Kriminelle nutzen intime Aufnahmen als Druckmittel, um Geld zu erpressen. Opfer sollten keine Zahlungen leisten und Anzeige erstatten.
Erpressung mit Nacktbildern: Anstieg der Fälle erwartet
Erpressungen mit Nacktbildern bleiben in Deutschland weiterhin ein Problem. Im vergangenen Jahr wurden mehr als 2.000 Fälle im Inland registriert – und auch für 2024 erwarten die Ermittler zahlreiche solcher Delikte, wie eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur bei den Landeskriminalämtern ergab. In einigen Bundesländern stieg sogar die Anzahl der Fälle von Taten aus dem Ausland.
“Sextortion” ist ein Begriff aus dem Englischen und bezeichnet eine Form der Erpressung, bei der Kriminelle intime Aufnahmen als Druckmittel verwenden, um Geld von ihren Opfern zu erpressen. Diese betrügerische Methode wird hauptsächlich auf Social-Media-Plattformen oder Dating-Portalen angewendet. Die Täter kontaktieren ihre Opfer und zwingen sie in Videoanrufen dazu, sich auszuziehen, sexuelle Handlungen vorzunehmen oder intime Fotos zu senden.
«Häufig schicken Täter zuerst selbst gefälschte Nacktbilder, um ein gewisses Vertrauen aufzubauen», sagte Rebecca Michl-Krauß, Referentin für Medienkompetenz der EU-Initiative klicksafe. Anschließend drohen sie mit der Veröffentlichung der Aufnahmen und fordern Geld.
«Ein scheinbar harmloser Flirt endet mit hohen Geldforderungen», erklärte das Landeskriminalamt (LKA) Hessen. Dort stieg die Zahl der registrierten Fälle von einem niedrigen dreistelligen Bereich im vergangenen Jahr auf einen mittleren dreistelligen Bereich bis Anfang Dezember 2024.
Sind Männer ein leichteres Ziel?
Trotz der Tatsache, dass hauptsächlich Frauen Opfer sexualisierter Gewalt sind, ergibt sich bei Sextortion ein anderes Bild: Untersuchungen und Informationen der Landeskriminalämter deuten darauf hin, dass Männer häufiger betroffen sind.
Mögliche Gründe sieht Michl-Krauß in einem geringeren Misstrauen und einer höheren Bereitschaft von Männern, intime Bilder zu teilen. Außerdem wisse man, dass Männer «häufiger ungefragt Dickpics (Penisbilder) verschicken, was darauf hindeutet, dass sie unüberlegter bei dem Thema sein könnten», erklärte sie.
Warum Menschen überhaupt auf die Masche hereinfielen, könne man durch den Umgang mit Sexualität und die Freizügigkeit auf Social Media erklären, sagte Michl-Krauß. «”Sexy” Inhalte sind allgegenwärtig, sei es durch Influencer, Pornos oder private Nutzer.» Gerade junge Menschen fühlten sich oft unter Druck gesetzt, weil sie glaubten, das Teilen intimer Inhalte gehöre «einfach dazu». Denn auch Minderjährige sind von Sextortion betroffen.
In vielen Fällen kennen die Opfer die Täter bereits, weil sie etwa Ex-Partner sind, die intime Aufnahmen als Druckmittel einsetzen. «Während es Fremden meist ums Geld geht, wollen Täter in Beziehungen emotionale Kontrolle ausüben, weitere Aufnahmen erzwingen oder sie handeln aus Rache», sagte Michl-Krauß. Auch in freundschaftlichen Beziehungen könne es aufgrund von Eifersucht zu Fällen von Sextortion kommen, hieß es aus Sachsen-Anhalt.
Es ist unklar, wie viele Menschen tatsächlich Opfer von Sextortion werden. Obwohl die polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) Fälle von Erpressung auf sexueller Grundlage erfasst, macht Sextortion nur einen Teil dieser Delikte aus, wie es das LKA Hessen erklärt hat.
Viele Opfer zögern aus Scham oder Furcht vor möglichen Folgen, zur Polizei zu gehen. Die Landeskriminalämter gehen daher von einer hohen Dunkelziffer aus. Oftmals zahlen Betroffene lieber den geforderten Betrag, um eine drohende Bloßstellung zu vermeiden, erklärte das LKA Niedersachsen. Minderjährige haben zudem Angst vor Bestrafung oder Misstrauen, so das LKA Rheinland-Pfalz.
Hinter den Sextortion-Fällen, bei denen ausschließlich Geld im Internet erpresst wird, stehen in der Regel organisierte Banden aus dem Ausland. Die polizeiliche Kriminalstatistik erfasst jedoch nur Straftaten mit Tatort in Deutschland. Auslandstaten werden separat gezählt, es sei denn, es gibt klare Hinweise auf eine Tat im Inland – was bei Internetdelikten nur schwer feststellbar ist.
Polizei rät: Kein Geld überweisen
So gingen in manchen Bundesländern die inländischen Fallzahlen zurück. Das LKA Baden-Württemberg erklärte den Rückgang mit verbesserten Datenprüfungen. Zuvor seien viele Taten fälschlicherweise dem Inland zugeordnet worden. Die Zahl der Auslandsdelikte sei hingegen um «ein Vielfaches höher» und steige stark an. Auch in Nordrhein-Westfalen wurde ein Anstieg der bekanntgewordenen Auslandsfälle beobachtet.
Die Polizei empfiehlt grundsätzlich, keine Nacktbilder zu versenden und keine Freundschaftsanfragen von Fremden anzunehmen. Außerdem sollte man nicht sofort einem Videochat zustimmen. Im Falle einer Erpressung sollten Opfer kein Geld überweisen, da die Forderungen nach der ersten Zahlung oft nicht enden. Stattdessen sollte man den Chatverlauf sichern und Anzeige erstatten.