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Weißer Ring: Mehr Straftäter im Maßregelvollzug

Nach der Messerattacke in Hamburg und der Amokfahrt in Mannheim hat sich der Weiße Ring mit der Frage befasst: Wann werden psychisch kranke Menschen zu Tätern?

Der Weiße Ring hat sich mit der Frage befasst: Wann können psychisch kranke Menschen
Foto: Helmut Fricke/dpa

Laut einer Umfrage des Weißen Rings werden immer mehr Straftäter in psychiatrischen Krankenhäusern oder Entziehungsanstalten untergebracht. Die Opferschutzorganisation stellt fest, dass die Belegungszahlen in diesem sogenannten Maßregelvollzug in vielen Bundesländern in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen sind.

In Rheinland-Pfalz sei die Anzahl der Menschen, die im Maßregelvollzug untergebracht sind, von 2015 bis 2024 von 604 auf 715 gestiegen. In Hessen stieg sie im gleichen Zeitraum von 681 auf 950 Patienten, in Nordrhein-Westfalen von 2.930 auf 3.323 und in Berlin von 801 auf 848.

Experte warnt vor einer Diskriminierung psychisch Kranker 

Der forensische Psychiater Henning Saß erklärte dem Weißen Ring Magazin: „Die meisten Menschen mit psychischen Erkrankungen sind nicht gewalttätig. Bei bestimmten Erkrankungen wie schizophrenen Psychosen oder dissozialen Persönlichkeitsstörungen besteht jedoch ein deutlich erhöhtes Risiko, Gewalt auszuüben und Opfer davon zu werden.“

Die psychische Erkrankung sei – neben Drogen, Alkohol, männlichem Geschlecht, Jugend und prekären sozialen Bedingungen – aber nur ein Risikofaktor und nur eine potenzielle Ursache für Gewalt. Die beste Prävention sei «eine gute psychiatrische Versorgung und eine konsequente Behandlung, die sich nicht nur auf die Akutphase beschränkt, sondern so lange andauert, bis der Patient hinreichend stabilisiert ist.» 

Kriminologin spricht von sehr seltenen Taten, die aber zunehmen

Laut der Kriminologin Britta Bannenberg von der Universität Gießen handelt es sich um äußerst seltene Taten, die in den letzten Jahren jedoch zugenommen haben. Als mögliche Gründe nennt die Expertin für Amoktaten verschiedene Herausforderungen wie die Corona-Pandemie, den Ukraine-Krieg und die Zuwanderung. All dies könnte dazu führen, dass einige Menschen in eine Krise geraten, andere dafür verantwortlich machen und einen starken Hass entwickeln, zum Beispiel gegenüber Zugewanderten.

Vor solchen Verbrechen seien aber «klare Warnsignale» zu erkennen. «Die Gedanken an die Tat sind jahrelang da, die Tatvorbereitungen geschehen vor allem in den letzten vier bis acht Wochen», sagte die Wissenschaftlerin dem Weißen Ring. Manche würden «als Querulanten eingestuft und früher oder später nicht mehr ernst genommen». Dies sei falsch, mahnte Bannenberg. «Gerade, wenn explizite Aussagen fallen, müssen sie intensiv abgeklärt werden.» 

Im Maßregelvollzug können Personen mit schweren psychischen Erkrankungen untergebracht werden, die zum Zeitpunkt der Tat schuldunfähig oder vermindert schuldfähig waren und bei denen weitere schwere Taten zu erwarten sind. Körperverletzung, Eigentums-, Sexual- und Tötungsdelikte gehören zu den häufigsten Straftaten.

Dauer der Unterbringung im Maßregelvollzug ist unterschiedlich lang 

Laut der Umfrage des Weißen Rings variiert die durchschnittliche Unterbringungszeit der Täter im Maßregelvollzug je nach Bundesland und beträgt in Hessen gut sechs Jahre und in Schleswig-Holstein mehr als zehn Jahre. Personen mit Suchterkrankungen, die unter dem Einfluss von Drogen straffällig geworden sind oder aufgrund ihrer Abhängigkeit, können in einer Entziehungsanstalt untergebracht werden.

dpa