Was folgt aus den Böller-Exzessen an Silvester? Berlins Innensenatorin plädiert für ein generelles Verbot. Die Bundesinnenministerin kann sich etwas anderes vorstellen.
Scholz: «Ein Böllerverbot finde ich irgendwie komisch»
Ein bundesweites Böllerverbot als Reaktion auf Todesfälle und Schäden in der Silvesternacht wird es vorerst nicht geben. «Die richtige Antwort sind nicht bundesweite Feuerwerks-Verbote, sondern mehr gezielte Handlungsmöglichkeiten vor Ort», sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz (beide SPD) sprach sich gegen ein Böllerverbot aus. Städte und Gemeinden in Deutschland fordern indes von Bund und Ländern als Konsequenz aus Gewalt zu Silvester mehr Grenzkontrollen und ein Waffenverbot.
Scholz sagte dem Magazin «Stern»: «Ich bin dafür, dass wir ordentliche Regeln haben für das Zeug, das da hergestellt wird. Aber ein Böllerverbot finde ich irgendwie komisch.» Faeser ergänzte: «Dabei sollte das Ziel sein: Friedliches Feiern und Feuerwerk zu ermöglichen, aber hochgefährliche Silvester-Exzesse zu verhindern.» Zum Jahreswechsel hatten vor allem sogenannte Kugelbomben schwere Schäden angerichtet. Sie sind wegen ihrer hohen Explosionskraft hierzulande nicht für den Allgemeingebrauch zugelassen.
Was steht im Sprengstoffrecht?
Das Abbrennen von Pyrotechnik ist gemäß dem Sprengstoffrecht am 31. Dezember und am 1. Januar erlaubt. An allen anderen Tagen bedarf es einer Sondergenehmigung. Die Berliner Sozialverwaltung betont, dass nur das Bundesinnenministerium Änderungen am Sprengstoffrecht vornehmen kann.
Faeser schlägt vor, den Kommunen mehr Handlungsspielräume für lokale Verbotszonen zu geben. Dafür müsse es aber eine Mehrheit unter den Ländern im Bundesrat geben, die bislang fehle. «Hinsichtlich der Gefährlichkeit gibt es große Unterschiede zwischen dicht bewohnten Städten und dem Land – und innerhalb von Städten zwischen einzelnen Brennpunkten und Stadtteilen, in denen friedlich gefeiert wird. Wenn das vor Ort stärker berücksichtigt werden kann, kann es gezieltere Maßnahmen und Kontrollen geben.»
Bremen hatte kürzlich im Bundesrat eine Gesetzesinitiative vorgestellt, um den Kommunen mehr rechtliche Möglichkeiten zur Regulierung von privatem Feuerwerk zu geben. Fünf Männer starben bei Böller-Unfällen zum Jahreswechsel. Es gab zahlreiche Verletzte und Schäden an Gebäuden und Infrastruktur.
Berlins Innensenatorin für «Pyro-Erlaubniszonen»
Berlins Innensenatorin Iris Spranger hatte für ein generelles Böllerverbot in Deutschland plädiert, sieht dabei aber in erster Linie den Bund in der Pflicht. Gleichzeitig fordert die SPD-Politikerin Änderungen im Sprengstoffrecht, die den Bundesländern erlauben, an festgelegten Orten Ausnahmen von dem Verbot zu gestatten. Sie sprach von «Pyro-Erlaubniszonen», in denen das Abbrennen von Feuerwerk gestattet ist.
Auch die Gewerkschaft der Polizei macht sich für ein bundesweites Böllerverbot und ein Verkaufsverbot für Pyrotechnik stark. Sie warnt davor, alljährlich nach Silvester und Neujahr darüber «Scheindebatten» zu führen.
Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) gab aber im WDR zu bedenken: Zur Kontrolle eines generellen Böllerverbots müsste an jeder Ecke ein Polizist stehen. «Das schaffen wir ja nicht mal im Fußballstadion.» Es sei ein bisschen zu einfach, ein Böllerverbot zu fordern. «Das Problem ist komplizierter.» Es habe sich gezeigt, dass sich die Lage in den vergangenen Jahren etwas verbessert habe, sagte Reul. «Aber wir haben immer noch Probleme, offensichtlich weil Menschen sich nicht benehmen können.»
Der stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Beamtenbundes, Volker Geyer, rief die Politik zum Handeln auf. Er sagte der «Rheinischen Post» (Samstag): «Es darf sich bei den Tätern nicht festsetzen, dass sie ungeschoren davonkommen, weil der Staat nicht handlungsfähig ist.» Man müsse die Justiz personell so ausstatten, dass sie die Täter auch zur Rechenschaft ziehe und nicht Verfahren wegen Überlastung von Gerichten eingestellt würden.
Gewalt zu Silvester – Konsequenzen gefordert
Für Kontroversen sorgten auch Vorfälle von Gewalt gegen Einsatzkräfte. Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, Helmut Dedy, sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe: «Der Staat darf nicht tolerieren, dass eine kleine gewaltbereite Minderheit mit erheblicher krimineller Energie rund um Silvester ganze Stadtteile terrorisiert.» Polizei und Rettungskräfte sollten öfter mit Bodycams zur Aufzeichnung von Übergriffen ausgestattet sein. Zudem befürwortete er mehr Grenzkontrollen rund um Silvester.
Faeser stellte klar: Gegen «Chaoten und Gewalttäter» an Silvester brauche es vor allem die notwendige Härte von Polizei und Justiz. «Deshalb war es gut, dass allein in Berlin mit 400 Festnahmen durchgegriffen wurde und jetzt Strafverfahren folgen. Trotzdem wurden Rettungskräfte und Polizisten attackiert und Menschenleben durch hochgefährliche Kugelbomben und andere verbotene Pyrotechnik gefährdet.»
Die Ministerin wies auf Vorschläge für neue Strafvorschriften hin, mit denen die gesamte Vertriebskette von illegalem Feuerwerk, von Händlern und Transporteuren bis zum Käufer, erfasst werden soll. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass der Bundestag wenige Wochen vor Neuwahlen noch viele Vorschläge der scheidenden Bundesregierung passieren lässt.