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“Tatort: Dein gutes Recht”: Mörderische Machtspiele

Der Jubiläums-“Tatort: Dein gutes Recht” schickt die Ludwigshafener Ermittlerinnen Odenthal und Stern in einen actionreichen Kampf gegen mörderisches Unrecht und moralische Verkommenheit. Lohnt sich das Einschalten?

Kommissarin im Verhör: Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) muss ein internes Ermittlungsverfahren wegen ungerechtfertigten Schusswaffengebrauchs über sich ergehen lassen.
Foto: SWR/Benoît Linder

Im “Tatort: Dein gutes Recht” (27.10., 20:15 Uhr, Das Erste) bearbeitet Kriminalhauptkommissarin Lena Odenthal (Ulrike Folkerts, 63) zusammen mit ihrer Kollegin Johanna Stern (Lisa Bitter, 40) ihren 80. Fall. Während ihrer Nachforschungen zum Mord an einem Anwalt entdecken sie ein finsteres Netzwerk aus Skrupellosigkeit und Machtmissbrauch und sind gezwungen, mit harten Bandagen auch für ihr eigenes Recht zu kämpfen.

Darum geht’s im “Tatort: Dein gutes Recht”

Nach Einbruch der Dunkelheit erreicht die Kriminalpolizei Ludwigshafen ein dramatischer Notruf. Die Anwältin Patricia Prinz (Sandra Borgmann, 50) hat ihren Ehemann Jasper Ünel (Mohamed Achour, 44) in ihrer Kanzlei erschossen aufgefunden. Alles weist darauf hin, dass der Jura-Dozent sein Schicksal erlitt, als er einen Einbrecher auf frischer Tat ertappte. Als Kommissarin Odenthal am Tatort eintrifft, findet sie die Anwältin völlig verängstigt vor. Nachdem im Krankenhaus nur noch der Tod des jungen Rechtswissenschaftlers festgestellt werden kann, wirkt sie am Boden zerstört.

Bald wird klar, dass nicht nur das Notebook der Strafverteidigerin gestohlen wurde, sondern auch die Pistole, die sie in ihrer Schreibtischschublade aufbewahrte. Sie hat verständlicherweise einen Waffenschein für ihre persönliche Sicherheit. Da ihr Mann offensichtlich mit dieser Waffe ermordet wurde, scheint es zunächst naheliegend, dass der unbekannte Einbrecher sie entdeckt und bei seiner Entdeckung verwendet hat.

Verschiedene Rückblenden geben Aufschluss über das gestörte Verhältnis des ungleichen Juristenpaares. Kurz vor der Tat entbrannte ein heftiger Streit zwischen der ehrgeizigen Anwältin und dem moralisch orientierten Universitätsdozenten, bei dem ihre unterschiedlichen Weltanschauungen deutlich wurden.

Der weitere Verlauf der Geschichte wird ebenfalls durch Rückblenden vermittelt. Diese entstehen aus den Verhören, die Lena Odenthal über sich ergehen lassen muss, nachdem der Fall abgeschlossen ist. Grund dafür ist ein internes Ermittlungsverfahren gegen sie wegen angeblich ungerechtfertigten Schusswaffengebrauchs. Ihr Kopf ist bandagiert und ihre Arme sind zerschrammt, was darauf hindeutet, dass es im Finale des Krimis turbulent zugehen wird. Auf wen die Kommissarin geschossen hat, bleibt vorerst aus Spannungsgründen unklar.

Von Beginn an ist jedoch offensichtlich, dass Kurt Breising (Bernd Hölscher, 53), der Verfahrensleiter des LKA, es sichtlich genießt, ein perfides Machtspiel mit Kommissarin Odenthal zu spielen und darauf abzielt, sie aus dem Dienst zu entfernen. Dabei wird zunehmend klarer, dass er selbst in den Fall verwickelt ist.

Im linearen Erzählstrang schreitet die Handlung fort, wobei Odenthal und Stern auf einen weiteren Fall stoßen, der anfangs keine Verbindung zu dem verstorbenen Rechtswissenschaftler zu haben scheint. In der Nacht des Mordes gab es einen weiteren Einbruch in einem Callcenter. Pat Sievert, der 45-jährige zwielichtige Besitzer des Unternehmens, wird am darauffolgenden Tag als vermisst gemeldet.

Sein hinterhältiges Geschäftsmodell basiert darauf, jungen Frauen mit Gefängniserfahrungen eine Anstellung zu geben und sie anschließend sexuell zu belästigen. Er bringt sie mit der Drohung sofortiger Kündigungen zum Schweigen, was sich negativ auf ihre sozialen Aussichten auswirkt. Bei weiteren arbeitsrechtlichen Konflikten setzt er seine aggressive und skrupellose Anwältin ein, die dafür sorgt, die Klägerinnen zu diffamieren und einzuschüchtern.

Da es sich um Patricia Prinz handelt, die kürzlich verwitwet ist, wird deutlich, dass die beiden Fälle eng miteinander verbunden sind. Jetzt muss nur noch geklärt werden, wer den moralisch orientierten Rechtswissenschaftler aus welchen Gründen ermordet hat. Und warum die verletzte Lena Odenthal bei ihren Ermittlungen ihre Schusswaffe einsetzte.

Lohnt sich das Einschalten?

Ja, auf jeden Fall. Lena Odenthals 80. Kriminalfall präsentiert sich mit einem intelligent und äußerst komplex gestalteten Drehbuch des Regisseurs Martin Eigler (60) – und einer Erzählung, die erneut alle Stärken des mittlerweile perfekt harmonierenden Duos Odenthal und Stern hervorhebt. Mit kollegialer Solidarität und einem klaren Moralkodex stürzen sich die beiden in einen erbitterten Kampf gegen Rechtsbeugung, Korruption und sexuelle Ausbeutung.

Die Tatsache, dass die beiden Kommissarinnen in den internen Untersuchungen zu Odenthals Einsatz der Schusswaffe ihre aus moralischen Gründen getroffenen Entscheidungen verteidigen müssen, spiegelt das Thema von Recht und Unrecht, das im Titel angesprochen wird, auf einer höheren Ebene wider.

Die Erzählstruktur dieses “Tatorts” ist anspruchsvoll und verlangt vom Zuschauer volle Konzentration. Obwohl er im Finale mit einem dramatischen Showdown inklusive wilder Verfolgungsjagden, Geiselnahmen und Scharfschützen belohnt wird, bleibt der Eindruck, dass der Drehbuchautor es mit der Komplexität manchmal etwas übertrieben hat. Dass Odenthal und Stern in diesem undurchsichtigen und oft lebensgefährlichen Fall nebenbei auch noch Bewerbungsgespräche mit schwierigen Kandidatinnen für die freie Assistenzstelle führen müssen, ist zwar durchaus amüsant, wäre aber nicht unbedingt erforderlich gewesen.

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