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Verdachtsfall Maul- und Klauenseuche in Brandenburg: Dramatische Folgen für Agrarbranche

Die hochansteckende Krankheit bedroht Tiere und die Wirtschaft. Exporte leiden, Umsatzeinbußen in Millionenhöhe. Handelspartner verhängen Importstopps.

Betroffen sind vor allem Schweinehalter, die ihre Produkte in großem Umfang exportieren. (Archivbild)
Foto: Marijan Murat/dpa

Ängstliches Warten auf ein Laborergebnis: Es wird voraussichtlich heute Klarheit über den weiteren Verdachtsfall der Maul- und Klauenseuche (MKS) in Brandenburg geben. Wenn sich der Verdacht bestätigt, könnte dies die kürzlich geäußerte vorsichtige Zuversicht zerstören, dass das hochansteckende Virus schnell eingedämmt werden kann. Warum die Seuche für Tiere so gefährlich ist und welche Folgen der Agrarbranche nun drohen:

Was ist die Maul- und Klauenseuche? 

Die Krankheit wird durch ein Virus verursacht. Besonders ansteckend sind Klauentiere wie Rinder und Schweine, Schafe und Ziegen. Die betroffenen Tiere leiden unter hohem Fieber, starken Schmerzen und Lahmheit, zudem bilden sich an Zunge und Lippen, Klauen und Zitzen viele Bläschen.

Von der Infektion bis zu den ersten Symptomen vergehen nur zwei bis sieben Tage, daher kann sich die Krankheit schnell verbreiten. Tödlich verläuft sie nur selten, aber die Sterblichkeitsrate bei Jungtieren ist höher. Genesene Tiere bleiben oft geschwächt. Kühe produzieren oft kaum noch Milch. Zudem können infizierte Tiere das Virus noch lange ausscheiden.

Wie verbreitet sich die Seuche?

Das Virus kann monate- oder sogar jahrelang infektiös bleiben, selbst wenn es im Boden oder getrocknet ist. Es kann direkt von Tier zu Tier übertragen werden, beispielsweise über die Atemluft, aber es kann sich auch über Fahrzeugräder oder an Schuhsohlen und Kleidung verbreiten. In Deutschland wurde das Virus zuletzt vor mehr als 35 Jahren vor dem aktuellen Fall nachgewiesen. Auch in der restlichen EU gab es seit Jahren keinen bestätigten Fall.

Ist die Seuche für den Menschen gefährlich?

Das Virus birgt kein Risiko für die öffentliche Gesundheit. Normalerweise ist eine Ansteckung von Menschen nicht möglich. Fleisch und Milch können ohne Bedenken konsumiert werden. Experten zufolge gab es vereinzelt Fälle, in denen sich Menschen infizierten, die engen Kontakt zu erkrankten Tieren hatten. Dennoch verliefen diese Infektionen meist harmlos mit milden Symptomen.

Häufig wird die Maul- und Klauenseuche mit der Hand-Fuß-Mund-Krankheit verwechselt. Beide werden durch Viren verursacht, aber unterschiedliche. Die Symptome wie Bläschen an den Schleimhäuten sind ähnlich – jedoch haben die Krankheiten nichts miteinander zu tun.

Gibt es einen Impfstoff gegen die Maul- und Klauenseuche?

Impfstoffe könnten anhand einer Impfstoffdatenbank in kurzer Zeit hergestellt werden. Solch eine Notimpfung hätte aber starke Handelsrestriktionen zur Folge, erklärte die Leiterin des Instituts für Epidemiologie am Friedrich-Loeffler-Institut, Carola Sauter-Louis. «Viele Drittländer wollen kein Risiko eingehen und wollen keine Importe aus Ländern, die impfen.»

Was ist die Ursache für den Ausbruch?

Es ist noch nicht bekannt. Etwa zwölf Kilometer trennen die beiden betroffenen Höfe. Möglicherweise handelt es sich um Wildtiere wie Wildschweine, die das Virus von einem Ort zum anderen übertragen haben könnten. Allerdings handelt es sich bisher nur um Spekulationen, es gibt keinen Nachweis dafür.

Oftmals gelangen infizierte Tiere, kontaminierte Transportfahrzeuge oder Ausrüstung sowie mit dem Virus belastetes Futter oder Wasser in die Herde. Das Virus ist in einigen Regionen der Welt weit verbreitet, darunter auch in verschiedenen Teilen Asiens. Der Virustyp, der zuerst in Brandenburg aufgetaucht ist, stammt ebenfalls von dort.

Welche Folgen hat das Virus für die Landwirte? 

Die Auswirkungen auf die betroffenen Landwirte sowie auf die gesamte Agrarbranche sind katastrophal. Alle Tiere eines betroffenen Hofes werden euthanasiert. In diesem Fall wurden sogar auf einem Betrieb in Schöneiche (Landkreis Oder-Spree) Ziegen, Schafe und Rinder präventiv getötet, da der Hof Heu vom betroffenen Ursprungsbetrieb in Hönow bezogen hatte.

Der Deutsche Raiffeisenverband hat erstmals eine konkrete Schätzung zu den wirtschaftlichen Schäden abgegeben, die bisher insgesamt für die Agrarbranche infolge des Ausbruchs entstanden sind. «Entlang der Wertschöpfungskette gehen wir Stand heute bereits jetzt schon von einem Umsatz-Verlust in Höhe von einer Milliarde Euro aus», sagte der Hauptgeschäftsführer des Verbands, Jörg Migende. Der Verband der Fleischwirtschaft war bisher von Schäden im mittleren dreistelligen Millionenbereich ausgegangen.

Wie kommen diese Schadenssummen zustande? 

Das Hauptproblem liegt vor allem im Export. Innerhalb der EU, wo die wichtigsten Abnehmer sitzen, kann der Handel mit tierischen Produkten aus Deutschland weitergehen. Hier gilt das Regionalisierungsprinzip. Das bedeutet, deutsche Produkte, die nicht aus den betroffenen Gebieten stammen, können in andere Mitgliedstaaten exportiert werden. Zu den großen Handelspartnern außerhalb der EU zählen Großbritannien, Südkorea und Vietnam. Sie haben bereits Importstopps für viele Produkte aus ganz Deutschland verhängt. Bauernpräsident Joachim Rukwied befürchtet, dass diese selbst bei rascher Eindämmung noch monatelang aufrechterhalten bleiben.

Der neue EU-Agrarkommissar Christophe Hansen nannte es problematisch, dass einige Staaten außerhalb der EU schon Importstopps für Fleisch aus ganz Deutschland verhängt haben. Es gelte nun, mit diesen Staaten in den Dialog zu gehen. Denn die Beschränkungen in Deutschland beträfen nur die Region in der Schutzzone, aber nicht die anderen Bundesländer. Der Kommissar wies zudem darauf hin, dass gemästete Tiere auch irgendwann geschlachtet werden müssten, sonst entstünde ein Problem an Schlachthöfen.

Welche Produkte sind besonders betroffen? 

Besonders vom Export abhängig sind Schweinehalter. Noch Anfang dieser Woche sprach die Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN) von überschaubaren Auswirkungen der Tierseuche auf den deutschen Schweinemarkt. Aber diese Einschätzung habe sich inzwischen geändert, sagte ein ISN-Sprecher. «Das Geschehen ist hochdynamisch.» Allerdings gehen 80 Prozent der Exporte in EU-Länder, wo Restriktionen noch geringer ausfallen.

Laut Albert Hortmann-Scholten, dem Marktexperten der Landwirtschaftskammer Niedersachsen, hat der Ausbruch der Seuche bisher kaum Auswirkungen auf den Rindfleischmarkt. Im Gegensatz zum Schweinefleischmarkt ist dieser Sektor nicht so stark vom Export abhängig. Allerdings besteht derzeit ein Importverbot für Kälber aus den Niederlanden.

Auch der Molkereiproduktmarkt hat bereits die Folgen des MKS-Ausbruchs zu spüren bekommen. Länder außerhalb der EU haben ein Importverbot für Milchprodukte verhängt, sagt Hortmann-Scholten. Deutschland ist nach den USA der zweitgrößte Käseproduzent der Welt.

Werden Butter und Milch jetzt billiger?

Branchenexperten können sich vorstellen, dass einige Produkte im Supermarkt wie Butter und Milch wegen der Seuche für Verbraucher etwas günstiger werden könnten, allerdings erst mit ein paar Wochen Verzögerung. «Weil nicht die komplette Ware wie vorher abverkauft werden kann, kommt es zu einem Überangebot», sagt der Agrarmarktexperte des Thünen-Instituts, Josef Efken. Dadurch würden bei Landwirten die Preise für Milch und Schlachtschweine sinken.

dpa