Die EU spürt die Auswirkungen des Zollabkommens mit den USA. Kritik an den neuen Zöllen wächst, während die exportstarke deutsche Wirtschaft unter Druck steht.
EU-Zollabkommen mit USA: Kritik und Folgen

Durch den Deal wurde eine Eskalation im Zollstreit mit Donald Trump vermieden: Am 27. Juli haben sich EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und der US-Präsident in Schottland auf ein Abkommen geeinigt, das für die meisten EU-Importe in die Vereinigten Staaten einen Basiszollsatz von 15 Prozent vorsieht.
100 Tage später ist die EU gespalten und die Kritik der Wirtschaft an dem Abkommen, mit dem sich das Europaparlament und die Mitgliedsstaaten derzeit in einem ordentlichen EU-Gesetzgebungsverfahren befassen, groß. Europa hat sich zu klein vor Trump gemacht, etwa bei Einfuhrerleichterungen zugunsten vieler US-Produkte. Während Trump teilweise mit neuen Zöllen droht, sind die Folgen seiner Politik bereits spürbar.
Absturz der Exporte
Zwar wächst die Wirtschaft in Europa leicht und hält sich robuster als gedacht, doch gerade die exportstarke deutsche Wirtschaft steht unter Druck. Im August brachen die Ausfuhren in die USA um 20 Prozent zum Vorjahresmonat ein – der fünfte monatliche Rückgang in Folge. Die neuen Zölle machten einst profitable Geschäftsmodelle weniger attraktiv, sagt der Präsident des Außenhandelsverbands BGA, Dirk Jandura. «Wir sehen bei einigen Händlern eine Abkehr vom USA-Geschäft.» Für die Exportnation Deutschland, wo fast jeder vierte Job vom Export abhängt, sind die Zölle eine Bürde. Wie sie wichtige Branchen und Konsumenten treffen.
Autoindustrie
Ursprünglich sollte die Autobranche der größte Profiteur des Deals sein. Trotzdem ist der Branchenverband VDA nicht wirklich zufrieden, da 15 Prozent das Sechsfache der zuvor geltenden 2,5 Prozent sind. Die US-Zölle auf Autos aus Europa sanken ab dem 1. August von 27,5 auf 15 Prozent, auch wenn es bis Ende September dauerte, bis dies rückwirkend in Kraft trat.
VDA-Präsidentin Hildegard Müller sieht daher «weiterhin eine erhebliche Herausforderung für die deutsche Automobilwirtschaft». Hinzu kämen Belastungen durch die zusätzlichen Zölle auf eine Reihe von Stahl- und Aluminiumprodukten sowie zusätzliche Abgaben auf Nutzfahrzeuge, Busse und Teile. «Diese ab 1. November geltenden zusätzlichen Zölle werden europäische Nutzfahrzeughersteller hart treffen», warnt Müller.
Europas Autohersteller müssen möglicherweise mit verstärkter Konkurrenz aus den USA rechnen. Die EU wird US-Autos zollfrei nach Europa lassen, um den niedrigeren Zollsatz zu kompensieren. Bisher betrug der Einfuhrzoll 10 Prozent. Deutsche Hersteller wie BMW, die in den USA auch SUVs für den europäischen Markt produzieren, dürften von der Senkung profitieren.
Handel und Verbraucher
Laut dem Handelsverband Deutschland (HDE) sind bisher keine Preiserhöhungen im Einzelhandel aufgrund der US-Zölle zu erkennen. Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer, sagte, dass es jedoch zu früh für eine endgültige Bewertung sei, da der Deal auf EU-Ebene noch nicht formell umgesetzt wurde. Erhöhte Abgaben auf US-Produkte sind derzeit ausgesetzt – was gut für Verbraucher ist.
Katharina Gangl, Direktorin des Nürnberger Instituts für Marktentscheidungen, sagte: „Die Zölle drücken die Stimmung, beeinflussen das Konsumverhalten aber kaum.“ Marktexperte Thomas Els von der Agrarmarkt Informations-Gesellschaft sieht bei frischen Lebensmitteln noch keine Auswirkungen auf Preise oder Einkaufsverhalten.
BGA-Präsident Jandura glaubt, dass einige Preise für Verbraucher möglicherweise sogar sinken könnten, wenn bestimmte US-Waren zollfrei in die EU importiert werden dürfen. Dies hängt jedoch vom Ergebnis der Verhandlungen ab.
Maschinenbau
Der VDMA fühlt sich vom Maschinenbauverband komplett über den Tisch gezogen. Der Grund: Die Amerikaner erheben auf die 15 Prozent Basiszoll für Maschinen noch zusätzliche 50 Prozent Zoll für den enthaltenen Stahl- und Aluminiumanteil. Laut dem VDMA soll diese Praxis ab Dezember auf weitere Produkte ausgeweitet werden. Neben den erhöhten, bis zur Einfuhr unklaren Endpreisen kommt eine komplexe Zoll-Bürokratie mit umfangreichen Nachweispflichten zur Herkunft des verarbeiteten Metalls hinzu. Angesichts des Zollkonflikts, der wachsenden Konkurrenz aus China und der Schwäche bei industriellen Abnehmern rechnet die Branche mehrheitlich mit sinkenden oder stagnierenden Umsätzen.
Pharma
US-Zölle sind ein wichtiges Thema in der Pharmaindustrie, die etwa ein Viertel ihrer Exporte in die USA tätigt. In den USA sind die Arzneimittelpreise deutlich höher als in Europa. Laut dem Branchenverband VFA sollen im Jahr 2025 in den USA Pharmazeutika im Wert von etwa 600 Milliarden Dollar (rund 519 Mrd Euro) verkauft werden, mehr als doppelt so viel wie in Europa. Die Sorgen vor US-Zöllen auf Arzneimittel aus der EU sind daher groß, für die eine Obergrenze von 15 Prozent vorgesehen ist. Derzeit profitiert die Pharmaindustrie noch vom Hin und Her im Handelsstreit: In diesem Jahr sollen Umsatz, Produktion und Investitionen um etwa drei Prozent steigen – auch aufgrund von Exporten in die USA, die aufgrund von Zollängsten vorgezogen wurden und nun umgeleitete Lieferungen in die ursprünglichen Empfängerländer nachgeholt werden. Für das Jahr 2026 erwartet der VFA jedoch schlechtere Geschäfte.
Chemie
Hier ist der Zollstreit nur eine Sorge – neben teurer Energie, einer schwachen Nachfrage und einem weltweiten Überangebot an Basischemikalien. Von Januar bis August sank der Umsatz der Chemiebranche in Deutschland um 2,9 Prozent, auch im Ausland ging es bergab. «Besonders deutlich zeigte sich die Auftragsflaute in Nordamerika, wo neue US-Zölle den Absatz zusätzlich erschwerten», so der Branchenverband VCI. In die USA lieferte die Chemiebranche 2024 Erzeugnisse im Wert von 10,2 Milliarden Euro, ein Anteil von rund 8 Prozent. Für ihre Geschäfte insgesamt ist die Chemiebranche verhalten. Die Produktion soll 2025 um zwei Prozent sinken. «Weder im Inlands- noch im Auslandsgeschäft zeichnet sich derzeit eine Trendwende ab.»
Sind Trumps Zölle überhaupt rechtmäßig?
In den USA gibt es zunehmend Widerstand gegen Trumps Zollpolitik, mit Klagen von einem Dutzend Bundesstaaten. Zwei zusammenhängende Verfahren liegen jetzt beim Obersten Gericht der Vereinigten Staaten, um zu klären, ob der Präsident Zölle erheben kann, um den Import im Notfall zu regulieren. Es ist unklar, wie der Ausgang des Prozesses die Handelsvereinbarung zwischen der EU und den USA beeinflussen könnte. Die nächste Anhörung vor dem Obersten US-Gericht ist für den 5. November geplant.








