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“Wicked”: Glinda und Elphaba im Kampf zwischen Gut und Böse

“Wicked” ist nicht nur ein Musicalfilm über Hexen. Es ist auch die Geschichte zweier Freundinnen, die unterschiedlicher nicht sein könnten, und über den Kampf gegen ein autoritäres Regime und den Mut, sich gegen Ungerechtigkeiten aufzulehnen.

Cynthia Erivo (l.) und Ariana Grande verkörpern in "Wicked" die Hexen Elphaba und Glinda.
Foto: © Universal Studios. All Rights Reserved.

Was macht jemanden wirklich böse? Und wie oft glauben wir blind an die Geschichten, die uns erzählt werden? Diese Fragen stellen sich unweigerlich, wenn Glinda (Ariana Grande) im Glanz ihrer pinken glitzernden Seifenblase die Bürger von Manschkinland beruhigt: “Die böse Hexe des Westens ist tot!”, verkündet sie. Doch während das Volk jubelt und feiert, liegt in ihren Augen ein Hauch von Traurigkeit. Als die Menge wissen will, ob es wahr sei, dass sie mit Elphaba (Cynthia Erivo) befreundet war, beginnt Glinda von der Vergangenheit zu erzählen.

Der Film “Wicked”, basierend auf dem Roman von Gregory Maguire aus dem Jahr 1995 und dem seit über 20 Jahren erfolgreichen Broadway-Musical von Stephen Schwartz, wird von Jon M. Chu, dem Regisseur von “Crazy Rich Asians”, als tiefgründige Neuinterpretation der Vorgeschichte des Films “Der Zauberer von Oz” von 1939 auf die Leinwand gebracht. In zwei Teilen wird erzählt, wie Elphaba zur geächteten Symbolfigur von Oz wurde, wobei gezeigt wird, dass die Unterscheidung zwischen Gut und Böse oft nur eine Frage der Perspektive ist. Der erste Teil erscheint am 12. Dezember in den deutschen Kinos, der zweite wird voraussichtlich Ende November 2025 veröffentlicht.

Elphaba und Glinda begegnen sich zum ersten Mal an der Glizz-Universität, wo ihre Beziehung ihren Anfang nimmt. Die beiden Hexen sind kaum unterschiedlicher: Glinda besticht durch ihre Schönheit, ihren Charme und ihre Anpassungsfähigkeit, während Elphaba von Anfang an wegen ihrer grünen Hautfarbe und ihrer unkonventionellen Art ausgegrenzt wird. Aus der anfänglichen Rivalität entwickelt sich jedoch eine unerwartete Freundschaft, die auf die Probe gestellt wird, als sie die dunklen Geheimnisse der Regierung von Oz entdecken. Als Elphaba die Korruption in Oz aufdeckt und gegen Ungerechtigkeiten kämpft, nehmen die beiden Freundinnen unterschiedliche Wege. Elphaba wird zur “Bösen Hexe des Westens”, während Glinda zur “Guten Hexe” wird.

Zwischen Gut und Böse

“Wicked” ist reich an Metaphern, die unsere heutige Gesellschaft und das politische Klima widerspiegeln. Die Erzählung ist eine tiefgehende Allegorie über Ausgrenzung, Machtstrukturen und die Manipulation durch Propaganda. Elphabas Geschichte zeigt den Umgang mit Außenseitern in unserer Gesellschaft auf – sei es durch Rassismus, Diskriminierung oder politische Verfolgung. Ihre grüne Hautfarbe steht symbolisch für das “Anderssein”. Im Verlauf des Films wird sie zur Symbolfigur des Widerstands gegen das korrupte Regime des Zauberers von Oz (Jeff Goldblum), während Glinda zwischen Loyalität zu ihrer Freundin und ihrer Rolle in der Gesellschaft schwankt.

In der gegenwärtigen gesellschaftlichen Lage, die von Spaltung, Desinformation und Populismus geprägt ist, erscheint der Film erschreckend relevant. Elphabas Wandel zur “Bösen Hexe” verdeutlicht, wie Machtinstitutionen Narrative kreieren, um Menschen zu verteufeln, die sich gegen das System stellen. Auch Glinda ist nicht durchgehend gut: Ihre Oberflächlichkeit und ihr Bedürfnis nach Bewunderung bringen sie in moralische Konflikte. Ihre Entscheidungen zeigen, dass auch sie sich von falschen Narrativen beeinflussen lässt, um ihre eigene Stellung zu bewahren. Sie verdeutlicht, wie einfach es ist, in einem ungerechten System mitzuwirken und dabei die eigene Verantwortung zu übersehen. Glinda symbolisiert die Komplexität von Mitläufertum und moralischer Verantwortung, während die Unterdrückung durch den Zauberer von Oz einen deutlichen Bezug zu autoritären Regimen herstellt.

Macht und Manipulation in Oz

Denn Oz ist alles andere als eine Märchenwelt: Unter der glitzernden Oberfläche herrscht ein Zauberer, der seine Macht durch Angst und Spaltung sichert – und eigentlich gar keine Zauberkräfte hat. Im Zentrum dieses Systems steht die Ausgrenzung der sprechenden Tiere, die seit jeher gleichwertiger Teil der Gesellschaft sind und sogar an Universitäten unterrichten. Ihnen soll durch neue Gesetze die Stimme genommen werden. Professor Dillamond, ein Ziegenmann und Professor an der Glizz-Universität, ist dabei ein tragisches Symbol. Er wird vom Zauberer von Oz wortwörtlich zum Sündenbock gemacht – der Ziegenmann steht nicht nur für die unterdrückten Tiere von Oz, sondern für jede Gruppe, die in der Geschichte entmenschlicht wurde. “Der beste Weg, das Volk zu vereinen, ist ihnen einen richtig guten Feind zu geben”, fasst es der Zauberer selbst passend zusammen.

Im Wesentlichen handelt die Geschichte davon, wie zwei Freundinnen mit völlig unterschiedlichem Hintergrund – Glinda, eine weiße Frau aus der Oberschicht, und Elphaba, die ihr ganzes Leben lang wegen ihrer Hautfarbe ausgegrenzt wurde – reagieren, als sie entdecken, dass ihre Regierung korrupt ist. Und es geht darum, wie sie jeweils für ihre Reaktionen belohnt oder bestraft werden.

“Wicked” stellt vor allem eine kraftvolle Metapher für die Stärke des Widerstands dar. Elphabas Geschichte zeigt, wie schnell jemand als “böse” abgestempelt wird, wenn er oder sie die bestehenden Strukturen hinterfragt. Ihr mutiger Widerstand gegen Ungerechtigkeit und die Lügen des Zauberers wird als Bedrohung dargestellt: Sie wird zur Terroristin und zur “Bösen Hexe des Westens” erklärt – nicht weil sie böse ist, sondern weil sie unbequem ist.

Fazit

Cynthia Erivo (37) und Ariana Grande (31) bieten beeindruckende Leistungen. Erivo vermittelt die Komplexität von Elphaba durch eine Kombination aus Verletzlichkeit und Stärke, während Grande überzeugend Glindas Wandel von einer oberflächlichen Diva zu einer einfühlsamen Führungspersönlichkeit darstellt, wobei ihr hervorragendes komödiantisches Timing besonders ins Auge fällt. Es überrascht nicht, dass beide bereits für einen Golden Globe nominiert wurden.

Erivo und Grande können vor allem hervorragend singen. Ihre gesanglichen Darbietungen verleihen den bekannten Songs eine neue Tiefe. “Defying Gravity” ist der epische Höhepunkt von “Wicked” und prägt den gesamten Film sowohl musikalisch als auch thematisch. In dem Moment, in dem Elphaba sich gegen die gesellschaftlichen Regeln auflehnt und ihre wahre Stärke erkennt, wird der Song zu einer Hymne des Widerstands und des individuellen Mutes. Cynthia Erivos kraftvolle Stimme verwandelt das Lied in eine der emotionalsten Szenen des Films und in ein Manifest für alle, die sich gegen Ungerechtigkeit erheben – selbst wenn das bedeutet, sich als Außenseiterin zu positionieren.

Michelle Yeoh (62) zeigt eine subtile Darstellung der zwielichtigen Zauberkunst-Professorin Madame Akaber, mit einer majestätischen Eleganz, die gleichzeitig einschüchternd und faszinierend wirkt. Jonathan Bailey (36) glänzt mit charismatischer Ausstrahlung und emotionaler Tiefe in der Rolle des Fiyero, des charmanten Prinzen, der zwischen Unbeschwertheit und zunehmendem Widerstand gegen die Ungerechtigkeit in Oz schwankt. Jeff Goldblum (72) gibt dem Zauberer von Oz eine Mischung aus Schlitzohrigkeit und latenter Bedrohung. Seine Darstellung des charmanten, jedoch manipulativen Herrschers, der hinter der Fassade des wohlwollenden Magiers seine Machtansprüche durchsetzt, ist meisterhaft.

Die Kombination aus Magie und gesellschaftskritischem Tiefgang macht den Film zu einem der beeindruckendsten Kinoerlebnisse des Jahres. “Wicked” ist ein visuelles und emotionales Spektakel, das weit mehr als bloße Unterhaltung bietet und sowohl Fans des Musicals als auch neue Zuschauer fasziniert. Der Film verdeutlicht eindrucksvoll, dass die wahre Bedeutung von “Gut und Böse” nicht in einfachen Schwarz-Weiß-Kategorien zu finden ist, sondern in der Komplexität menschlicher Entscheidungen liegt. “Wicked” ruft uns in Erinnerung, dass die wahre Magie darin besteht, den Mut zu haben, für Gerechtigkeit einzutreten.

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