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Smartphone-Debatte an Schulen spitzt sich zu

Expertenkommission zur Kinder- und Jugendschutz im Netz wird vorgestellt, während unterschiedliche Meinungen zur Handynutzung an Schulen diskutiert werden.

Die Regeln sind unterschiedlich: Manche Schulen haben Handys komplett verbannt, andere sind weniger streng. Ob es flächendeckende Regeln gibt, entscheiden die Bundesländer selbst. (Symbolbild)
Foto: Marijan Murat/dpa

Es ist das im Moment am heißesten diskutierte Thema in der Bildungspolitik: Haben Smartphones an Schulen etwas zu suchen oder nicht? Zuletzt wurde darüber in Sachsen sogar bei einem «Handygipfel» im Beisein von Bundesbildungsministerin Karin Prien beraten.

Die CDU-Politikerin präsentiert an diesem Donnerstag in Berlin eine Expertenkommission, die sich ausführlich mit dem Schutz von Kindern und Jugendlichen im Internet beschäftigen soll. Dies betrifft zumindest auch das Thema Schule.

Die Regelung der Handynutzung an Schulen ist Sache der Bundesländer, weshalb sie selbst über die Frage entscheiden. Einige haben strenge Regeln und Verbote erlassen, während andere auf die Eigenverantwortung der Schulen vertrauen. Grundsätzlich gibt es die meisten Befürworter dafür, zumindest Handys aus Grundschulen zu verbannen. In der gesamten Debatte werden kontinuierlich verschiedene Pro- und Contra-Argumente genannt:

Argumente gegen ein Verbot

  • Smartphones sind sinnvolle Hilfsmittel beim Lernen (Recherche, Lern-Apps oder Vokabeltrainer). Sie können Unterricht bereichern und aktive Mitarbeit fördern durch multimediales Arbeiten mit Videos, Tönen, Animationen, eigenen Kameraaufnahmen oder Interaktion mit dem Smartboard, etwa durch Live-Umfragen in der Klasse, gemeinsamen Zugriff auf Grafiken, Entwürfe oder andere Projekte («kollaboratives Klassenzimmer»).
  • Die Schule muss einen verantwortungsvollen und kritischen Umgang mit digitalen Geräten und Inhalten im Netz und mit KI vermitteln, so dass Schüler auf die digitale Welt vorbereitet werden, in der sie diese Kompetenzen brauchen werden.
  • Smartphones sorgen für Sicherheit: Eltern oder Retter sind im Notfall erreichbar, es gibt Notfall-Apps mit Standortfunktion. Bei Mobbing, Gewalt oder Unfällen können Handys als Beweismittel dienen.
  • Einschränkungen an der Schule reduzieren nicht automatisch die Bildschirmzeit. Versäumtes (Chats, Timeline) wird später nachgeholt und erhöht nur die Bildschirmzeit nach der Schule.

Argumente für ein Verbot

  • Smartphones lenken ab, stören den Unterricht, verringern Konzentration, Aufmerksamkeit und Lernleistung und können zu Betrug verleiten. KI lässt Lerngrenzen verschwimmen: Es wird unklar, was sich Schüler selbst erarbeiten und was von ChatGPT stammt.
  • Handys in der Schule erhöhen die Gefahr von Cybermobbing durch Mitschüler oder von digitalen Mutproben, steigern den Druck, ständig erreichbar zu sein und fördern das soziale Vergleichen auf den verschiedenen Plattformen.
  • Gruppenzwang: Wer kein Smartphone hat, steht schlecht da. Das setzt auch Eltern unter Druck.
  • Schule sollte Kinder und Jugendliche vor übermäßigem Medienkonsum und Suchtverhalten schützen, deshalb sollte wenigstens dieser Bereich Handy-frei sein.
  • Ist das Smartphone in der Hand, kommen Bewegung, Gespräche und (analoges) Spielen zu kurz.

Die Debatte über die Verwendung von Smartphones in der Schule betrifft eine Vielzahl von Themen, darunter Kinder- und Jugendschutz, Unterrichtsgestaltung, soziale Interaktion, Medienkompetenz und Gesundheit.

Was Wissenschaftler und Experten sagen

Die Leopoldina, die nationale Akademie der Wissenschaften, hat in einem im August veröffentlichten Papier empfohlen, die Verwendung von Smartphones in Schulen bis zur 10. Klasse zu verbieten. Die Wissenschaftler befürworten allgemein einen vorsichtigen Ansatz (Vorsorgeprinzip), solange die Frage, ob es eine ursächliche Beziehung zwischen der Nutzung sozialer Medien und der psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen gibt, noch nicht wirklich geklärt ist.

Kein Smartphone unter 9

Die Kinder- und Jugendmedizin, die Suchtforschung, die Psychologie und die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung haben in einer gemeinsamen Leitlinie empfohlen, dass Kinder frühestens ab 9 oder besser frühestens ab 12 Jahren ein eigenes Smartphone erhalten sollten und dann auch nur mit eingeschränktem Internetzugang. Jugendliche im Alter von 12 bis 16 Jahren sollten demnach maximal 1-2 Stunden Bildschirmzeit pro Tag haben, ebenfalls mit beschränktem Internetzugang. Dies unterstützt diejenigen, die sich für ein Verbot von Handys zumindest an Grundschulen und für altersabhängige Regelungen aussprechen.

Studie: Verbot verbessert Wohlbefinden

Klaus Zierer und Tobias Böttger vom Lehrstuhl für Schulpädagogik an der Universität Augsburg haben in einer im letzten Jahr veröffentlichten Studie festgestellt, dass Verbote in Schulen einen nachweisbaren Einfluss auf das soziale Wohlbefinden der Schülerinnen und Schüler haben. Untersuchungen aus Norwegen, Spanien, Tschechien, England und Schweden wurden dafür analysiert. „Smartphones trugen dazu bei, das soziale Klima in Schulen zu verschlechtern, da sie zwischenmenschliche Konflikte anheizten“, sagte Böttger.

Ablenkung, auch wenn das Handy nur auf dem Tisch liegt

Schulen, die eine «Das Handy bleibt in der Tasche»-Politik verfolgen, dürften sich durch eine Studie der Universität Paderborn von 2023 bestätigt fühlen. Demnach lenken Smartphones auch ab, wenn sie nur ausgeschaltet auf dem Tisch liegen. Zudem gebe es einen negativen Einfluss auf die Arbeitsgeschwindigkeit und die kognitive Leistungsfähigkeit.

Mittelweg finden

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) empfiehlt einen verantwortungsbewussten Umgang mit digitalen Geräten wie Mobiltelefonen im Unterricht. Der Bildungsdirektor der OECD, Andreas Schleicher, hat zu Beginn des Jahres betont, dass ein angemessener Einsatz das individuelle Lernen verbessern und interessanter sowie effektiver gestalten kann. Es ist jedoch wichtig sicherzustellen, dass die Technologie als bereicherndes Werkzeug genutzt wird und nicht zur Ablenkung führt.

Matthias Begenat vom Center for Advanced Internet Studies in Bochum machte in einer Anhörung zum Einfluss von Medien auf die Gesundheit von Kindern im nordrhein-westfälischen Landtag auch auf positive Effekte von Gaming und Social Media aufmerksam. Er nannte eine «potenzielle Stärkung des logischen Denkvermögens, die Fähigkeit zur Problemlösung oder auch die Entwicklung von sozialen Kompetenzen wie Teamwork und Empathie».

dpa