50-Euro-Abbuchungen, Porno-Fake-Angebote und kompromittierte Zahlungsdienste: Wie Ermittler einen Millionenbetrug vom Westerwald bis nach Nordkorea aufdecken.
Razzia gegen Fake-Abo-Betrüger – 300 Millionen Euro Schaden

Während der Razzia gegen vermutete Betrugs- und Geldwäschenetzwerke auf drei Kontinenten wurden auch 29 Objekte in Deutschland durchsucht. In Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Hessen, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Hamburg und Schleswig-Holstein waren mehr als 250 Einsatzkräfte im Einsatz, wie das Bundeskriminalamt (BKA) und andere Behörden in Wiesbaden mitteilten. 18 Haftbefehle wurden zuvor am Dienstag im In- und Ausland vollstreckt, darunter fünf in Deutschland.
Den insgesamt 44 Beschuldigten – 36 Männern und acht Frauen im Alter zwischen 32 und 74 Jahren – wird vorgeworfen, Kreditkartendaten von Geschädigten aus 193 Ländern genutzt zu haben, um mehr als 19 Millionen Fake-Abos über professionell betriebene Schein-Webseiten abzuschließen. Es soll um über vier Millionen betroffene Kreditkarteninhaber und mehr als 500 Scheinfirmen gehen.
Der Gesamtschaden, der von 2016 bis 2021 entstanden ist, wird auf über 300 Millionen Euro geschätzt. Weitere geplante kriminelle Geldflüsse in Höhe von insgesamt etwa 750 Millionen Euro konnten nicht realisiert werden, zum Beispiel aufgrund veralteter Kreditkarten.
Ursprung der Ermittlungen im rheinland-pfälzischen Westerwald
Die Zahl der Beschuldigten alleine in Deutschland nannte das BKA «aus ermittlungstaktischen Gründen» nicht. Laut der Generalstaatsanwaltschaft Koblenz lag der Ursprung der fünfjährigen internationalen Ermittlungen im rheinland-pfälzischen Montabaur im Westerwald – dort habe ein Beschuldigter seinen Wohnsitz oder eine Firma, genauer wollte sich die Behörde nicht äußern.
Auch Fake-Porno-Angebote
Die gefälschten Websites wurden laut BKA hauptsächlich für angebliche Porno-, Dating- und Streaming-Angebote genutzt, um die Kreditkarten der Opfer mit entsprechenden Gebühren zu belasten. Die monatlich abgebuchten Beträge waren absichtlich gering, zum Beispiel 50 Euro oder 50 Dollar, und mit unverständlichen Verwendungszwecken versehen. Dies sollte dazu führen, dass viele Kreditkarteninhaber die Abbuchungen übersehen, nicht eindeutig zuordnen oder als falsch erkennen.
Es wird behauptet, dass die Beschuldigten vier führende deutsche Zahlungsdienstleister gehackt haben, um Zahlungen abzuwickeln. Bei einem der Dienstleister haben sie angeblich eine speziell für Geldwäsche programmierte Software installiert.
Razzia bis nach Singapur und Zypern
Unter anderem waren das BKA und die Landeszentralstelle Cybercrime der Generalstaatsanwaltschaft Koblenz an der internationalen Razzia beteiligt. Die Beamten durchsuchten auch Objekte in Italien, Kanada, Luxemburg, den Niederlanden, Singapur, Spanien, den Vereinigten Staaten und Zypern.
Zu den 44 Beschuldigten zählen mutmaßliche Beteiligte dreier internationaler Betrugsnetzwerke, einstige Verantwortliche deutscher Zahlungsdienstleister, Vermittler, Anbieter von «Crime as a service» (Kriminalität als Service) und ein selbstständiger «Risk Manager.
Anti-Geldwäsche-Behörde erkennt auffälliges Verdachtsmuster
Die Untersuchungen wurden durch Erkenntnisse der Anti-Geldwäsche-Behörde FIU ausgelöst. Die Behörde hatte ein auffälliges Muster in zahlreichen einzelnen Verdachtsmeldungen festgestellt. Die Beschuldigten sollen die Kreditkartendaten der Opfer durch Phishing-Attacken erbeutet haben. Dabei versuchen Kriminelle, sensible Daten wie Passwörter oder Bankinformationen zu stehlen, indem sie sich beispielsweise per gefälschter E-Mail oder Webseite als vertrauenswürdige Person oder Institution ausgeben.
Die aufwendigen, bisher verdeckten Ermittlungen dauern an – unter anderem mit mehr als 90 Rechtshilfeersuchen in anderen Ländern, etwa zur Klärung dortiger Sachverhalte. Die Betrügereien wurden laut BKA bereits seit 2021 vollständig gestoppt. Die Ermittler tauften ihre Arbeit «Operation Chargeback». Damit ist eine Rückbuchung einer Kartenzahlung gemeint, weil ein Kunde bei seiner Bank die Stornierung einer Abbuchung etwa wegen Betrugs fordert.
Der Koblenzer Generalstaatsanwalt Harald Kruse sagte zum Ausmaß der Betrügereien: «Die puren Zahlen in diesem Verfahren lassen einen schwindeln.» Die Ermittlungen hätten bis zu Ländern wie Nordkorea gereicht. «Ich wusste gar nicht, dass es dort Kreditkarten gibt», sagte Kruse. Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) sprach von einem «wichtigen Schlag gegen ein internationales Geldwäschenetzwerk».








