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Wirtschaft kommt nicht in Schwung – Regierung senkt Prognose

Keine vier Wochen sind es noch bis zur Bundestagswahl. Die rot-grüne Koalition muss ihre Wachstumserwartungen herunterschrauben.

Regierung senkt Wachstumsprognose
Foto: Bernd Weißbrod/dpa

Auch in diesem Jahr kommt die deutsche Wirtschaft nicht in Schwung. Die Bundesregierung senkt ihre Konjunkturprognose für 2025 deutlich. Wie Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) bei der Vorlage des Jahreswirtschaftsberichts mitteilte, wird nur noch ein Mini-Wachstum von 0,3 Prozent erwartet – im Herbst hatte die Regierung noch mit einem Plus des Bruttoinlandsprodukts von 1,1 Prozent gerechnet. Im vergangenen Jahr schrumpfte die Wirtschaftsleistung von Europas größter Volkswirtschaft das zweite Jahr in Folge.

Wachstumspaket gescheitert

In ihrem früheren Ausblick auf 2025 hatte die damalige Ampel-Regierung positive Effekte einer «Wachstumsinitiative» erwartet. Geplant waren zum Beispiel bessere Abschreibungsbedingungen, um Investitionen anzureizen, staatliche Maßnahmen für niedrigere Strompreise sowie Anreize für längeres Arbeiten. Wegen des Scheiterns der Koalition aus SPD, Grünen und FDP im November aber wurden zentrale Maßnahmen der Wachstumsinitiative nicht umgesetzt. 

Im Jahreswirtschaftsbericht wird auch darauf hingewiesen, dass sich die außenwirtschaftlichen Risiken aufgrund der von US-Präsident Donald Trump angekündigten Zölle auf EU-Importe deutlich erhöht haben. Es wird erwartet, dass der Export in diesem Jahr leicht zurückgeht. Ebenso bleibt der private Konsum in Deutschland aufgrund von Unsicherheiten träge.

Auch Erwartungen für 2026 gesenkt

Die Regierung sieht aber «Licht am Ende des Tunnels» und erwartet 2026 ein stärkeres Wirtschaftswachstum von 1,1 Prozent. Der private Konsum dürfte im Jahresverlauf an Fahrt aufnehmen. Im Herbst hatte die Regierung für 2026 allerdings noch mit einem Plus von 1,6 Prozent gerechnet. Nach einem «Handelsblatt»-Bericht erhöht die schlechtere Prognose den Schuldenspielraum für den Bund, weil die sogenannte Konjunkturkomponente der Schuldenbremse mehr Kredite erlaubt. Regierungskreisen zufolge steige der Haushaltsspielraum 2025 um 2,1 Milliarden Euro. Kanzler Olaf Scholz (SPD) hatte das Loch im noch nicht verabschiedeten Haushalt 2025 auf 26 Milliarden Euro beziffert. 

Inflation

Bei den Verbraucherpreisen erwartet die Bundesregierungeine «moderate» Entwicklung. Zu Jahresbeginn 2025 hätte etwa der höhere Preis des Deutschlandtickets im Nahverkehr sowie eine höhere CO2-Bepreisung beim Tanken und Heizen mit fossilen Energien für eine höhere Inflationsrate im Vorjahresvergleich gesorgt. Im Jahresdurchschnitt erwartet die Bundesregierung eine Inflationsrate von 2,2 Prozent. Dies bewege sich im Bereich der Zwei-Prozent-Zielmarke der Europäischen Zentralbank.

Arbeitsmarkt

Die Auswirkungen der Konjunkturschwäche sind auf dem Arbeitsmarkt immer deutlicher zu spüren. Im vergangenen Jahr stieg die Anzahl der Firmenpleiten. Die Bundesregierung geht davon aus, dass die Anzahl der arbeitslosen Personen im Jahresdurchschnitt voraussichtlich um 120.000 steigen wird. Im Durchschnitt des Jahres 2024 lag die Arbeitslosenzahl bei etwa 2,79 Millionen.

Strukturelle Krise

«Die deutsche Wirtschaft befindet sich seit inzwischen zwei Jahren in einer Stagnation, was konjunkturelle, vor allem aber strukturelle Ursachen hat», heißt es im Jahreswirtschaftsbericht. Verbände sehen den Standort Deutschland zunehmend unter Druck. Firmen halten sich mit Investitionen zurück. Genannt werden vor allem im internationalen Vergleich höhere Energiepreise und eine höhere Steuerlast, gestiegene Sozialabgaben, zu viel Bürokratie und eine zum Teil marode Infrastruktur. Dazu bremst die demographische Entwicklung, also die zunehmende Alterung der Gesellschaft, in den kommenden Jahren das Wachstum wegen Engpässen bei Fachkräften.

Industrie unter Druck

Vor allem die deutsche Industrie steckt in der Krise fest. «Die Stimmung ist miserabel», hatte Industriepräsident Peter Leibinger am Dienstag gesagt. Der Bundesverband der Deutschen Industrie ist noch pessimistischer als die Bundesregierung und rechnet auch in diesem Jahr mit einer schrumpfenden Wirtschaftsleistung von 0,1 Prozent. BDI-Hauptgeschäftsführerin Tanja Gönner sagte, für den Fall von Zöllen in den USA auf EU-Importe könnte die deutsche Wirtschaft sogar um fast 0,5 Prozent schrumpfen. Der Vorsitzende der Gewerkschaft IGBCE, Michael Vassiliadis, sagte: «Die Krise der Industrie verfestigt sich.» Sowohl Wirtschaftsverbände als auch die Gewerkschaft forderten die nächste Regierung auf, dringend Reformen anzugehen, um die Standortbedingungen zu verbessern.

Großes Thema im Wahlkampf

Im Bundestagswahlkampf spielt die Wirtschaftspolitik eine große Rolle. Während Union und FDP sich vor allem für Steuerentlastungen und weniger Bürokratie starkmachen, legen SPD und Grüne einen Fokus auf einen milliardenschweren, kreditfinanzierten «Deutschlandfonds», um Investitionen zu mobilisieren und die Infrastruktur zu sanieren. 

«Wirtschaftswarntag»

Mit Kundgebungen in mehreren deutschen Großstädten und regionalen Aktionen machten Dutzende Wirtschaftsverbände bei einem «Wirtschaftswarntag» auf die angespannte Wirtschaftssituation aufmerksam. Sie fordern unter anderem, die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands in den Mittelpunkt des Wahlkampfs zu stellen. Zu zentralen Forderungen gehören eine geringere Steuerbelastung, gedeckelte Sozialabgaben und mehr Flexibilität im Arbeitsrecht.

dpa