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VW verteidigt vor der Belegschaft den strikten Sparkurs

Turbulenter Empfang für den VW-Vorstand: Auf der Betriebsversammlung machen Mitarbeiter ihrem Unmut über die Sparpläne Luft. Der Konzern verteidigt seine Linie. Doch der Widerstand wächst.

Auf der Betriebsversammlung in Wolfsburg begrüßen Mitarbeiter den Vorstand mit scharfem Protest gegen die jüngsten Sparpläne.
Foto: Moritz Frankenberg/dpa Pool/dpa

Die Belegschaft bei Volkswagen hat mit lautstarken Protesten gegen die Sparpläne des Vorstands protestiert. Auf der Betriebsversammlung in Wolfsburg verteidigte die Konzernspitze vor mehr als 16.000 Beschäftigten ihre Sparpläne. Betriebsratschefin Daniela Cavallo kündigte harten Widerstand an und will Werkschließungen, Entlassungen und Lohnkürzungen nicht akzeptieren.

Schuld an der Krise bei Volkswagen seien nicht die Mitarbeiter, sondern die Konzernführung, sagte Cavallo laut Redemanuskript. «Volkswagen krankt daran, dass der Vorstand seinen Job nicht macht.» Dafür dürfe man nun nicht die Belegschaft zur Verantwortung ziehen. Stattdessen appellierte sie an den Vorstand, seiner Verantwortung für die VW-Standorte gerecht zu werden.

Konzernspitze verteidigt Sparkurs

Die VW-Spitze verteidigte vor der versammelten Belegschaft ihren verschärften Sparkurs. «Wir haben noch ein Jahr, vielleicht zwei Jahre Zeit, das Ruder herumzureißen. Aber diese Zeit müssen wir nutzen», sagte Konzern-Finanzchef Arno Antlitz. «Wir geben in der Marke seit geraumer Zeit schon mehr Geld aus, als wir einnehmen. Das geht nicht gut auf die Dauer!» Mit den Einsparungen wolle VW die Mittel freisetzen, die man für neue Produkte brauche. «Dafür brauchen wir jetzt Geld, um kräftig zu investieren», sagte Markenchef Thomas Schäfer.

Europas größter Autobauer hat angekündigt, den bereits eingeschlagenen Sparkurs bei der Kernmarke VW angesichts der sich zuspitzenden Lage zu verschärfen. Werkschließungen in Deutschland und betriebsbedingte Kündigungen sind nun nicht mehr ausgeschlossen. Die mit dem Betriebsrat vereinbarte Beschäftigungssicherung, die betriebsbedingte Kündigungen bis 2029 ausschließt, soll aufgehoben werden. Zum ersten Mal seit 30 Jahren könnten bei VW Entlassungen drohen.

Welche Standorte müssen bangen?

VW macht bisher keine Angaben, ob tatsächlich ganze Werke geschlossen werden sollen und welche Standorte konkret es treffen könnte. Finanzvorstand Arno Antlitz erklärte auf der Betriebsversammlung aber: «Es fehlen uns die Verkäufe von rund 500.000 Autos, die Verkäufe für rund zwei Werke.» Schuld seien nicht Fehler von VW, sondern die generell schwache Nachfrage nach Neuwagen in Europa.

Sorgen machen sich vor allem die Standorte außerhalb Wolfsburgs. Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) hatte sich am Montag mit Blick auf die drei sächsischen Werke in Zwickau, Chemnitz und Dresden «alarmiert» gezeigt. In Niedersachsen sorgen sich vor allem Osnabrück, Emden und Braunschweig um die dortigen Standorte. Weitere Werke gibt es neben dem Stammwerk Wolfsburg in Hannover, Salzgitter und Kassel.

Der Konzern hatte zuvor betont, dass Werkschließungen nur als letztes Mittel in Betracht gezogen würden, falls es nicht gelänge, durch schnelle Maßnahmen gegenzusteuern. Bei VW wäre es das erste Mal seit 1998, dass ein Werk vollständig geschlossen wird. Damals hatte VW das Werk in Westmoreland in den USA geschlossen. In Deutschland wurde noch nie ein VW-Werk geschlossen.

Wie viele Stellen könnten wegfallen?

Bislang hat VW auch nicht bekannt gegeben, wie viele Stellen gestrichen werden könnten. Der Konzern hatte lediglich erklärt, dass der bisherige Stellenabbau durch Altersteilzeit, Abfindungen und das Nichtbesetzen freier Stellen nicht mehr ausreiche. Bis 2026 sollen die Personalkosten in der Verwaltung um 20 Prozent gesenkt werden. Wie viele Stellen dafür gestrichen werden müssen, hat VW bisher noch nicht verraten. Es geht um die Summe, nicht um Köpfe.

Der ehemalige Konzernchef Herbert Diess hatte vor drei Jahren von 30.000 Stellen gesprochen, die allein bei der Kernmarke wegfallen könnten – und hatte dafür von allen Seiten Kritik geerntet. Intern ist jetzt von rund 20.000 Stellen zu hören. Insgesamt hat VW in Deutschland 120.000 Mitarbeiter, mehr als die Hälfte davon in Wolfsburg.

Heiße Tarifrunde erwartet

Um die Pläne noch abzuwenden, planen Gewerkschaft und Betriebsrat, die bevorstehende Tarifrunde im Herbst zu nutzen. “Wir erwarten schwierige Verhandlungen”, sagte Cavallo. VW hat bisher einen Haustarif, der über dem Branchentarif liegt. Der Betriebsrat gibt an, dass der Konzern die Entgelte am liebsten kürzen oder zumindest mehrere Nullrunden einlegen würde. Die IG Metall fordert hingegen sieben Prozent mehr Gehalt. Die Verhandlungen sollen im November beginnen, und ab Dezember sind auch Warnstreiks möglich.

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) hatte VW zuvor gebeten, Schließungen von Standorten zu vermeiden. Das Land Niedersachsen besitzt 20 Prozent der Stimmrechte im VW-Konzern. Weil und seine Stellvertreterin Julia Willie Hamburg (Grüne) vertreten das Land im Aufsichtsrat. Gemeinsam mit den Arbeitnehmervertretern haben sie dort die Mehrheit, und das Land hat ein Veto-Recht bei wichtigen Entscheidungen.

dpa