Schüsse in Vermont, eine sektenähnliche Gruppe, andere Verbrechen: Der Tod eines Beamten und einer deutschen Person bei einer Fahrzeugkontrolle entfaltet sich zu einem Fall voller bizarrer Wendungen.
Schusswechsel an US-Grenze: Spur führt zu radikaler Gruppe
Der Fall liest sich wie ein überdrehter Krimi: ein tödlicher Schusswechsel mit der US-Grenzpolizei, Tötungsverbrechen in mehreren Bundesstaaten und eine Verbindung zum baden-württembergischen Freiburg. Was zunächst wie das dramatische Ende einer Fahrzeugkontrolle aussieht, entpuppt sich als Teil einer Geschichte voller Verstrickungen und Wendungen. An deren vorläufigem Ende steht die Festnahme der mutmaßlichen Anführerin einer sektenähnlichen Gruppe: der «Zizians».
Aber in der Reihenfolge.
Beamte im Bundesstaat Vermont stoppen Ende Januar nahe der US-Grenze zu Kanada ein Fahrzeug, dessen Insassen laut Gerichtsdokumenten unter Beobachtung stehen, nachdem ein besorgter Hotelangestellter die Polizei alarmiert hat – die beiden seien verdächtig gekleidet, die Frau bewaffnet.
Die Kontrolle eskaliert: Laut Behörden eröffnet eine 21-Jährige das Feuer, woraufhin die Polizei zurückschießt. Die zweite Person im Auto, 28 Jahre alt, zieht ebenfalls eine Waffe, und ein Grenzbeamter kommt bei dem Schusswechsel ums Leben. Im Fahrzeug werden Waffen und Kampfausrüstung von den Ermittlern gefunden.
Wurzeln in Baden-Württemberg
Es wird schnell bekannt, dass die getötete Person aus Freiburg stammt. Deutsche Behörden bestätigen dies gegenüber der Deutschen Presse-Agentur, aber weitere Details bleiben vorerst aus. Zunächst ist in Berichten von einem Mann die Rede, jedoch gibt die Person laut Gerichtsdokumenten sich selbst einen weiblichen Namen.
In den folgenden Wochen setzen US-Medien – darunter der Sender NBC News und die «Washington Post» – anhand von Polizeiberichten und Gerichtsdokumenten Stück für Stück ein Puzzle zusammen, das es in sich hat. Amerikanische Behörden bringen den Vorfall nahe der Grenze mit mehreren Tötungsdelikten in verschiedenen Bundesstaaten in Verbindung. Das zentrale Bindeglied: eine sektenähnliche Gruppe namens «Zizians», deren Ursprünge Medienberichten zufolge im kalifornischen Berkeley liegen.
Radikalisierung in Berkeley
Die Organisation wurde also im Jahr 2012 in der Rationalisten-Szene an der US-Westküste gegründet, einer lockeren Gemeinschaft von Intellektuellen, die sich hauptsächlich mit Fragen zur Zukunft der Menschheit beschäftigt. Aus anfänglichen philosophischen Diskussionen über Veganismus, Transgender-Themen und Künstliche Intelligenz (KI) entsteht eine Splittergruppe mit immer radikaleren Merkmalen. Es ist unklar, inwieweit sich die Gruppe im Laufe der Jahre von den ursprünglichen Idealen dieser Szene entfernt hat.
Zum mutmaßlichen Anführer entwickelt sich eine Person namens Ziz, die immer wieder mit dem Gesetz in Konflikt gerät. Laut NBC News zeigen sich auch Bekannte von Ziz besorgt über deren radikale Ideen. 2019 wird sie bei einem Protest mit drei Anhängern vorübergehend festgenommen. Was in den folgenden Jahren geschieht, fasst NBC News so zusammen: «Dann lief alles aus dem Ruder.»
Todesanzeige in Lokalzeitung
Im September 2022 erscheint eine Todesanzeige in einer Lokalzeitung im Bundesstaat Alaska: Eine Person mit demselben Geburtsnamen wie Ziz sei im August bei einem Bootsunfall ums Leben gekommen. «Du hast Abenteuer, Freunde und Familie, Musik, Blaubeeren, Radfahren, Computerspiele und Tiere geliebt», steht dort. «Du wirst vermisst.»
Einige Monate später attackieren drei Personen im Bundesstaat Kalifornien laut übereinstimmenden Medienberichten einen Vermieter mit einem Schwert. Der ältere Mann wird dabei so schwer verletzt, dass er auf einem Auge erblindet. Dennoch verteidigt er sich in der Situation, zieht eine Waffe und erschießt eine der Angreiferinnen – eine Frau, die 2019 zusammen mit Ziz verhaftet wurde. Zwei weitere Personen werden angeklagt. Eine davon: ebenfalls eine ehemalige Mitstreiterin von Ziz.
Schüsse in Pennsylvania
An Silvester 2023 wird laut Medienberichten im Bundesstaat Pennsylvania ein Ehepaar in seinem Zuhause nahe der Stadt Philadelphia erschossen. Die Tochter gerät schnell ins Visier der Ermittler und wird später eine wichtige Rolle spielen. Die Ermittlungen führen jedoch auch zu einer Frau, die eigentlich für tot gehalten wurde.
Als die Polizei einen verdächtigen Mann in einem Hotelzimmer festnimmt, machen die Beamten eine unerwartete Entdeckung: Ziz sitzt vor ihnen. Sie wird erneut festgenommen und verbringt mehrere Monate in Haft. Doch in diesem Fall kommt es zu keiner Anklage – gegen niemanden. Ziz kommt wieder auf freien Fuß.
Mordanklage in Kalifornien
Die Monate vergehen. Dann, nur wenige Tage vor dem Vorfall nahe der Grenze, wird der Vermieter in Kalifornien getötet, der zuvor schwer verletzt worden war. Er hätte laut NBC News im April 2025 im Prozess gegen die noch inhaftierten Angreifer aussagen sollen. Ein junger Mann wird wegen Mordes angeklagt. Und hier schließt sich der Kreis: Der mutmaßliche Täter hat laut Medienberichten eine Verbindung zu der 21-Jährigen, die wenig später nahe der Grenze die Waffe zieht.
Für Ermittler und US-Medien entsteht langsam ein Gesamtbild. Ziz ist erneut im Fokus der Ermittler. Laut US-Medien fand die Geschichte am vergangenen Wochenende in Maryland ihren vorläufigen Höhepunkt. Ein Mann alarmiert die Polizei, da drei Fremde ihn um Erlaubnis baten, auf seinem Grundstück zu campen. Sie erscheinen verdächtig. Was er nicht weiß: Diese drei sind Teil einer skurrilen Abfolge von Ereignissen, die sich über mehrere Bundesstaaten erstreckt.
Festnahmen in Maryland
Die Polizei verhaftet Ziz, sowie den Mann, mit dem sie einst in einem Hotelzimmer gefunden wurde. Und schließlich die Frau, deren Eltern in Pennsylvania erschossen wurden. Ermittlern zufolge war sie an dem Kauf der Waffen beteiligt, die in der Nähe der Grenze eingesetzt wurden.
Es ist unklar, wie weit die Verstrickung der drei in die Verbrechen reicht, ob es übergeordnete ideologische Ziele gab oder es sich um eine Eskalation ohne klare Richtung handelte. All diese Fragen dürften nun Gegenstand intensiver Ermittlungen sein.