Nach 18 Stunden Verhandlung finden IG Metall und Arbeitgeber einen Tarif-Kompromiss für die Metall- und Elektroindustrie. Am Ende stehen ein Pilotabschluss und Mahnungen nach Berlin.
Vorbild für die Politik? – Metaller finden Tarifkompromiss
Nach einem langen Verhandlungsmarathon erhalten die 3,9 Millionen Beschäftigten der deutschen Metall- und Elektroindustrie mehr Geld. Die Gehälter sollen in zwei Stufen um 5,1 Prozent erhöht werden, wie IG Metall und Arbeitgeberverbände nach 18-stündigen Verhandlungen in Hamburg bekannt gegeben haben. Kriselnden Unternehmen wird die Möglichkeit eingeräumt, einzelne Zahlungen zu verschieben oder ganz zu streichen. Weitere Warnstreiks wurden somit abgewendet.
Der Pilotabschluss, der nun möglichst schnell auch in den übrigen Tarifbezirken übernommen werden soll, wurde von den Verhandlungsteams aus Bayern und dem Tarifgebiet Küste erstmals «im Tandem» erreicht. Die Laufzeit beträgt 25 Monate, was aufs Jahr gerechnet zu einer Lohnsteigerung von weniger als drei Prozent führt. Die IG Metall hatte ursprünglich 7,0 Prozent in zwölf Monaten gefordert.
Kollegen spüren Unsicherheiten
«Das ist kein Abschluss, für den wir gefeiert werden», sagt der Verhandlungsführer der IG Metall Küste, Daniel Friedrich. Er bringe aber Stabilität. Die Forderung sei in wirtschaftlich stabileren Zeiten entstanden. Längst spürten die Kollegen die wachsenden Unsicherheiten. Man habe zudem abwägen müssen, ob man mit Streiks ein besseres Ergebnis hätte erreichen können.
«Ich bin zufrieden, aber nicht euphorisch», sagt Gesamtmetall-Präsident Stefan Wolf. Es sei ungleich schwieriger, in einer wirtschaftlichen Rezession eine Einigung zu finden. Dass man den Abschluss innerhalb von zwei Monaten hinbekommen habe, sei auch ein Signal an die Bevölkerung, dass die Sozialpartnerschaft funktioniere. Die Unternehmen würden im laufenden Jahr nicht mehr belastet. «Der Schaden durch Streiks wäre größer geworden.»
Mehr Geld erst im nächsten Jahr
Als Erstes erhalten die Beschäftigten eine Einmalzahlung von 600 Euro, die spätestens im Februar 2025 ausgezahlt wird. Die Tabellenerhöhungen werden dann in den nächsten beiden Jahren jeweils zum 1. April wirksam. Die erste Stufe bedeutet eine Erhöhung um 2,0 Prozent, gefolgt von 3,1 Prozent in der zweiten Stufe. Zusätzlich wird es nun auch für Teilzeitbeschäftigte möglich sein, einen bestimmten Gehaltsanteil in Freizeit umzuwandeln. Der Tarifvertrag läuft bis zum 31. Oktober 2026.
Eine überproportionale Erhöhung von 140 Euro pro Monat wurde für Auszubildende vereinbart, die bereits ab Januar 2025 gilt. Es wird keine Einmalzahlung geben. “Mit den höheren Vergütungen senden wir ein klares Signal an die Auszubildenden, dass sie wichtig sind”, sagt Nordmetall-Verhandlungsführerin Lena Ströbele.
Volkswagen verhandelt Haustarif
Aufgrund der Krise der Autoindustrie und ihrer Zulieferer wurde in den Bezirken Küste und Bayern nach einer Lösung gesucht. Diese Regionen sind auch stark in anderen Branchen wie Elektro, Rüstung und Flugzeugbau vertreten. Die Tarife der über 120.000 Beschäftigten der Volkswagen AG werden separat verhandelt, angesichts der harten Sparpläne des Managements. Die nächste Tarifrunde ist für den 21. November geplant.
Einigung statt ‘Ampeln’
Einigkeit zeigten die Tarifpartner bei der Beurteilung der politischen Entwicklung in Berlin. «Wir Tarifparteien wollten zeigen, dass wir nicht ‘Ampeln’, sondern Einigung können», meint Ströbele. Ihre Co-Verhandlerin Angelique Renkhoff-Mücke aus Bayern sagt es so: «Wir hoffen, dass wir damit auch das Signal an die Politik senden, dass Kompromisse mitunter schmerzhaft, aber möglich sind.»
Lage bleibt schwierig
Der Abschluss sei ein «Signal an die Politik, sich jetzt endlich zu ordnen», erklärt auch Wolf. Man richte an eine neue Regierung angesichts der wirtschaftlichen Lage in den Betrieben die gleichen Forderungen wie zuvor. Er verlangte Steuerentlastungen für Unternehmen, Bürokratieabbau, begrenzte Sozialabgaben und einen leichteren Zugang für Fachkräfte aus dem Ausland.
Die IG-Metall-Chefin Christiane Benner nimmt die Politik ebenfalls in die Pflicht: «Wir brauchen jetzt niedrigere Energiepreise, besonders für energieintensive Unternehmen. Wir brauchen jetzt Maßnahmen zum Hochlauf der Elektromobilität, Investitionen in die Infrastruktur und damit in unsere Zukunft.»
Keine ganztägigen Warnstreiks
Nachdem die Friedenspflicht abgelaufen war, hat die Gewerkschaft seit dem 29. Oktober ihre Mitglieder in Hunderten Betrieben zu mehrstündigen Warnstreiks aufgerufen. Innerhalb von zwei Wochen haben sich mehr als 600.000 Menschen daran beteiligt. Auch am Montag zum Verhandlungsauftakt gab es noch Protestaktionen, unter anderem am Verhandlungsort Hamburg. Die bereits vorbereiteten Pläne für ganztägige Warnstreiks bleiben jedoch vorerst in der Schublade.
In der vierten Verhandlungsrunde gab es zuletzt 2015 einen Pilotabschluss. Aufgrund der Corona-Pandemie und ihrer damals noch ungewissen wirtschaftlichen Auswirkungen wurde 2020 nach nur zwei Treffen eine Einigung erzielt. Der Bezirk Küste mit Hamburg, Schleswig-Holstein, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern und West-Niedersachsen ist erstmals seit der Wiedervereinigung Deutschlands an einem Pilotabschluss beteiligt.