Die meisten Femizide in Deutschland passieren laut einer Studie in Beziehungen. Auslöser ist häufig Eifersucht und Sexismus. Was die Forschenden dazu sagen.
Femizide: Besitzdenken und Eifersucht als Hauptmotive

Die Täter stammen aus verschiedenen Milieus, der tödlichen Gewalttat gehen oft Angriffe und Besitzansprüche voraus: Trennung oder Eifersucht innerhalb von (Ex-)Partnerschaften sind laut einer Studie der häufigste Auslöser von Femiziden, also tödlicher Gewalt gegen Frauen, aufgrund ihres Geschlechts.
Eine Studie, die vom Institut für Kriminologie der Universität Tübingen und dem Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen präsentiert wurde, gelangt zu diesem Ergebnis.
Welche Kriminalfälle wurden unter die Lupe genommen?
Die Forscher haben 292 Fälle von Vernehmungsprotokollen, Sachverständigengutachten, Anklageschriften und Urteilen untersucht, die im Jahr 2017 in fünf Bundesländern in die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) als versuchte oder vollendete Tötungen von Frauen aufgenommen wurden.
In die Untersuchung wurden Baden-Württemberg, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Sachsen und Teile Nordrhein-Westfalens einbezogen, auf die ein Drittel der bundesweit polizeilich registrierten Tötungsdelikte an Frauen in diesem Jahr entfiel. Von den 292 analysierten Fällen wurden 197 gerichtlich als versuchte oder vollendete Tötungsdelikte an Frauen eingestuft.
«Wir haben das Jahr 2017 ausgewählt, um sicherzustellen, dass die Strafverfahren zu Beginn der Auswertung im Jahr 2022 tatsächlich abgeschlossen waren», sagt Jörg Kinzig, Direktor des Instituts für Kriminologie der Universität Tübingen und einer der Leiter der Studie.
Zwei Kategorien von Femiziden
Die Forscher haben einen zweistufigen Begriff für Femizid entwickelt. Der breite Femizidbegriff umfasst Tötungsdelikte in Täter-Opfer-Beziehungen, in denen Frauen überproportional betroffen sind oder – und das fällt oft zusammen – die besonders stark durch Geschlechterrollen geprägt sind. Dazu gehören auch Tötungen von Müttern oder Großmüttern durch ihre meist schon erwachsenen Kinder oder Enkelkinder.
Die Forschenden suchten im engen Femizidbegriff nach einer spezifischen sexistischen Motivation des Täters. Dies umfasst Fälle, in denen die Frau bestraft werden sollte, weil sie aus Sicht des Täters gegen Geschlechterrollen verstoßen hat.
Tötung der (Ex-)Partnerin häufigster Fall des Femizids
Laut den Forschern sind zwei Drittel (133) der 197 Tötungsdelikte an Frauen Femizide im weiteren Sinn. In 74 von diesen 133 Fällen wurde ein sexistisches Motiv des Täters festgestellt – daher werden sie aus Sicht der Forscher als Femizide im engeren Sinn betrachtet. Etwa die Hälfte der 292 untersuchten Fälle wurde somit als Femizide im weiteren Sinn und ungefähr ein Viertel als Femizide im engeren Sinn eingestuft.
Laut der Studie ist der Partnerinnenfemizid die am häufigsten vorkommende Art des Femizids – 108 der 133 Femizide (81 Prozent) ereigneten sich in heterosexuellen Beziehungen. In den meisten Fällen (72 Prozent der 108 Partnerinnenfemizide) war der Grund für die Tat eine tatsächliche oder vermutete Trennung oder Untreue der Frau.
Taten finden in allen Gesellschaftsschichten statt
«Es ging daher meist um Besitzdenken oder Eifersucht der Täter», sagte Tillmann Bartsch vom Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen, einer der Leiter der Studie. Die Taten fanden in allen Gesellschaftsschichten statt. Unter den Tätern waren beispielsweise ein Unternehmensberater und ein Erzieher.
Des Weiteren wiesen viele Täter psychische Auffälligkeiten auf: Bei 49 Prozent gab es klare Anzeichen für eine psychische Erkrankung und bei 44 Prozent für ein Suchtproblem. 40 Prozent standen während der Tat unter dem Einfluss von Alkohol oder anderen Drogen.
In 88 Prozent dieser 78 Femizide gab es vor der Tötung Gewalt. Bei zwei Dritteln der Fälle gab es Anzeichen für eine sexistische Einstellung des Täters, wie die Überzeugung, dass Frauen nicht arbeiten dürften, bis hin zur vollständigen sozialen Isolation ihrer Partnerinnen.
Zwei Drittel deutsche Täter und Opfer
Der Anteil von Tätern und Opfern mit deutschem Pass betrug zwei Drittel, der mit anderer als deutscher Staatsangehörigkeit lag laut der Studie bei etwa einem Drittel. Im Vergleich dazu hatten im Jahr 2017 demnach rund zwölf Prozent der Bevölkerung in Privathaushalten in Deutschland eine ausländische Staatsangehörigkeit. «Die Überrepräsentation migrantischer Personen zeigt sich insbesondere in der Fallgruppe der Partnerinnenfemizide im Zusammenhang mit Trennung oder Eifersucht», heißt es in der Studie.
Die Gruppe der Ausländer ist vielfältig, die Taten spiegeln patriarchale Strukturen wider. Auch die Opfer sind größtenteils ausländische Staatsangehörige. Migrantinnen haben weniger Möglichkeiten, eine gewalttätige Beziehung zu beenden.
Autoren empfehlen Sexismus als Mordmerkmal
Die Experten unterstützen hauptsächlich eine umfassende Reform der vorsätzlichen Tötungsdelikte, bei der auch sexistische Beweggründe als Mordmerkmal in Betracht gezogen werden könnten. Sie plädierten auch dafür, dass Gewalt in der Vorgeschichte einer Person bei der Beurteilung der Niedrigkeit der Beweggründe zukünftig stärker berücksichtigt werden sollte.
«Die Strafhöhen, die von den zuständigen Landgerichten verhängt wurden, deuten nach unseren Berechnungen nicht darauf hin, dass die untersuchten Femizide im Rahmen einer Trennung oder im Zusammenhang mit Eifersucht auffällig milde bestraft worden sind», sagte der Tübinger Jurist und Kriminologe Florian Rebmann. Dass eine Erhöhung dieser Strafen potenzielle Täter eines Femizids abschrecken könnte, sei zweifelhaft.








