Psychische Gewalt hat ernsthafte Auswirkungen. Unternehmen müssen präventive Maßnahmen ergreifen, um Betroffene zu schützen.
Gewalt am Arbeitsplatz: Jeder Dritte erlebt verbale Übergriffe
Laut einer repräsentativen Forsa-Umfrage im Auftrag der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) hat rund ein Drittel der abhängig Beschäftigten mit häufigem Kontakt zu Kunden oder Patienten in den letzten zwölf Monaten verbale Übergriffe bei der Arbeit erlebt, bei denen sie beleidigt, bedroht oder erpresst wurden.
Beleidigungen und Beschimpfungen sind am häufigsten (32 Prozent). Aber auch Spott, Schikanen und Verleumdungen (12 Prozent) sowie Drohungen und Erpressungen (7 Prozent) sind nicht ungewöhnlich. Zudem haben etwa 6 Prozent der Befragten Erfahrungen mit sexualisierter psychischer Gewalt, beispielsweise durch anzügliche Gesten oder Sprüche.
«Auch rein verbale Gewalt kann ernsthafte psychische Auswirkungen haben», sagt Hannah Huxholl, Psychologin bei der Unfallversicherung. Doch psychische Gewalt werde statistisch häufig nicht erfasst. «Unsere Umfrage macht diese Formen von Gewalt sichtbar», sagt DGUV-Hauptgeschäftsführer Stefan Hussy.
Frauen werden bei der Arbeit häufiger beleidigt
Mitarbeiter im Gesundheits- und Sozialwesen sowie im öffentlichen Dienst sind am stärksten betroffen: Über die Hälfte der Befragten gab an, mindestens einen verbalen Übergriff erlebt zu haben. In den Bereichen Verkehr, Handel und Bildung berichtete mehr als ein Drittel von ähnlichen Erfahrungen.
Frauen (41 Prozent) erfahren insgesamt öfter psychische Gewalt am Arbeitsplatz als Männer (32 Prozent). Die Unterschiede betreffen hauptsächlich Formen von psychischer sexualisierter Gewalt (9 vs. 2 Prozent) sowie Beschimpfungen und Beleidigungen (35 vs. 28 Prozent).
Im Vergleich zu verbalen Übergriffen sind körperliche Übergriffe deutlich seltener: 8 Prozent der Befragten gaben an, physische Gewalt erlebt zu haben. Teilnehmer aus dem Gesundheits- und Sozialwesen sind mit Attacken wie Schubsen, Anspucken sowie Tritte und Schläge viel häufiger konfrontiert (22 Prozent) als der Durchschnitt.
Laut Unfallversicherung gehen jährlich zwischen 9.000 und 13.000 Arbeitsunfälle auf Gewalteinwirkung zurück. Ein Arbeitsunfall ist erst meldepflichtig, wenn er zu mehr als drei Tagen Arbeitsunfähigkeit führt.
Zunahme von Gewalt?
In der Befragung stellte fast jeder fünfte Teilnehmer eine Zunahme psychischer oder körperlicher Gewalt innerhalb der vergangenen zwölf Monaten fest. «Heutzutage schauen wir viel sensibler auf das Thema», so Huxholl. «Die Gesellschaft ist immer weniger bereit Gewalt hinzunehmen und ergreift Maßnahmen dagegen.»
Trotzdem bleibe das Thema oft schambehaftet. «Viele, die Gewalt erlebt haben, geben sich selbst die Schuld dafür», sagt die Psychologin. Nicht jeder Vorfall werde gemeldet. Nur etwas mehr als die Hälfte der Betroffenen hat ein Gewaltereignis der Umfrage zufolge auch ihrer Führungskraft gemeldet. 12 Prozent haben den Vorfall bei Behörden angezeigt. «Die Dunkelziffer ist wahrscheinlich um einiges höher», sagt sie.
Unternehmenskultur kann helfen
Die Unternehmenskultur spiele eine entscheidende Rolle im Umgang mit Gewalt am Arbeitsplatz – und ob Betroffene darüber sprechen. «Betriebe, die klarmachen, dass Gewalt kein „Teil des Jobs“ ist, schaffen eine Umgebung, in der sich Betroffene sicher fühlen können», erklärt Huxholl.
Ein Teil der Unternehmen ergreift der Umfrage zufolge bereits präventive Maßnahmen, wie Deeskalationstrainings, Notfallpläne oder eine betriebliche psychologische Erstbetreuung. «Sie zeigen, dass viele Betriebe und Einrichtungen sich bereits auf den Weg gemacht haben», betont DGUV-Hauptgeschäftsführer Hussy.