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Trüffel auf dem Vormarsch: Vom Luxus zum Fast-Food

Die edlen Pilze erobern die Gastronomie: vom Gourmetlokal bis zur Burger-Bude. Wie kam es dazu und was steckt dahinter?

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Tagliolini Al Tartufo Nero - Trüffelnudeln in einem Berliner Restaurant.
Foto: Gregor Tholl/dpa-Zentralbild/dpa

Früher schien es, dass Trüffel nur in teuren italienischen oder französischen Restaurants auf der Speisekarte stand. Heute ist der Edelpilz auch in lokalen Restaurants erhältlich – und zumindest als Mayo-Variante in fast jedem Burger-Laden. Der erdige Geschmack hat in letzter Zeit eine bemerkenswerte Karriere gemacht. Wie kam es dazu – und warum?

Erstens Grundsätzliches: Der oder die Trüffel (beides geht sprachlich; der Plural lautet «Trüffeln», ist umgangssprachlich aber meist ohne «n») sind Pilze, die unterirdisch wachsen und als Delikatessen angesehen werden. Liebhaber schätzen sie für ihr Umami-Aroma (wohlschmeckend, herzhaft, würzig, fleischig):

  • Die edlen Pilze wachsen in Verbindung mit einer Wirtspflanze, meist Bäume.
  • Sie gedeihen in ziemlich vielen Klimazonen – ihr natürliches Verbreitungsgebiet liegt in Mittel- und Südeuropa, aber sie werden inzwischen weltweit angebaut.
  • Es gibt unterschiedliche Sorten, was Aussehen und Aroma angeht.
  • Weiße Trüffel (wie die Alba-Trüffel (Tuber magnatum)) haben intensive Noten von Knoblauch und Käse. Sie werden oft kurz vor dem Verzehr roh über den Teller gehobelt und können Tausende Euro pro Kilogramm kosten.
  • Schwarze Trüffel, etwa der Périgord-Trüffel (Tuber melanosporum) oder der Sommertrüffel (Tuber aestivum), sind etwas günstiger, milder, schmecken eher nussig. Sie kommen öfter in Soßen oder Risotto, bei zu viel Hitze geht jedoch auch bei ihnen eigentlich Aroma verloren.
  • In Europa gehört Spanien zu den größten Trüffel-Lieferanten.
  • Entgegen verbreiteter Meinung können Trüffel durchaus angebaut werden. In Deutschland passiert das zunehmend.
  • Wilde Trüffel dürfen nicht geerntet werden – sie stehen im Bundesnaturschutzgesetz auf der Liste der besonders geschützten Arten.

Lassen Sie uns genauer nachforschen. Der Kulturwissenschaftler und Autor Peter Peter lokalisiert den Trüffel-Trend in den letzten 10 bis 15 Jahren. «Es ist eine gewisse Demokratisierung einer ursprünglich luxuriösen Speise», sagt Peter («Vive la Cuisine! Kulturgeschichte der französischen Küche», «Cucina & cultura – Kulturgeschichte der italienischen Küche»).

Fleisch, Fisch, Pasta, Reis – vieles wird mit Trüffel serviert

Paris, Place Madeleine: Im Gourmetlokal «Maison de la Truffe» (Trüffelhaus) hat man sich seit 1932 darauf spezialisiert, irgendwie alles zu trüffeln. Darunter sind Klassiker wie Carpaccio, Vitello Tonnato, Hummer-Risotto, Fettuccine mit Foie Gras (Entenstopfleber). Selbst Eiscreme – als Dessert. Die Preise sind gepfeffert oder gesalzen, wie man so sagt. Oder: getrüffelt halt.

Döner mit Trüffel

Berlin, Pariser Platz, «Hotel Adlon Kempinski». Hier am Brandenburger Tor wird in der Lobby am Elefantenbrunnen getrüffelter Döner serviert. Das Fladenbrot vom «Adlon Döner Kebab» (37 Euro) ist gefüllt mit Streifen vom Kalbsrücken, frischem Trüffel, Trüffelcrème, roten Zwiebeln, Kraut und Tomaten.

Der Trüffel – der sogenannte Diamant der gehobenen Küche – hat längst diese Welt elitärer Gastronomie verlassen. Heute bieten auch viele Mittelklasse-Restaurants in Deutschland Gerichte mit Trüffel an, mindestens Trüffelpasta – sei es in Bottrop oder in Cottbus.

«Schön das Aroma reinmischen»

Das war vor gut 20 Jahren noch anders. 2003 sah sich Michel Friedman in einer Ausgabe der Dokumentarfilmreihe «Durch die Nacht mit…» (ZDF/Arte) veranlasst, dem Aktionskünstler Christoph Schlingensief zu zeigen, wie man das mit den Trüffelspaghetti richtig mache. Der Publizist und Anwalt rührte dem amüsierten Schlingensief in einem Frankfurter Ristorante übergriffig auf dem Teller herum: «Schön das Aroma reinmischen.» 

Heutzutage interessieren sich schon Jugendliche für das „schwarze Gold“ – zumindest einige aus wohlhabenden Familien. Feinschmeckerküche für alle. Also für alle, die es sich leisten können, denn ein Teller Nudeln mit Trüffelcreme, Trüffelöl oder Trüffelspänen kostet schnell mal über 20 Euro.

Anbaufläche in Deutschland in letzten Jahren verdoppelt

Seit gut zehn Jahren gibt es in Deutschland eine steigende Zahl von Menschen, die die begehrte Delikatesse züchten. «Wir schätzen die Zahl der Trüffelanbauer bundesweit auf derzeit etwa 400», sagt Ulrich Stobbe vom Verband für Trüffelanbau und Nutzung in Deutschland. Die Erntemenge steige.

Stobbe sagt, dass deutsche Trüffel oft von besserer Qualität sind als weitgereiste aus anderen Ländern, was hauptsächlich an der Frische der regional angebauten Pilze liegt. Die Gesamtanbaufläche hierzulande für Burgundertrüffel, die im Herbst als Sommertrüffel bezeichnet werden, beträgt inzwischen etwa 600 Hektar und hat sich allein in den letzten fünf Jahren verdoppelt.

Laut Trüffelanbauer Stobbe liegt es daran, dass die Gastronomie heute Trüffelgerichte günstiger anbietet als früher, aufgrund des geringen Wareneinsatzes und der Verwendung von synthetischen Ölen. Leider verwenden immer noch viele Köche in Deutschland Trüffelöl mit künstlichen Aromen, um einen intensiveren Geschmack zu erzielen, und streuen dann nur ein paar Späne darüber.

«Das wird aber langsam besser, dass der echte Trüffelgeschmack hierzulande geschätzt wird. Ein gut gemachtes Gericht mit heimischen Burgundertrüffeln ist durchaus erschwinglich, wenn man von Michelin-Stern-Preisaufschlägen absieht.»

Trüffel als weitgehend unbelastetes Luxusprodukt?

Unter den Luxuslebensmitteln wie Hummer, Austern, Kaviar oder Gänseleber gilt der Trüffel als das politisch korrekteste. «Viele klassische Gourmetsachen sind heutzutage ein bisschen verpönt», sagt Peter Peter. «Doch bei Trüffeln gibt es wenig diese Luxusbedenken, die bei anderen Lebensmitteln da sind, wohl auch, weil Trüffeln vegan sind und oft ja auch vegetarisch zubereitet werden.»

Einige Veganer sehen jedoch jede Verwendung von Tieren für den menschlichen Nutzen als ausbeuterisch an. In Bezug auf Trüffel bedauern sie die trainierten Hunde, die eingesetzt werden, um die unterirdischen Pilze aufzuspüren. Die Tiere riechen eine bestimmte Schwefelverbindung. Früher suchten oft Schweine, die metaphorisch gewordenen Trüffelschweine, die Edelpilze. Die coolen Säue neigten jedoch dazu, die Trüffel selbst zu fressen.

Trüffel werden heute vor allem als italienisch wahrgenommen

Peter Peter sagt, Trüffel seien früher meist als etwas typisch Französisches angesehen worden. «Heute nehmen wir Trüffel vor allem als italienisches Produkt wahr.» 

Tatsächlich: Wenn viele an Trüffel denken, denken sie sofort an eine cremige Sauce über Tagliolini oder an Pizza Tartufo. Ältere Menschen in Deutschland könnten jedoch immer noch zuerst an kugelförmige Pralinen denken, die aufgrund ihrer Ähnlichkeit in Form mit den wertvollen Pilzen den Namen erhielten.

«Vor einigen Jahrzehnten gab es keinen deutschen Reiseführer zum Piemont, da war kein Meer und keine Renaissance. Warum sollte man da hinfahren?» Mittlerweile sei das wegen der Trüffel und wegen des Barolo-Weins ein total beliebtes kulinarisches Reiseziel geworden, meint Peter. Auch Kroatien, wo viel mit Trüffeln gemacht werde, sei ein populäres Urlaubsland geworden.

Aphrodisierendes Lebensmittel?

«Die Nachfrage nach Trüffel ist stark gestiegen. Jedes Land, das irgendwelche Trüffelsorten hat, auch China, versucht, die auf den Markt zu bringen.» Weißer Trüffel spiele global eher eine kleine Rolle. Doch habe man in den letzten Jahren erfahren, wo überall schwarze Trüffel vorkommen oder gezüchtet werden. 

Der Boom wundere ihn trotzdem, gibt Peter zu. «Trüffel sind nun mal kein Mainstream, schmecken etwas ausgefallen. Es gibt auch gar nicht mal so wenige Menschen, die sagen, dass Trüffel faulig schmecken. Andere erinnert das Aroma an Sperma, was man früher vornehm als „aphrodisierend“ umschrieben hat.» Er könne verstehen, dass das manche Leute nicht mögen. Trüffel polarisiere nun mal – aber das tue ja auch Spargel oder Rosenkohl.

dpa