Millionen Menschen weltweit entdecken die alte Backtradition. Influencer und Szene-Cafés setzen auf die beliebte Handwerkskunst.
Der Sauerteig-Trend: Von der Nische ins Rampenlicht
Taylor Swift und Herzogin Meghan zeigen, wie es geht: Sauerteig hat es aus der Nische ins Rampenlicht geschafft. Millionen Menschen weltweit widmen sich der alten Backtradition. Auf Instagram und Tiktok findet man unter den passenden Hashtags Millionen Beiträge. Doch auch in der realen Welt ist Omas Klassiker ein Verkaufsschlager.
Szene-Cafés und Backstuben folgen bereits seit geraumer Zeit diesem Trend. In Stuttgart beispielsweise wird in der Brotique Sauerteig in verschiedenen Varianten angeboten: als Brioche, Weizen- und Dinkelsauerteigbrot oder in Form von Zimtschnecken.
Sophie Henne hat das Handwerk als Inhaberin und Bäckermeisterin in München und Berlin erlernt. Gemeinsam mit ihrem Mann Julius hat sie in Stuttgart die erste Sauerteig-Bäckerei der Stadt eröffnet.
«Mann muss den Ansatz füttern wie ein Tamagotchi»
«Sauerteig ist eine Art wilde Hefe mit Milchsäurebakterien, man muss ihn mit Mehl und Wasser immer wieder anfrischen», sagt die 34-Jährige. Bis der Ansatz brauchbar sei, dauere es fünf bis sieben Tage. «Mann muss den Ansatz immer wieder mit Wasser und Mehl füttern – wie ein Tamagotchi.» Viele behandeln den Ansatz auch wie ein Haustier und geben ihm einen Namen. In der Brotique heiße er Jeff, sagt Henne. Das Verfahren sei eine Art der Fermentation und daher etwas aufwendig. Aber es lohne sich. Das Brot schmecke damit ganz anders.
«Bei Sauerteig sorgt die lange Stehzeit des Teiges dafür, dass sich die Aromen stärker entfalten als bei normalem Brotteig, der mit konventioneller Hefe gelockert wird», sagt Henne. Weil er leichter verdaulich sei, eignet er sich auch für Menschen mit empfindlichem Magen oder Verdauungsproblemen. «Praktisch ist auch, dass Sauerteigbrot lange frisch bleibt.» Dank der Säure sei es kaum anfällig für Schimmel.
Der Teig müsse nach der Herstellung 24 bis 44 Stunden ruhen. Und das in mehreren Etappen und bei unterschiedlichen Temperaturen. Der Weizensauerteig zum Beispiel werde vor seiner 24-stündigen Ruhephase alle 30 Minuten händisch gefaltet. «Damit er die typischen Poren bekommt.»
Sauerteig als Teil der deutschen Brotkultur
Das Sauerteigbrot steht laut dem Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks für die Deutsche Brotkultur, «die nicht ohne Grund auf der UNESCO-Liste des immateriellen Kulturerbes steht». «Wer als Laie mit Sauerteigbroten experimentiert, weiß, wie aufwendig und empfindlich der Herstellungsprozess ist», erklärte eine Sprecherin. Als Sauerteig-Erfinder gelten die alten Ägypter.
Der Verband freut sich über die neue Aufmerksamkeit für die alte Handwerkskunst. Sauerteigbrot brauche Zeit, Erfahrung und Sorgfalt, genau wie handwerklich hergestelltes Brot im Allgemeinen. «Wenn Influencer diese Werte transportieren, können sie ein tieferes Verständnis für gutes Brot vermitteln – und genau davon profitiert das Bäckerhandwerk.»
Während der Corona-Zeit sei Sauerteig zum Trend geworden, sagt die Bäckerin aus Stuttgart. «Da haben die Leute verstanden, was das ist.» Mittlerweile habe sich Sauerteig etabliert. «Aber es ist schön, wenn berühmte Leute davon sprechen. Das hilft der Bekanntheit.» Auch der Tradwife-Trend auf Tiktok und anderen sozialen Netzwerken befeuere den Hype.