewinn. Als Blume sein Amt antrat, verkaufte Porsche etwa 225.000 Autos pro Jahr. Im Jahr 2023, dem Jahr mit den bisher höchsten Verkaufszahlen, waren es über 320.000 Sport- und Geländewagen. Der Gewinn nach Steuern hat sich während seiner Amtszeit mehr als verdoppelt.
Börsenstart als Triumph
Einer der größten Erfolge Blumes war der Börsengang im September 2022. Nach langjährigen Spekulationen und monatelanger Prüfung sammelte Volkswagen mit dem Börsengang knapp 9,4 Milliarden Euro ein. Damit war es die größte Erstemission in Deutschland seit der Telekom im Jahr 1996. Und das, obwohl die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen durch die Corona-Folgen und den Ukraine-Krieg alles andere als rosig waren.
Das Papier mit dem Kürzel «P911» – benannt nach der Sportwagen-Ikone 911 – setze danach zum Höhenflug an. Im Dezember 2022 stieg das Unternehmen bereits in den Leitindex Dax auf. Das mache Porsche «glücklich und stolz», sagte Blume damals. Zwischenzeitlich war Porsche an der Börse auch mehr wert als die Konzernmutter VW. Das Hoch erreichte die Aktie im Frühjahr 2022 mit fast 120 Euro – nach einem Ausgabepreis von 82,50 Euro.
Diese Baustellen hinterlässt Blume
Trotz des erfolgreichen Verlaufs häuften sich vor allem auf der Zielgeraden der fast zehnjährigen Ära Blume die Schwierigkeiten. Die Absatzzahlen waren enttäuschend – insbesondere in China und den USA lief es schlecht. Auch der Gewinn fiel zuletzt drastisch. Der Konzernüberschuss von Januar bis Juni betrug 718 Millionen Euro – 71 Prozent weniger als im Vorjahr.
Der einst erfolgreiche Sportwagenhersteller ist nun ein Unternehmen in der Krise. Auch an der Börse blieb das nicht unbemerkt: Der Aktienwert hat sich seit dem Höchststand um mehr als die Hälfte reduziert. Zuletzt lag der Wert bei 41 Euro. Anfang September wurde Porsche auch aus dem Dax entfernt.
In einem Schreiben an die Mitarbeiter im Sommer erläuterte Blume mehrere Gründe für die Schwierigkeiten: In China ist der Markt für teure Luxusprodukte in kurzer Zeit regelrecht eingebrochen. In den USA belasten die gestiegenen Zölle und vor allem die aktuelle Kursentwicklung des Dollars das Geschäft von Porsche. Dies sind Probleme, für die sein Nachfolger Lösungen finden muss.
Vom E-Auto zurück zu Verbrennern
Außerdem geht die Wende zum E-Auto nicht auf: Keine andere Marke im VW-Konzern hatte sich ein ähnlich ehrgeiziges Ziel gesetzt. Mehr als 80 Prozent aller Porsche-Neuwagen sollten bis 2030 vollelektrisch fahren. Davon ist nicht mehr viel übrig. Im ersten Halbjahr lag der Anteil vollelektrischer Wagen bei 23,5 Prozent. Die E-Mobilität entwickle sich in vielen Märkten deutlich langsamer, als «wir und viele Experten es noch vor Jahren erwartet hatten», so Blume.
Deshalb hat Porsche seine Strategie geändert – jetzt plant das Unternehmen wieder mehr Fahrzeuge mit Verbrenner- und Plug-in-Hybridantrieb zu entwickeln. Auch von den ehemals umfangreichen Batterieplänen des Managements ist nicht mehr viel übrig. Die Tochtergesellschaft Cellforce wird sich in Zukunft nur noch auf Forschung und Entwicklung konzentrieren, wobei bis zu 200 Arbeitsplätze gestrichen werden sollen. Porsche rechnet mit Mehrkosten in Milliardenhöhe für diese Strategieänderung.
Der Autohersteller muss daher Einsparungen vornehmen – und seine Strukturen verkleinern. Bis zum Jahr 2029 sollen in der Region Stuttgart etwa 1.900 Stellen sozialverträglich abgebaut werden. Ein weiteres Sparprogramm soll im Herbst auf den Weg gebracht werden. Aktuell wird darüber mit dem Betriebsrat verhandelt.
Das sind die größten Aufgaben bei VW
Selbst wenn Blume sich jetzt vollständig auf VW konzentrieren kann, wird er die Probleme bei Porsche auch von Wolfsburg aus im Auge behalten müssen. Denn das schwache Abschneiden der früheren Gewinngiganten Porsche und Audi hat den Konzern zuletzt belastet. Im zweiten Quartal erzielte die lange Zeit schwächelnde Kernmarke sogar mehr operativen Gewinn als die Premium-Marken zusammen.
Auch nach dem Ende des Tarifkonflikts mit der IG Metall gibt es im Konzern noch viele ungelöste Probleme: Bis Ende 2026 muss mit der IG Metall über eine Änderung der Tarifstruktur verhandelt werden, von der sich VW weitere Einsparungen erhofft. Bis 2030 plant die Kernmarke, fast jeden vierten Arbeitsplatz in Deutschland abzubauen. Der Konzern muss nun zeigen, wie dies ohne betriebsbedingte Kündigungen möglich ist.
Mit dem Sparkurs will VW Überkapazitäten abbauen und die Gewinnmarge der ertragsschwachen Kernmarke erhöhen. Auf viel Rückhalt der Beschäftigten kann Blume nicht hoffen: In der Krise war der Unmut gewachsen. Hinzu kommen die Konzern-Dauerbaustellen: das wegbrechende China-Geschäft, der schleppende Elektro-Hochlauf, die konzerneigene Softwareschmiede Cariad, der Aufbau eigener Batteriefabriken und der Wettlauf beim autonomen Fahren. «Es gibt mehr als genug bei Volkswagen zu tun», sagt Branchenexperte Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management in Bergisch Gladbach.