Der “Tatort: Ad Acta” schickt die Schwarzwald-Ermittler Tobler und Berg in die dunklen Ecken der deutschen Justiz. Lohnt sich das Einschalten?
“Tatort: Ad Acta”: Anwälte vorm Jüngsten Gericht
Im “Tatort: Ad Acta” (22.9., 20:20 Uhr, Das Erste) müssen die Freiburger Kommissare Franziska Tobler (Eva Löbau, 52) und Friedemann Berg (Hans-Jochen Wagner, 55) gegen einen dubiosen Star-Anwalt ermitteln, der von seiner Vergangenheit eingeholt wird. Während ihrer Nachforschungen wird die frische Schwarzwald-Luft manchmal ziemlich bleihaltig.
Darum geht’s im “Tatort: Ad Acta”
Der erste “Tatort” aus Freiburg nach der Sommerpause beginnt mit einem kaltblütigen Mord im Naherholungsgebiet. Der junge Anwalt Tobias Benzinger (gespielt von Jan Liem, 35 Jahre alt) wurde durch einen Kopfschuss regelrecht hingerichtet. Neben der Leiche liegt ein Rucksack mit 100.000 Euro in bar. Der mysteriöse Mörder, ein ganz in Schwarz gekleidetes Phantom mit verdunkeltem Helm, flieht nach der grausigen Tat auf einem Motorrad. Auf das Geld scheint er es nicht abgesehen zu haben.
Hauptkommissarin Tobler und Hauptkommissar Berg werden bei ihren Ermittlungen bald zur Kanzlei des bekannten Star-Anwalts Rainer Benzinger (August Zirner, 68) geführt, in der auch sein mittlerweile verstorbener Stiefsohn Tobias tätig war. Die Anwaltskanzlei hat sich mit einer erstaunlich hohen Erfolgsquote auf die Verteidigung von kriminellen Clan-Mitgliedern, Rockerbanden und Neo-Nazis spezialisiert. Selbst hoffnungslose Fälle enden vor Gericht mit Freisprüchen oder ungewöhnlich milden Urteilen.
Der Tod seines Stiefsohnes scheint Benzinger kaum zu berühren. Unter Berufung auf seine anwaltliche Schweigepflicht verweigert er jede Kooperation mit den Kriminalbeamten. Doch Tobler und Berg bleiben hartnäckig und verfolgen entspannt ihren Verdacht, dass die Ursachen des Mordes in der Vergangenheit des aalglatten Strafverteidigers liegen. Als kurz darauf auch auf ihn geschossen wird, wird ihre Arbeit ebenfalls zu einer lebensbedrohlichen Angelegenheit.
Lohnt sich das Einschalten?
Ja, auf jeden Fall. Besonders Fans von Sonntagskrimis, denen die komplexen Fälle eines Kommissars Murot zu verworren und die kriminaltechnischen Übertreibungen des Münsteraner “Tatorts” zu lächerlich erscheinen, erhalten hier einen klassisch erzählten Fall, der mit einer hervorragenden Besetzung beeindruckt und dennoch einige überraschende Wendungen bereithält.
Neben dem tiefenentspannten Ermittlerteam Eva Löbau und Hans-Jochen Wagner sorgt insbesondere August Zirner in der Rolle des undurchsichtigen Rechtsverdrehers Rainer Benzinger dafür, dass aus dem eher konventionellen Krimi-Plot großes Kino wird. Weitere Anerkennung verdient sich Michael Hanemann (79) als Löbaus krebskranker Vater, der aus seinem Krankenzimmer heraus entscheidend zur Aufklärung des Falls beiträgt.
Die atmosphärisch erzählte Geschichte, verfasst vom renommierten Drehbuchautor und Regisseur Bernd Lange (50, “Requiem”), präsentiert ein präzise beobachtetes Moralstück aus der Mitte der bürgerlichen Gesellschaft. Sie hinterlässt bei den Zuschauern das unbehagliche Gefühl, dass selbst in der vorbildlich organisierten deutschen Gerichtsbarkeit nicht alles korrekt ablaufen könnte.