An Silvester werden zwei Kinder der Unternehmerin Block in Dänemark in ein Auto gezerrt. Nun beginnt ein mit Spannung erwarteter Prozess um mutmaßliche Kindesentführung. Angeklagt: die Mutter.
Prozess um Kindesentführung gegen Christina Block startet

Ein heftiger Sorgerechtsstreit, der laut Anklage in der Entführung zweier Kinder gipfelte: Vor dem Hamburger Landgericht beginnt heute (9.30 Uhr) ein Prozess gegen die Hamburger Unternehmerin Christina Block und sechs weitere Angeklagte. Einer davon ist Blocks Lebensgefährte, der Fernsehmoderator Gerhard Delling (66).
Worum geht es in dem Fall?
Laut Staatsanwaltschaft ereignete sich der Vorfall, der bundesweit Schlagzeilen machte, folgendermaßen: In der Silvesternacht 2023/24 lauerten mehrere Männer dem Vater Stephan Hensel und den Kindern in Süddänemark auf. Die Täter sollen Hensel zusammengeschlagen und die Kinder in ein Auto gezerrt haben. Im Verlauf der vermeintlichen Entführung wurden den Kindern laut Anklagebericht der Mund mit Klebeband verschlossen und die Tochter an den Händen gefesselt. Der Junge und das Mädchen wurden schließlich nach Baden-Württemberg gebracht und reisten später mit ihrer Mutter nach Hamburg.
Die Tochter von Eugen Block, dem Gründer der Restaurantkette Block House, kämpft seit Jahren um ihre 2010 geborene Tochter und den 2013 geborenen Sohn. Seit 2021 leben beide Kinder bei ihrem Vater Stephan Hensel (51) in Dänemark. Laut der Hamburger Staatsanwaltschaft hat er sie nach einem Wochenendbesuch widerrechtlich gemäß seinem Umgangsrecht bei sich behalten. Die geschiedenen Eheleute haben zwei ältere Kinder, von denen eine Tochter beim Vater und eine bei der Mutter lebt.
Warum sind die Kinder wieder bei ihrem Vater?
Am 5. Januar 2024 hat das Hanseatische Oberlandesgericht (OLG) aufgrund eines Eilantrags des Vaters entschieden, dass ihm die Kinder zurückgegeben werden müssen. Dies geschah noch am selben Tag. Er erhielt mit der einstweiligen Anordnung das alleinige Aufenthaltsbestimmungs- und Erziehungsrecht.
Was wird Christina Block vorgeworfen?
Die Mutter soll gemeinsam mit einem 63-jährigen Deutschen den Auftrag gegeben haben, ihre beiden Kinder gewaltsam dem auch sorgeberechtigten Vater zu entziehen. Die Anklage gegen Block und den 63-Jährigen lautet auf gemeinschaftliche schwere Entziehung von Minderjährigen in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Freiheitsberaubung. Der Mutter wird zusätzlich schwere Misshandlung von Schutzbefohlenen vorgeworfen. Die Verteidiger bestreiten die Vorwürfe.
Was soll Gerhard Delling getan haben?
Der Sportjournalist und Fernsehmoderator wird beschuldigt, die Reise von Christina Block nach Baden-Württemberg arrangiert und die Rückkehr mit den Kindern nach Hamburg koordiniert zu haben. Delling wird auch beschuldigt, falsche Angaben gegenüber den Kriminalbeamten gemacht zu haben. Er ist wegen Beihilfe angeklagt. Dellings Verteidiger David Rieks wies die Vorwürfe zurück.
Wer sind die übrigen Beschuldigten?
Ein 35-jähriger Israeli soll laut Staatsanwaltschaft zusammen mit fünf weiteren Männern direkt an der Entführung beteiligt gewesen sein, seit November befindet er sich in Untersuchungshaft. Ein 58-jähriger Deutscher, Leiter eines Hamburger Sicherheitsunternehmens, soll das Anwesen von Block bewacht haben, um eine Flucht der Kinder zu verhindern. Er wird angeklagt wegen Beihilfe zur gemeinschaftlichen schweren Entziehung Minderjähriger in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Freiheitsberaubung. Ebenfalls demselben Vorwurf müssen sich eine Frau (49) und ein Mann (55) aus Blocks Umfeld stellen.
Was ist die Vorgeschichte?
Der Streit um das Sorgerecht zwischen Block und ihrem Ex-Mann beschäftigte zuletzt auch das Bundesverfassungsgericht. Die Richter wiesen eine Beschwerde von Block ab. In der Begründung wurde erwähnt, dass alle vier Kinder nach der Trennung des Paares im Jahr 2014 und der Scheidung im Jahr 2018 zunächst bei der Mutter lebten. Es gab eine Umgangsregelung für Besuche beim Vater seit 2015. Im Juli 2021 zog die älteste Tochter im Einvernehmen mit der Mutter zu ihrem Vater.
Seit August 2021 leben die beiden jüngsten Kinder beim Vater. Nach einem Wochenendbesuch hatte er mitgeteilt, dass er sie wegen «kindeswohlgefährdenden» Verhaltens der Mutter nicht zurückbringen werde. Über die genauen Vorwürfe ist offiziell nichts bekannt. Im Herbst 2021 sprach das OLG der Mutter vorläufig das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht zu und verpflichtete den Vater zur Herausgabe der Kinder an die Mutter.
Warum entschieden dänische Gerichte anders?
Dänemark erkennt als einziges EU-Land Entscheidungen von Gerichten anderer Mitgliedsländer in Sorgerechtsstreitigkeiten nicht automatisch an. Ende 2021 erklärte ein dänisches Amtsgericht die Vollstreckung der deutschen Entscheidung für unzulässig. Im Jahr 2022 stellte Block einen Antrag auf Rückführung ihrer Kinder nach dem dänischen Kindesentführungsgesetz. Im Februar 2023 entschied ein Gericht, dass die Kinder zwar widerrechtlich nach Dänemark gebracht wurden, sie aber nicht zurückgeführt werden könnten.
Sehen deutsche Familiengerichte den Fall anders?
Grundsätzlich nicht. Im Oktober 2023 erklärte sich das Familiengericht in Hamburg für nicht zuständig. Ende November wurde diese Entscheidung vom Oberlandesgericht unterstützt. Im Februar 2024 wies dasselbe Gericht eine Beschwerde von Block zurück und stellte fest, dass aufgrund der konstanten Äußerungen der Kinder, beim Vater leben zu wollen, ein Wechsel nicht erzwungen werden könne, wie das dänische Gericht ebenfalls festgestellt hatte. Anfang Mai dieses Jahres sprach ein dänisches Gericht dem Vater das alleinige Sorgerecht zu.
Warum behielt der Vater die Kinder 2021 bei sich?
Hensels Anwalt Philip von der Meden argumentiert, der Vater habe seine Kinder vor Gewalt schützen wollen. Blocks Anwalt Otmar Kury erklärte zu den Vorwürfen gegen seine Mandantin: «In den familiengerichtlichen Verfahren ist das Gegenstand, und die Mutter hat auch immer gesagt, dass sie die Kinder natürlich nicht geschlagen hat.» Psychologen hätten immer wieder festgestellt, dass die Kinder durch den Vater schwer beeinflusst worden seien.