Die Pünktlichkeit ist ein Dauerthema, während marode Strecken saniert werden. Neue Bahn-Strategie in Planung für zufriedene Kunden.
Deutsche Bahn vor großen Herausforderungen

Die Probleme bei der Deutschen Bahn sind groß, mit unpünktlichen Zügen, einem maroden Schienennetz und roten Zahlen. Es ist noch nicht bekannt, wer die Nachfolge von Bahn-Chef Richard Lutz antritt, aber es wird spekuliert, zum Beispiel über DB-Regio-Chefin Evelyn Palla, den ehemaligen Finanzminister Jörg Kukies und Michael Peter, den Chef von Siemens Mobility.
Unabhängig davon, wer es wird: Es gibt große Herausforderungen, die nicht schnell gelöst werden können. Die Bahn wird wahrscheinlich vorerst eine Dauerbaustelle bleiben – und das unter genauer Beobachtung der Politik und der leidgeplagten Kunden. Ein Überblick über die Herausforderungen des Lutz-Nachfolgers:
Die Pünktlichkeit und die Kundenzufriedenheit
Die Pünktlichkeit ist das Dauerthema bei der Bahn und das Dauerärgernis für die Fahrgäste. Im Fernverkehr wurden zuletzt nicht einmal zwei Drittel der Halte pünktlich erreicht. Allzu oft fallen zudem Züge aus oder sind überfüllt, während andernorts nur selten einer fährt. Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder will am 22. September eine neue Bahn-Strategie vorstellen, zu der er bisher wenig verrät. Doch der Titel gibt schon einen Hinweis, wo der Fokus liegen wird: «Agenda für zufriedene Kunden auf der Schiene.»
«Die Bahn muss pünktlich, sicher und sauber sein», sagte Schnieder am Donnerstag. Zudem müsse der Konzern «schneller, schlanker, schlagkräftiger und auch wirtschaftlicher» werden. Derzeit sei die Lage «dramatisch».
«Jetzt suchen wir das passende Personal, um das umzusetzen.» Idealerweise könne der oder die neue Vorstandsvorsitzende bis zum 22. September gefunden und dann gemeinsam mit der Strategie präsentiert werden.
Die Infrastruktur
Die Deutsche Bahn führt marode, hoch belastete Strecken als Hauptursache für die unpünktlichen Züge an. Deshalb sollen bis 2036 etwa 40 besonders belastete Strecken einer Generalsanierung unterzogen werden. Das Motto lautet: keine schrittweise Sanierung im laufenden Betrieb, sondern monatelange Vollsperrungen für umfassende Modernisierungen. Der Anfang wurde im letzten Jahr auf der Riedbahn zwischen Frankfurt und Mannheim gemacht, derzeit wird die Strecke Hamburg-Berlin umfassend saniert. Für die Fahrgäste bedeutet das zunächst monatelange Beeinträchtigungen.
Einige Verkehrsexperten haben zuletzt das Konzept vor allem wegen der Vollsperrungen kritisiert, aber in der Branche wird der Ansatz größtenteils unterstützt. Der neue Bahnchef kann das bestehende Konzept fortsetzen – vorausgesetzt, er kann auch in den kommenden Jahren das dafür erforderliche Geld locker machen.
Die Politik und das Geld
Die Entwicklung der Infrastruktur und des Bahnbetriebs ist stark abhängig vom Wohlwollen im Regierungsviertel und von der finanziellen Unterstützung durch die Politik. Die Bahn-Infrastruktur wurde über Jahrzehnte vernachlässigt, was zu einem erheblichen Investitionsstau im zweistelligen Milliardenbereich führte. Obwohl die Bahn zuletzt mehr Geld erhielt, warnte der derzeitige Bahnchef Lutz davor, dass diese Mittel möglicherweise nicht ausreichen, um die Bahn langfristig zukunftsfähig zu machen.
Der Fokus liegt derzeit vor allem auf der Sanierung des Bestandsnetzes. Für Neu- und Ausbauprojekte fehlt Geld. Diese aber sind zentral, um die Ziele des «Deutschlandtakts» erreichen zu können. Der soll irgendwann die wichtigen Hauptachsen des Fernverkehrs im halbstündlichen Rhythmus verbinden. Das soll zu besseren Umsteigemöglichkeiten und deutlich kürzeren Reisezeiten führen.
«Dass DB-Chef Lutz gehen wird, macht nichts besser», sagte der Grünen-Bahnexperte Matthias Gastel zum Wechsel an der Konzernspitze. Es brauche eine stärkere Kontrolle und Steuerung des Unternehmens durch den Bund – und eine auskömmliche und verlässliche Finanzierung der Infrastruktur.
Die wirtschaftliche Lage
Der Bahn-Konzern verzeichnet seit Jahren Verluste. Das Sanierungsprogramm, das von Lutz im Jahr 2024 gestartet wurde, beinhaltete daher nicht nur Veränderungen in der Infrastruktur und im Betrieb, sondern auch im Konzern selbst. Ziel ist es, Tausende Stellen zu streichen und die Rentabilität zu steigern.
Der Druck bei DB Cargo ist besonders hoch. Die Transport-Tochter, die seit Jahren in der Krise steckt, muss gemäß einer Entscheidung der EU-Kommission im Rahmen eines Beihilfeverfahrens bereits im nächsten Jahr wieder profitabel sein. Obwohl das Unternehmen in letzter Zeit seine Verluste deutlich verringert hat, verzeichnete es nach den ersten sechs Monaten des aktuellen Jahres immer noch ein großes operatives Minus.
Die schlechten Zahlen werden hauptsächlich durch den sogenannten Einzelwagenverkehr verursacht, der trotz der Förderung des Bundes nicht rentabel ist. Beim Einzelwagenverkehr werden die Waggons direkt bei den Unternehmenskunden abgeholt und auf Rangierbahnhöfen zu langen Zügen zusammengestellt. Am Zielort werden sie dann wieder auseinandergebaut und einzeln weitertransportiert. Der Einzelwagenverkehr ist für Branchen wie Stahl, Chemie und Baustoffe sowie für die Klimaziele von großer Bedeutung. Wenn DB Cargo den Einzelwagenverkehr einstellen würde, würden voraussichtlich Tausende Lastwagen mehr über die Autobahnen fahren.
Die anstehenden Tarifverhandlungen mit der GDL
Der Tarifvertrag mit der GDL läuft zum Jahreswechsel aus, und es steht die nächste Tarifverhandlungsrunde an. Unter ihrem Ex-Chef Claus Weselsky setzte die Gewerkschaft meist auf Konfrontation, bestreikte die Bahn vielfach und sorgte ein ums andere Mal für Tausende Zugausfälle. Die große Frage ist: Wird Weselskys Nachfolger Mario Reiß auch so aggressiv und lautstark in den Kampf für höhere Gehälter und andere Arbeitsbedingungen ziehen?
An erster Stelle muss sich DB-Personalvorstand Martin Seiler darum kümmern. Doch je länger sich die Tarifrunde dieses Mal hinzieht, desto belastender dürfte die Tarifauseinandersetzung auch für den Start des neuen Bahnchefs werden. Wenn wenige Wochen nach dem Wechsel auf dem Chefposten der gesamte Fernverkehr stillsteht, wirft das kein gutes Licht auf den Neuen an der Spitze – und zahlt sicher nicht auf die Kundenzufriedenheit ein.