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Pflichtjahr für Rentner? Wirtschaftsexperte Marcel Fratzscher fordert sozialen Pflichtdienst im Alter

Pflichtjahr für Rentner? Experten fordern sozialen Pflichtdienst im Alter. Was hinter der Debatte steckt – und ob Wehrpflicht & Verteidigung dazugehören sollen.

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Foto: NF24 / KI

Die Debatte um ein mögliches Pflichtjahr für Rentner sorgt bundesweit für Aufsehen. Auslöser ist eine Forderung von Marcel Fratzscher, dem Präsidenten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Er spricht sich für einen verpflichtenden sozialen Dienst im Ruhestand aus. Ziel sei es, ältere Menschen stärker in gesellschaftliche Aufgaben einzubinden und den wachsenden Herausforderungen des demografischen Wandels zu begegnen.

Warum ein Pflichtdienst für Rentner?

Fratzscher argumentiert, dass besonders die jüngere Generation derzeit unter enormem Druck steht: steigende Sozialabgaben, Klimawandel, Fachkräftemangel und geopolitische Spannungen. Ein verpflichtender sozialer Pflichtdienst für Rentner könne dabei helfen, die Verantwortung auf mehr Schultern zu verteilen. Denkbar sei ein Einsatz in sozialen Einrichtungen, im Zivilschutz oder sogar in sicherheitsrelevanten Bereichen der Verteidigung, etwa zur Unterstützung administrativer Aufgaben in Bundeswehr oder Katastrophenschutz.

Rückendeckung aus der Wissenschaft

Unterstützung erhält Fratzscher von Sozialwissenschaftler Klaus Hurrelmann. Auch er fordert ein allgemeines Pflichtjahr am Ende des Erwerbslebens. Seiner Meinung nach kann es nicht sein, dass ausschließlich junge Menschen über Maßnahmen wie die Wehrpflicht oder den Bundesfreiwilligendienst gesellschaftlich eingebunden werden, während Senioren weitgehend ausgenommen bleiben. Das soziale Pflichtjahr für Rentner sei eine Chance, Solidarität generationenübergreifend zu stärken.

Politische Debatte: Zwischen Pflicht und Freiwilligkeit

Die Idee eines Rentner-Pflichtdienstes wird in der Politik kontrovers diskutiert. Während einige den Vorschlag als unausgewogen und schwer umsetzbar kritisieren, sehen andere darin eine logische Erweiterung bestehender Konzepte wie Wehrpflicht oder Bundesfreiwilligendienst. Vertreter konservativer Kreise plädieren für mehr nationale Bereitschaft, auch im Alter zur Verteidigung oder öffentlichen Daseinsvorsorge beizutragen. Andere warnen vor einer potenziellen Überforderung älterer Menschen.

Verfassungsrechtlich fraglich

Ein verpflichtendes soziales Jahr für Rentner wirft jedoch grundlegende juristische Fragen auf. Laut Artikel 12 des Grundgesetzes besteht in Deutschland ein generelles Verbot von Zwangsdiensten außerhalb gesetzlich geregelter Ausnahmen. Auch die Europäische Menschenrechtskonvention verbietet Zwangsarbeit. Die Einführung eines verpflichtenden Dienstjahres für Rentner wäre somit ohne Grundgesetzänderung kaum möglich – und rechtlich höchst umstritten.


Was wäre in einem Pflichtjahr für Rentner vorgesehen?

Konkrete Pläne liegen bisher nicht vor. In der Diskussion sind unter anderem folgende Aufgabenfelder für ein mögliches Pflichtjahr im Alter:

  • Hilfe in Pflegeeinrichtungen und sozialen Diensten
  • Unterstützung im Katastrophenschutz und bei der Bundeswehr (z. B. Verwaltung, Logistik)
  • Engagement in Schulen, Bibliotheken oder Stadtteilprojekten
  • Beratungsaufgaben basierend auf Berufserfahrung

Ziel sei es, die vorhandenen Kompetenzen der Rentner-Generation sinnvoll und gesellschaftlich wirksam einzusetzen – ohne körperliche Überforderung.

Freiwilliger Einsatz statt Zwang?

Einige Experten schlagen stattdessen freiwillige soziale Dienste für Rentner mit steuerlichen oder finanziellen Anreizen vor. So könnte ein Modell geschaffen werden, das ältere Menschen motiviert, sich einzubringen – ohne Druck oder gesetzliche Verpflichtung. Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hatte sich bereits in der Vergangenheit für ein freiwilliges gesellschaftliches Engagement in jeder Lebensphase ausgesprochen.

Pflichtjahr für Rentner bleibt vorerst Theorie

Die Forderung nach einem Pflichtdienst für Rentner bringt wichtige gesellschaftliche Fragen auf die Tagesordnung: Wie gestalten wir Zusammenhalt in einer älter werdenden Gesellschaft? Wer trägt künftig Verantwortung für Pflege, Bildung, Verteidigung und Sicherheit? Ob das Modell eines verpflichtenden sozialen Jahres im Alter rechtlich und politisch durchsetzbar ist, bleibt abzuwarten. Klar ist: Die Diskussion um den Rentnerdienst rückt den Generationenvertrag wieder ins Zentrum der politischen Debatte.

bh
Quellen: Spiegel, tagesschau