Die kriselnde deutsche Wirtschaft legt stärker zu als erwartet – auch wegen Vorzieheffekten im Zollstreit. Dennoch droht 2025 die längste Rezession in der Geschichte der Bundesrepublik.
Wirtschaft wächst doppelt so stark wie erwartet

Der deutsche Wirtschaft ist im ersten Quartal mit 0,4 Prozent doppelt so stark gewachsen wie zunächst angenommen. Das Statistische Bundesamt teilte mit, dass steigende Exporte und höhere Konsumausgaben der Verbraucher für das Wachstum verantwortlich waren.
Grund für das höhere Wachstum sei die «überraschend gute konjunkturelle Entwicklung im März», erläuterte die Präsidentin des Statistischen Bundesamtes, Ruth Brand. In einer ersten Schätzung war die Wiesbadener Behörde noch von einem Plus von 0,2 Prozent ausgegangen. «Vor allem die Produktion im Verarbeitenden Gewerbe sowie die Exporte entwickelten sich besser als zunächst angenommen», sagte Brand.
Besonders die Exporte, etwa von Autos und Arzneien, stützten im ersten Quartal die Wirtschaft. «Vorzieheffekte im schwelenden Handelskonflikt mit den USA dürften daher zu der positiven Entwicklung beigetragen haben», schrieben die Statistiker.
Die privaten Konsumausgaben stiegen auch um 0,5 Prozent im Vergleich zum Vorquartal. Aufgrund der sinkenden Inflation und der deutlich gestiegenen Löhne in einigen Branchen haben viele Menschen mehr Geld zur Verfügung. Ebenso erhöhten sich die Investitionen sowohl in Bauten (plus 0,5 Prozent) als auch in Ausrüstungen (plus 0,7 Prozent).
Droht dennoch drittes Rezessionsjahr in Folge?
Die positiven Nachrichten zur deutschen Wirtschaft haben sich zuletzt gehäuft. Steigende Auftragszahlen in der Industrie sorgen für etwas mehr Zuversicht und die Stimmung in der Wirtschaft verbessert sich: Im Mai stieg der Ifo-Index den fünften Monat in Folge. Laut Ifo-Präsident Clemens Fuest gewinnt die deutsche Wirtschaft langsam wieder an Fahrt.
Viele Ökonomen hatten den erwarteten leichten Aufschwung zu Jahresbeginn vorhergesagt. Doch durch die plötzliche Zollpolitik von US-Präsident Donald Trump haben sich die Perspektiven für die exportstarke deutsche Industrie deutlich verschlechtert. Trotz des Hoffnungsschimmers zu Jahresbeginn könnte die deutsche Wirtschaft 2025 das dritte Jahr in Folge ohne Wachstum erleben – das wäre ein Novum in der Geschichte der Bundesrepublik.
Trump hat zwar einige Importzölle in die USA vorübergehend ausgesetzt. Dennoch bleibt das Niveau mit dem allgemeinen Basiszoll von zehn Prozent hoch, und die USA haben auch die Einfuhren von Autos und Stahl verteuert.
2025 allenfalls Stagnation erwartet
Die Prognosen für die deutsche Wirtschaft wurden zuletzt reihenweise gesenkt. Der Sachverständigenrat («Wirtschaftsweise») erwartet 2025 nur noch eine Stagnation der heimischen Wirtschaft – ebenso wie der Internationale Währungsfonds (IWF) und die EU-Kommission.
Im Jahr 2026 wird voraussichtlich ein Wachstum von 1,0 Prozent erwartet. Laut dem Sachverständigenrat könnten die geplanten Milliardenausgaben des Bundes für Verteidigung und Infrastruktur die Wirtschaft beleben.
Hoffnung auf Reformen und Lösung im Zollstreit
Eine Lösung im Handelsstreit mit den USA und Reformen könnten auch die Wirtschaft ankurbeln. Laut Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) gab es nach Gesprächen in der Gruppe der sieben großen Industrienationen (G7) positive Signale im Zollstreit.
Die Wirtschaft setzt auch auf Reformen der neuen Bundesregierung. Laut Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) wird das Bundeskabinett bis Mitte Juli ein erstes Entlastungspaket für Unternehmen auf den Weg bringen. Dieses Paket soll eine Senkung der Stromsteuer und erste Arbeitsmarktreformen enthalten.