Wie entlädt sich das Wasser des aufgestauten Flüsschens Lonza? Das Flussbett ist blockiert, der entstandene Stausee droht überzulaufen.
Talbewohner bangen nach Gletscherabbruch wegen Wassermassen

Nach einer angespannten Nacht sind alle Augen im Katastrophengebiet des Gletscherabbruchs in der Schweiz auf den entstandenen Stausee hinter dem Schuttkegel gerichtet. Es ist klar, dass das Wasser seinen Weg ins Tal finden muss, aber ob dies geordnet oder chaotisch geschieht, bleibt ungewiss.
Seit dem Jahrhundert-Ereignis am Mittwoch haben gewaltige Fels-, Eis- und Geröllmassen das Flussbett der Lonza blockiert. Ein See hat sich gebildet, da das Wasser gestaut wurde. Der Wasserstand stieg zeitweise um drei Meter pro Stunde. Die Bewohner des Tals, die Katastrophenhelfer und die herbeigerufenen Armeeangehörigen konnten jedoch nur untätig zusehen, wie sich die Situation verschärfte. Das Ausfräsen von Rinnen für einen geordneten Wasserabfluss in den Schutthaufen mit schwerem Gerät ist keine Option.
Kein Eingreifen möglich
«Unternehmen können wir leider wenig, weil die Sicherheitslage vor Ort es nicht zulässt, dass wir mit schweren Maschinen eingreifen können», sagte Christian Studer von der Dienststelle Naturgefahren des Kantons Wallis im Schweizer Fernsehen. Es gebe mehrere Gefahrenquellen: Der Schuttberg ist instabil, weil er aus Felsbrocken, losem Schutt und Gletschereis besteht, das schon teils geschmolzen sein dürfte. Weder Menschen noch Maschinen wären darauf sicher.
Von beiden Seiten des Tals drohen weitere Rutschungen: Am Kleinen Nebelhorn können immer noch mehrere hunderttausend Kubikmeter Gestein abstürzen. Zudem wurden bei dem Gletscherabbruch Geröll und Schuttmassen über den Talboden hinweg und auf der gegenüberliegenden Hangseite hochgeschoben. Auch sie könnten als Gerölllawine wieder abrutschen.
Staubecken vorsichtshalber geleert
Die Behörden können sich zurzeit nur mit der Gefahrenbeurteilung und organisatorischen Maßnahmen befassen, sagte Studer. «Wir können sicherstellen, dass sich möglichst keine Personen in einem gefährdeten Gebiet aufhalten.» Zudem wurde ein weiter unten bei Ferden an der Lonza gelegener Stausee vorsichtshalber geleert, um als Auffangbecken zu dienen.
Studer spricht aber auch das Schreckensszenario an, das zwar unwahrscheinlich, aber möglich ist: «Das „worst case“-Szenario ist, dass plötzlich entgegen den aktuell als eher realistisch eingeschätzten Szenarien viel mehr Wasser und Geschiebe kommt, das das Staubecken Ferden nicht mehr zu schlucken vermag», sagte er. Einzelne Häuser entlang des Flussbettes wurden geräumt.