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In der JVA Wittlich: Musik und Tiere als Therapie für Häftlinge

Ein Häftling entdeckt seine Leidenschaft für Klavierspielen, während andere mit Hunden und Pferden kommunizieren lernen. Die Projekte stärken Selbstbewusstsein und bereiten auf die Freiheit vor.

Vlady spielt täglich vier Stunden am Keyboard. (Archivbild)
Foto: Harald Tittel/dpa

Vlady sitzt in seinem Haftraum auf dem Bett. Vor ihm liegt ein Keyboard auf zwei Stühlen: Konzentriert übt er ein Stück nach dem anderen. Immer wieder. «In der Zelle bin ich immer am Klavier dran», sagt er in einer Übungspause. «Es ist eine gute Ablenkung.» Im Schnitt übe er vier Stunden am Tag. «Auch beim Fernsehen, immer wenn Werbung ist.»

Vlady hat das Klavierspielen erst seit ein paar Monaten für sich entdeckt. Als einer von fünf Häftlingen bekommt er in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Wittlich in einem neuen Klavier-Projekt seit vergangenem Herbst einmal wöchentlich Unterricht. Auf den Tag der Woche freut er sich: «Ich bin motiviert.»

Im Gruppenraum ein paar Stockwerke über seiner Zelle wartet Klavierlehrer Bernd Oster. «Ja, er hat Musikalität», sagt er über seinen Schüler. Er sei fleißig und gehöre definitiv zu den Besseren. Vor kurzem noch Total-Anfänger spielt Vlady Beethovens «Für Elise» und «Freude, schöner Götterfunken.» Als Zuhörer klatschen, strahlen seine Augen.

Es geht um Talente wecken

«Das ist genau der Grund, warum wir solche Projekte machen», sagt der Leiter der JVA, Jörn Patzak. «Es geht darum, dass die Gefangenen sehen, dass sie Talente haben und es sich lohnt, dranzubleiben und auf ein Ziel hinzuarbeiten.» Wenn sie Erfolgserlebnisse hätten, stärke dies das Selbstbewusstsein und führe hoffentlich dazu, dass sie nach der Haft keine Straftaten mehr begehen.

Es gibt eine ganze Reihe von Angeboten für die Insassen in Wittlich, um sie für die Zeit in Freiheit vorzubereiten: soziales Training, Anti-Gewalt-Training, Suchtgruppen und Schuldnerberatung. «Das sind so Standard-Dinge. Da arbeiten wir vor allem an Defiziten», sagt der Jurist Patzak. 

Und dann gebe es noch Extra-Angebote, wie eben das Klavier-Projekt, «mit denen wir versuchen wollen, den Tag zu füllen und die Ressourcen der Gefangenen ein bisschen zu kitzeln und zu stärken».

Laut Patzak sei ein Tag in der JVA lang und oft von negativen Gedanken geprägt. Als Gefangener habe man kaum Entscheidungsfreiheit, zum Beispiel bei der Auswahl des Fernsehprogramms. In der JVA Wittlich befinden sich etwa 500 Männer im geschlossenen Vollzug, was sie zur größten Haftanstalt in Rheinland-Pfalz macht.

Auch von Hunden und Pferden lernen

Zu den Zusatzangeboten gehört auch ein Tierprojekt. Einmal im Monat besuchen zwei Hundetrainerinnen mit Ehrenamtlichen und sechs Hunden die Haftanstalt. Die Hunde sind unterschiedlicher Rassen, erklärt die stellvertretende Leiterin der JVA, Elena Deliargyris. Die Insassen lernen den Umgang mit den Hunden und üben vor allem die Kommunikation.

Was sie dabei auch für später mitnehmen? «Dass man mit Gewalt nichts erreichen kann», sagt sie. «Es geht beim Hund nicht um die laute Stimme, sondern ums feine Kommunizieren.» Das Gleiche gelte für ein Projekt mit Pferden, das sich an Gefangene aus dem offenen Vollzug richte. Das Tier- und das Klavier-Projekt werden mit Unterstützung der Trierer Antonia Ruut Stiftung verwirklicht.

Wer bei den Projekten erfolgreich sei, sei sehr stolz, berichtet Deliargyris. Ein Gefangener, der ein Zertifikat erhielt, habe zu ihr gesagt: «Das ist das erste Mal seit der ersten Klasse, dass ich so eine Anerkennung bekomme. Damals hatte meine Lehrerin mein Baumbild an die Tafel gehängt.»

Nicht bei jedem erfolgreich

Vlady will auch weiter Klavierspielen, wenn er eines Tages rauskommt. «Nicht beruflich, nur so. Es kommt ja gut», sagt er lachend. Der Mann, der Mitte 20 ist, ist seit drei Jahren und fünf Monaten im Gefängnis. Verurteilt wurde er wegen Drogenhandels. «Vielleicht noch ein Jahr», sagt er zu der noch ausstehenden Haftzeit.

Die Projekte sind in der JVA begehrt, wie Patzak sagt. Es gebe Wartelisten. Grundsätzlich könne sich jeder bewerben. «Wir suchen aber aus.» Genommen würden nur Gefangene, die sich an Regeln halten könnten. Wer sich schlecht benehme, habe keine Chance.

Bei einem Schiedsrichter-Projekt, bei dem Gefangene einen Lehrgang besuchen, um ins technische Know-how eingewiesen zu werden, würden nur solche ausgewählt, die auch im nächsten halben Jahr entlassen würden. «Wenn sie rauskommen, müssen sie dann nur noch die praktische Prüfung in einem Verein machen, und es kann losgehen», sagt Patzak.

Es sei klar, dass die Projekte nicht immer dazu führten, dass die Gefangenen nicht wieder rückfällig würden. «Wir sind keine Träumer», sagt Patzak. «Aber wenn wir nur ein paar Leute damit erreichen, dann haben wir einen ganz wichtigen Schritt getan.»

dpa