Es ist der wohl größte Prozess um Kindesmissbrauch in Frankreich: Ein Chirurg soll sich an meist bewusstlosen Patienten vergangen haben. Vor Gericht erinnert ein Opfer sich an seine Panik.
Riesiger Missbrauchsprozess gegen Arzt gestartet – 299 Opfer
In Frankreich hat der Prozess gegen einen ehemaligen Chirurgen begonnen, der wegen Vergewaltigung und sexuellen Missbrauchs von 299 meist minderjährigen und bewusstlosen Patienten angeklagt ist. Der 74-jährige Mediziner wird beschuldigt, zwischen 1989 und 2014 insgesamt 158 männliche Patienten und 141 weibliche Patienten missbraucht zu haben. Die Staatsanwaltschaft betrachtete 15 weitere Fälle als verjährt.
Der Beschuldigte hat viele der ihm zur Last gelegten Taten zugegeben. Der Prozess in Vannes im Westen Frankreichs soll bis Juni dauern. Dem pensionierten Mediziner drohen bis zu 20 Jahre Haft.
Durchschnittsalter der Opfer betrug elf Jahre
Zum Zeitpunkt des angeblichen Missbrauchs waren viele Opfer im Operationssaal, in verschiedenen Stadien der Anästhesie, des Aufwachens, der Sedierung oder des Einschlafens, wie die Staatsanwaltschaft berichtete. Das Durchschnittsalter der Opfer betrug elf Jahre, und in 111 Fällen wird dem Arzt schwere Vergewaltigung vorgeworfen.
Die erschütternde Tragweite des Prozesses wurde gleich zum Auftakt im Gerichtssaal spürbar, als ein junger Mann an das Mikrofon trat. «Ich erinnere mich in Teilen an die Taten im Aufwachsaal und wie ich in Panik nach meinem Vater rief», sagte der Mann mit langem Bart mit klarer Stimme. Zu dem Missbrauch an ihm kam es der Anklage zufolge 1995, als kleines Kind war er damals Patient des Arztes, den Justizwärter kurz zuvor zur Anklagebank geführt hatten.
Der Arzt dokumentierte den langjährigen Missbrauch ausführlich in Tagebüchern, die bei einer Durchsuchung von den Ermittlern sichergestellt wurden, zusammen mit etwa 300.000 kinderpornografischen Bildern und Puppen. In den Tagebüchern wurde auch über sexuelle Handlungen an Puppen und Tieren berichtet.