Sport und Politik verschärfen Vorgehen gegen Gewalttäter. Fans vor kollektiven Maßnahmen vorerst verschont.
Einigung bei Fußball-Sicherheitskonferenz in München
Bernd Neuendorf und Hans-Joachim Watzke hörten mit düsteren Gesichtern die einführenden und kritischen Worte von Bayerns Innenminister Joachim Herrmann. Nach einer dreistündigen, teilweise kontroversen Debatte schienen die Spitzenvertreter von DFB und DFL dann weniger angespannt zu sein – und nicht unzufrieden. Bei einer Fußball-Sicherheitskonferenz in München haben Sport und Politik sich darauf geeinigt, härter gegen einzelne Gewalttäter vorzugehen. Fans bleiben vorerst von kollektiven Maßnahmen verschont, entgegen großer Befürchtungen im Vorfeld.
Zentrale Kommission für Stadionverbote
Eine zentrale Kommission wird in Zukunft für die Verhängung und Überwachung von Stadionverboten zuständig sein. Dies ist das entscheidende Ergebnis der Diskussionen am Flughafen München. Die Stelle wird bei der Deutschen Fußball Liga angesiedelt sein. Die Zusammensetzung, Arbeitsweisen und weitere Details müssen noch ausgearbeitet werden, wurde berichtet.
«In Zukunft wird es nicht mehr den einzelnen Vereinen überlassen, ob ein Verfahren eingeleitet wird und ob sie es für notwendig halten, ein bundesweites Stadionverbot zu erlassen», sagte Herrmann (CSU), der als Vorsitzender der Sportministerkonferenz zu dem Treffen geladen hatte. Einer der Kritikpunkte der Politik an den Clubs der ersten drei Ligen war, dass diese nicht konsequent gegen Krawallmacher vorgehen – oder sogar kuschen.
«Das war ein echter Durchbruch», resümierte der sächsische Innenminister Armin Schuster (CDU) und kündigte an, künftig regelmäßiger mit Vertretern des Fußballs im Austausch zu bleiben. «Ich gehe mit einem äußerst positiven Gefühl aus München weg.»
Neuendorf: Fans in Kommission integrieren
Das Spitzentreffen war im Vorfeld teils sehr kritisch gesehen worden. Vereine und Fan-Vertreter warfen der Politik Populismus vor. Laut DFL gaben in einer repräsentativen Fan-Studie 96 Prozent der Stadionbesucher an, sich während eines Spieltags sicher zu fühlen. «Der Fußball insgesamt hat kein Gewaltproblem», sagte dann sogar Innenminister Herrmann.
Mit einem überspitzten Kommentar versuchte DFB-Chef Neuendorf auf teils harsche Formulierungen aus der Politik im Vorfeld zu reagieren. «Nein, die Kernschmelze ist noch nicht eingetreten und wird nicht eintreten.» Er räumte aber ein: «Jeder Fall ist einer zu viel.» Er will Fans künftig in die Arbeit der neuen Kommission einbinden. «Wir müssen Betroffene zu Beteiligten machen», sagte Neuendorf.
Gemäß der Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS) haben in der Saison 2022/23 fast 26,5 Millionen Menschen die Spiele der Bundesliga, der 2. Liga, der 3. Liga, des DFB-Pokals und in UEFA-Clubwettbewerben besucht. Dabei wurden 1.176 Verletzte registriert, davon waren 220 Polizistinnen und Polizisten. Eine Bilanz der aktuellen Saison 2023/24 liegt noch nicht vor.
Keine Kollektivstrafen und Pyrotechnik weiter verboten
Die Vertreter des Fußballs konnten eine Forderung der Politik abwehren, die Kollektivstrafen wie Geisterspiele oder teilweise Sperrungen von Tribünen vorschlug, um gewaltbereite oder Krawall suchende Fans abzuschrecken. Laut Herrmann wurde dies nur kurz erwähnt, aber nicht weiter vertieft. In anderen europäischen Ländern wie Italien werden immer wieder Tribünenteile – vor allem von Auswärtsfans – gesperrt. Trotzdem ist kein deutlicher Rückgang von Ausschreitungen zu beobachten.
Völlig einig sind sich Sport und Politik darin, dass der Einsatz von Pyrotechnik verboten bleibt. «Es ist einfach gefährlich», sagte DFL-Aufsichtsratschef Watzke. Die Vereine seien die Veranstalter von Spielen «und demzufolge können wir das auch nicht erlauben. Das ist völlig klar und das hat auch mit dem eigentlichen Fußballspiel sehr wenig zu tun.»
Fans halten Neuerung für nicht zielführend
Von Fan-Vereinigung kam sofort Kritik an den Ergebnissen des Treffens. «Die heute angekündigte Bildung einer zentralen Kommission für die Bearbeitung von Stadionverboten bedeutet eine deutliche Verschärfung und mehr Repression gegen Fußballfans», sagte Linda Röttig, Vorstand im Dachverband der Fanhilfen. «Stadionverbote werden schon heute großteils völlig willkürlich und ohne abgeschlossene Gerichtsverfahren ausgesprochen. DFB und DFL sind viel zu weit weg, um Vorfälle individuell beurteilen zu können. Wenn dieses Vorgehen nun sogar noch verschärft wird, widerspricht dies massiv rechtsstaatlichen Grundsätzen. Gegen dieses Vorgehen werden sich Fans entschieden wehren.»
Auch die Fan-Organisation «Unsere Kurve» hält die Neuerung für nicht zielführend. «Lokale Stadionverbotskommissionen haben sich über mehr als zehn Jahre bewährt», hieß es. Darüber hinaus bliebe ein Festhalten am Verbot von Pyrotechnik wirkungslos. «Es ist nun genau das eingetreten, was von Fanseite prognostiziert wurde – populistische Forderungen werden rausposaunt, aber Sachkenntnis ist nirgends zu erkennen. Das passiert, wenn man nicht miteinander, sondern nur übereinander spricht», sagte der Sprecher von «Unsere Kurve», Thomas Kessen.