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Simon Gosejohann: “Ich muss nicht der coole Player sein”

Simon Gosejohann ist wieder da: Elf Jahre nach der letzten Folge “Comedystreet” bringt Joyn eine neue Staffel an den Start. Im Interview spricht der Comedian über seine Fremdscham-Grenze, die Entwicklung des Humors und wieso sein Format heute noch funktioniert.

Simon Gosejohann bringt mit "Comedystreet" das Format zurück, das ihn vor 20 Jahren berühmt machte.
Foto: Joyn

Von 2002 bis 2013 machte Simon Gosejohann (48) in seinem Format “Comedystreet” mit seinen Pranks die Straßen deutscher Städte unsicher – bis ihn irgendwann jeder kannte. Jetzt kehrt das Format zurück: Am 7. August starten 20 neue Folgen “Comedystreet” beim Streaminganbieter Joyn.

Geändert hat sich quasi nichts, denn Gosejohann wird auch in der achten Staffel wieder ahnungslosen Passanten mit versteckter Kamera Streiche spielen. Im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news spricht der Comedian darüber, wie sich das Comeback nach elf Jahren für ihn anfühlt, wie er zur Entwicklung des Humors steht, welcher Prank selbst ihm unangenehm ist – und was er in der “Comedystreet”-Pause eigentlich so getrieben hat.

Wie fühlt es sich an, nach so vielen Jahren wieder mit “Comedystreet” zurückzukehren?

Simon Gosejohann: Ganz fantastisch. Weil es auch funktioniert hat wie eh und je, weil es sich genau gleich angefühlt hat. Weil derselbe Autor und Realisator seit Folge eins mit dabei ist sowie mein Bruder, der anfangs die Kamera machte und jetzt auch als Realisator mitwirkt. In dieser Staffel hat sogar noch meine Freundin mitgemacht und sich um die Kostüme gekümmert. Familiär war ich also tipptopp von meinen Liebsten umgeben, das hatte einen guten Vibe.

Wie hat sich das Format in der langen Pause verändert?

Gosejohann: Die Pause spielt einem Format mit versteckter Kamera natürlich in die Karten. Elf Jahre Abwesenheit, da gibt es folglich eine ganze Generation, die ohne Comedystreet aufgewachsen ist und die ich aufs Neue verarschen kann. Und die älteren erinnern sich erstmal nicht so schnell… Was das Format angeht, sind wir eher wieder Back-To-The-Roots unterwegs. Schnelle, clip-artige 25 Minuten mit vielen neuen Figuren, aber auch den klassischen Charakteren von damals. Und wir sind dieses Mal zu dritt. Moderatorin Sandra Sprünken und Social-Media-Entertainer Marco Gianni sind mit an Bord.

Haben Sie damit gerechnet, dass die “Comedystreet” jemals zurückkommen wird?

Gosejohann: Es lag so ein bisschen in der Luft. Der Fernseh-Retro-Trend hat ja sogar “Der Preis ist heiß” wieder hochgeholt. Unser Format war von meinem Gefühl her nie aus der Zeit gefallen. Also die ein oder anderen Clips sind natürlich schlecht gealtert, das ist gar keine Frage, aber das Format als solches wird eigentlich nicht alt, man dreht ja draußen im wahren Leben, im Hier und Jetzt. Natürlich muss man die Ideen anpassen, das ist ganz wichtig und war auch diesmal viel Arbeit, damit man sich in einem Rahmen befindet, der lustig und zeitgemäß ist. Aber ja, es lag in der Luft.

Finden Sie, dass sich Pranks und auch die Reaktionen darauf in den 20 Jahren stark verändert haben? Viele Pranks kann man ja heutzutage auch gar nicht mehr machen…

Gosejohann: Ich weiß gar nicht, ob wir immer so ultrakrass waren. Wir sind immer davon abhängig, dass wir eine Einverständniserklärung von den Menschen kriegen. Wir können sie also nicht plump beleidigen, denn mit sowas wollen sie ja nicht ins Fernsehen. Wir waren immer voneinander abhängig, seit der ersten Folge. Die Dinge, die sich gesellschaftlich getan haben, die Woke-Generation, #MeToo und so weiter, die habe ich größtenteils immer sehr begrüßt. Das führt alles zu einem respektvollen, wertschätzenden gesellschaftlichen Miteinander, das gut für uns ist.

Bei unserem Humor geht es nicht ohne Fremdscham, das ist klar. Es ist aber wichtig, auf Augenhöhe zu bleiben und nicht diesen Humor zu wählen, bei dem man andere Menschen vorführt. Das ist nicht “Comedystreet”, das war es aber auch nie. Es gibt deutlich mehr Themen als Sexismus, Rassismus und Bodyshaming. Ich meine, unser Alltag ist voll mit Absurditäten, mit Schrägheiten, mit wilden Berufen, mit Idioten und Idiotinnen, da lässt sich doch was anderes finden.

Hat sich der Humor an sich in den letzten 20 Jahren sehr verändert?

Gosejohann: Es wurde schon viel vorgeführt in den 2000ern. Und es wurde auch besonders homosexuellen Menschen gegenüber ganz brutal die Klischeekiste geöffnet. Wir haben ja auch mal den schwulen Bauarbeiter gehabt, der ist vielleicht nicht so gut gealtert, da wussten wir jetzt auch nicht so genau. Am Ende haben wir Folgendes gemacht: Der schwule Bauarbeiter ist jetzt einfach hetero und mal schauen, was daraus wird.

Beim Schauen der Pranks schämt man sich ja immer richtig schön fremd. Sind Ihnen Ihre Streiche manchmal selbst peinlich?

Gosejohann: Ich stehe da total drüber. Ich finde das lustig, ich mache mich gerne zum Horst. Ich muss in meinen Figuren nicht der coole Player sein, die Trash-Typen machen genauso viel Spaß. Aber wenn ich die Leute in unangenehme Situationen verwickle, ist mir das auch unangenehm, da kann ich auch nicht aus meiner Haut. Was sich für den Zuschauer unangenehm anfühlt, fühlt sich für mich als Akteur natürlich auch unangenehm an.

Was bleibt Ihnen besonders unangenehm in Erinnerung?

Gosejohann: Ich spiele zum Bespiel einen Miesepriem: Der geht dann in Läden und meckert grundlos und kündigt an, online eine schlechte Bewertung zu geben. Das ist so eine Gemeinheit, denn dieses Bewertungssystem, das man in den sozialen Medien abrufen kann, hat so eine Relevanz und Tragweite. Das hat die Leute, mit denen ich diesen Prank gemacht habe, regelrecht erschüttert: Wieso denn nur ein Stern? Das war wirklich total unangenehm, den Leuten so eine schlechte Bewertung reinzudrücken, die keine Grundlage hat – gerade, wenn Menschen sich für ihr Geschäft so viel Mühe geben.

Wo ziehen Sie Ihre Grenze bei Pranks?

Gosejohann: Zu peinlich ist mir nichts, da habe ich keine Grenzen, da ist alles offen. Was der Gesetzgeber so ins Leben ruft, das muss man natürlich berücksichtigen. Es kann sein, dass eine Grenzverletzung auch mal lustig sein könnte, eine Ordnungswidrigkeit oder so. Aber im Großen und Ganzen ist das, denke ich, ein Irrweg. Ansonsten mache ich mir auch nicht so viel Gedanken über Grenzen, sondern mehr darüber, was lustig ist.

Wie haben Sie die Dreharbeiten wahrgenommen? Wie hat es mit der Geheimhaltung des “Comedystreet”-Comebacks geklappt?

Gosejohann: In der ersten Zeit ging es ganz gut mit der Geheimhaltung, weil die Leute nicht damit gerechnet haben. Ein Format, das es seit elf Jahren nicht mehr gibt, haben die dann auch nicht mehr auf dem Schirm. Dann wurde es ein bisschen mehr, in einigen Städten hat es sich rumgesprochen und dann gab es auch eine Pressemitteilung. Deshalb haben wir dann wieder ein bisschen mehr mit Maske gemacht.

Was macht das ultimative “Opfer” für einen “Comedystreet”-Prank aus?

Gosejohann: Das machen wir intuitiv und situationsabhängig. Dazu kommt, dass bei Männern zwischen 30 und 40 mein Risiko aufzufliegen, deutlich höher ist als bei Frauen. Sie lachen gefühlt auch lieber über sich selbst und waren etwas gnädiger bei der Einverständniserklärung. Es ist auch immer besser, Menschen im Sitzen anzusprechen, Reisende soll man ja bekanntlich nicht aufhalten. Darüber hinaus, wir sind ja in Deutschland, es gibt noch einige weitere Aspekte wie Vorschriften und Genehmigungen, die ich euch jetzt gerne erspare.

Als Sie nach all den Jahren wieder zum Pranken auf die Straße sind, gab es da eine Blockade oder waren Sie gleich wieder drin?

Gosejohann: Die Nächte davor habe ich mir viele Gedanken gemacht: Sind die Menschen heutzutage aggressiver? Wo fahren wir denn hin? Gibt es Innenstädte wie früher überhaupt noch oder sind die durch die Coronakrise alle in den Dornröschenschlaf versetzt worden? Aber am ersten Drehtag war dann tatsächlich alles wie vorher. Ich möchte auch an dieser Stelle sagen: Jedes dystopische Denken hat keine Berechtigung. Es geht uns gut, die Menschen sind angenehm und wie man in den Wald ruft, so schallt es auch wieder heraus.

In den letzten Jahren waren Sie im TV ja nicht immer so präsent – was haben Sie überhaupt getrieben?

Gosejohann: Ich habe immer viel gearbeitet und immer versucht, möglichst gute Formate zu platzieren. Ich habe diverse Fernsehshows gemacht. Da waren auch mal Flops dabei – denn wie es so ist, wenn man über 20 Jahre dabei ist, geht auch mal was in die Hose. Da ist immer die Frage, wie man aufgestellt ist, denn wenn man keinen Exklusiv-Vertrag mit einem Sender hat, kriegt man auch nicht so schnell das nächste Format. Häufig war ich auch einfach Gast und das gut und gerne. Durch die Coronakrise habe ich mich bei Ruth Moschner regelrecht durchgequizzt, dafür war ich natürlich dankbar.

Apropos Kollegen: Simon und Elton galten lange als TV-Traumpaar. Haben Sie heute noch Kontakt?

Gosejohann: Elton und ich haben Kontakt. Es können auch zwei, drei Jahre vergehen, in denen wir keinen Kontakt haben, das ist aber nicht schlimm. Wenn wir uns dann sehen, sind wir wie ein altes Ehepaar. Wir leben vielleicht in Trennung, aber im Großen und Ganzen bleiben wir verheiratet.

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