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Free-TV-Premiere “The Batman”: So düster war der Dark Knight noch nie

Ein neuer Batman streift ab 1. Dezember durch Gotham und erstmals auch durchs deutsche Free-TV. Und das tut Robert Pattinson so düster und gebrochen wie noch kein Bruce Wayne vor ihm.

Batman (Robert Pattinson) und Jim Gordon (Jeffrey Wright).
Foto: © 2020 Warner Bros. Entertainment Inc. All Rights Reserved.

“Am dunkelsten ist die Nacht vor der Dämmerung”, wusste Harvey “Two-Face” Dent (Aaron Eckhart, 56) schon in Christopher Nolans (54) bekanntem Batman-Film “The Dark Knight”. In dieser finstersten Phase des Tages präsentierte uns Regisseur Matt Reeves (58) im Jahr 2022 seinen Film “The Batman”, der jetzt erstmals im Free-TV (1. Dezember, 20:15 Uhr, ProSieben) gezeigt wird. Allerdings: In diesem düsteren, eindringlichen und über drei Stunden langen Neo-Noir-Film scheint anfangs wenig Hoffnung vorhanden zu sein. Dafür sorgen ein überzeugender, weil psychisch angeschlagener Robert Pattinson (38) als Antiheld, ein noch beeindruckenderer Paul Dano (40) als Bösewicht und Zoë Kravitz (35) als elegante “Chat fatale”.

“Ich bin Vergeltung” – darum geht es

Seit zwei Jahren streift eine Fledermaus durch die dunkelsten Ecken von Gotham, um in der scheinbar völlig korrupten Stadt für Gerechtigkeit zu sorgen. Doch selbst ein milliardenschwerer Superheld wie Bruce Wayne kann nicht überall gleichzeitig sein. Die größte Mafia-Familie von Carmine Falcone (John Turturro, 67) bleibt selbst für ihn unerreichbar. Sein Kampf gegen das Verbrechen wird daher zunehmend zu einem frustrierenden Unterfangen für den Helden, der sich selbst als “Vergeltung” sieht.

Ein mysteriöser Killer namens Riddler (Dano) taucht auf, der gerne in Rätseln spricht. Dieser Psychopath hat es vor allem auf die führenden Politiker der Stadt und die höchsten Polizeibeamten abgesehen. An den zunehmend blutigeren Tatorten hinterlässt er Briefe, die an Batman gerichtet sind. Mit jedem weiteren Opfer erkennt Bruce Wayne, dass er sich nur auf Commissioner James “Jim” Gordon (Jeffrey Wright, 58) verlassen kann. Zudem wird ihm klar, dass sein eigenes Schicksal eng mit dem seines Gegners verbunden ist.

“Die Spur des Pinguins”

Seit Comic-Verfilmungen mindestens das Schicksal ganzer Galaxien oder sogar von Multiversen behandeln müssen, ist es nicht mehr so leicht, zu überraschen. Matt Reeves gelingt dies, indem er einen anderen Weg wählt und seinen Hauptcharakter in eine bedrückende, realitätsnahe Kriminalgeschichte im besten Film-Noir-Stil versetzt. Anstelle von Humphrey Bogart sinniert Robert Pattinson per Voice-Over über die Verdorbenheit seiner Heimatstadt. Nicht “Die Spur des Falken” bringt Tod und Verderben, sondern die Spur des Pinguins (Colin Farrell, 48) und anderer Untergrundbosse – ganz zu schweigen vom Riddler.

Er hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Sünder von Gotham auf seine ganz eigene Art zur Verantwortung zu ziehen. Die Ähnlichkeiten zu David Finchers (62) Meisterwerk “Sieben” sind unverkennbar. So wie die beiden Polizisten, gespielt von Brad Pitt (60) und Morgan Freeman (87), arbeiten sich auch Batman und Jim Gordon von einem Tatort zum nächsten, von einer Gräueltat zur nächsten, von einem Hinweis zum anderen. Und wie in “Sieben” geschieht dies entweder bei Nacht, im Regen oder bei beidem. Das mag nicht immer leicht nachvollziehbar oder so raffiniert wie bei Fincher sein. Dennoch schafft es der Film fast über seine gesamte Laufzeit hinweg, Spannung zu erzeugen.

Batman, gespielt von Robert Pattinson, und Jim Gordon, dargestellt von Jeffrey Wright. / © 2020 Warner Bros. Entertainment Inc. Alle Rechte vorbehalten.

Und keine Sorge: Auf spannende Action-Sequenzen muss nicht verzichtet werden. Zwar bietet “The Batman” nicht den Comic-Bombast wie Marvel, aber dafür vielleicht die schnellste Verfolgungsjagd seit “Brennpunkt Brooklyn” alias “The French Connection”. Inszenatorisch ist der Film über jeden Zweifel erhaben. Selten war das Hässliche so ästhetisch.

Generation Telegram

Reeves ist dafür bekannt, dass er keine Scheu davor hat, ernste Themen in untypische Filmgenres einzubringen, was bereits bei der Neuauflage von “Planet der Affen” deutlich wurde. Den zweiten Teil der Sci-Fi-Reihe gestaltete er wie einen intensiven Kriegsfilm, während der dritte Teil zeitweise an ein KZ-Drama erinnerte. In “The Batman” beschäftigt er sich durch die Figur des Riddler mit dem Thema der Radikalisierung, beispielsweise über soziale Netzwerke oder Online-Foren. Er zeigt auf, was geschieht, wenn die falschen Personen glauben, das Gesetz selbst in die Hand nehmen zu müssen. Dabei erinnert der Film stellenweise neben “Sieben” sogar an “Saw”. Zudem stellt er die Frage: Ist es überhaupt möglich, abseits der Polizei die richtige Person dafür zu sein?

Diese Frage beginnt auch zunehmend den Fledermausmann zu beschäftigen. Jeder Superheldenfilm verherrlicht bis zu einem gewissen Grad das Prinzip der Selbstjustiz. Ähnlich wie fast jeder Rachethriller und praktisch alle Filme der letzten Jahre mit Liam Neeson (72). In welchem Maß rechtfertigt der Zweck tatsächlich die Mittel? Und was soll man tun, wenn sich das vermeintlich Gute als ebenso korrupt wie die Unterwelt erweist? Oder, wie es in “Watchmen” ausgedrückt wurde: “Wer überwacht die Wächter?”

Reeves’ Film bewegt sich mit seinen düsteren Gedankenspielen in einer ähnlichen Richtung wie der Oscar-gekrönte “Joker” von 2019 mit Joaquin Phoenix (50) unter der Regie von Todd Phillips (53). Trotz eines überladenen Finales schafft es “The Batman” am Ende jedoch, eine optimistischere Botschaft zu vermitteln.

Harte Schale, unsicherer Kern

Robert Pattinson ist der Grund dafür, dass dies gelingt. Sein Batman-Anzug kann sogar großkalibrige Geschosse abwehren. Doch im Inneren steckt ein zutiefst unsicherer junger Mann, der jederzeit selbst in Schwierigkeiten geraten könnte. Auch bei seinem Bruce Wayne schwebt der tragische Tod der Eltern wie ein Damoklesschwert über seiner empfindlichen Psyche. In der bisherigen Filmgeschichte befanden sich die Batman-Darsteller meist in der vierten Phase der Trauer, der Depression. Pattinson hingegen ist noch fest in der zweiten Phase verankert – der Wut.

Er schlägt auf seine Gegner immer einmal mehr ein, als nötig wäre. Das führt dazu, dass selbst die von ihm Geretteten Angst vor ihm haben und um Gnade bitten. Auch als Bruce Wayne meidet er das gesellschaftliche Leben wie der Teufel das Weihwasser und geht sogar auf Alfred (Andy Serkis, 60) los – den einzigen Menschen, den er als Familie betrachten kann. Für manche Zuschauer ist das wohl zu “emo”. Besonders, wenn er mit schwarz umrandeten Augen wie Robert Smith (65) von The Cure herumläuft oder “Something In The Way” von Nirvana spielt. Vielleicht hilft es aber, sich in diesen Momenten “The Batman” nicht als “Origin-Story”, sondern als “Coming of Superhelden-Age” vorzustellen.

Fast in den Hintergrund gedrängt wird Pattinson jedoch von Paul Dano als Riddler. Während Batman noch mit seinen inneren Konflikten kämpft, ist bei dem Schurken etwas unwiderruflich zerbrochen. Gerade der unschuldig wirkende Dano verkörpert den Psychopathen so einschüchternd, dass seine Darstellung sich nicht hinter denen von Heath Ledger (1979-2008) oder Joaquin Phoenix als Joker verstecken muss. Beide erhielten bekanntlich einen Oscar dafür.

Zoë Kravitz’ Darstellung der Catwoman ist sehr gut, auch wenn sie vielleicht nicht für einen Oscar in Frage kommt. Als “Femme fatale”, die in einem Film-Noir von großer Bedeutung ist, hat sie mehr zu tun als Anne Hathaway (42) in “The Dark Knight Rises”. Der Film nimmt sich die Zeit, ihr eine emotionale Hintergrundgeschichte zu geben. Bei Oswald Cobblepot, auch bekannt als Pinguin, ist es genau umgekehrt. Nur das Narbengesicht des kaum erkennbaren Colin Farrell deutet auf eine interessante Vergangenheit hin, die erst kürzlich in der hochgelobten Serie “The Penguin” erzählt wird.

Fazit:

Es ist wahr: Die Nacht ist am dunkelsten vor der Morgendämmerung. Dies wird durch die beeindruckende Tour de Force demonstriert, die “The Batman” geworden ist. Am Ende der spannenden Kriminalgeschichte im Film-Noir-Stil, die mit drei Stunden etwas zu lang geraten ist, geht schließlich die Sonne über Gotham auf, was eine vielversprechende Zukunft für weitere Filme mit Robert Pattinson ankündigt. Zudem erkennt Bruce Wayne alias Batman eine seiner vielleicht wichtigsten Einsichten: Die meisten Menschen sehnen sich nicht nach Vergeltung, sondern nach Hoffnung.

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