Zehntausende Wirecard-Aktionäre haben im Insolvenzverfahren Forderungen angemeldet, bisher mit niedrigen Chancen. Dank des OLG München dürfen sie nun hoffen – zumindest bis zum nächsten Urteil
50.000 Wirecard-Aktionäre dürfen auf ein wenig Geld hoffen
Nach einer neuen Entscheidung des Oberlandesgerichts München können gut 50.000 Wirecard-Aktionäre vorerst auf Entschädigung im Insolvenzverfahren hoffen. Der fünfte OLG-Senat hat entschieden, dass die Wirecard-Aktionäre ihre Forderungen im Insolvenzverfahren anmelden können. Gegen den Insolvenzverwalter Michael Jaffé geklagt hatte die Vermögensverwaltung Union Investment, die von 2015 bis 2020 Wirecard-Aktien für 33 ihrer Kunden gekauft hatte. Zuerst berichtete die «Süddeutsche Zeitung».
Abgeschlossen ist der Fall nicht. Es handelt sich um ein sogenanntes «Zwischenurteil», die Richter entschieden in dem Fall weder über die Begründung noch über die Höhe der von Union Investment angemeldeten Schadenersatzforderungen.
Im ersten Durchgang hatte das Landgericht München die Klage abgelehnt. Jetzt wird der Bundesgerichtshof (BGH) das letzte Wort haben. Insolvenzverwalter Jaffé möchte in Karlsruhe klären lassen, ob die Ansprüche von Aktionären den gleichen Rang haben wie die Forderungen von Gläubigern, die von einem insolventen Unternehmen Geld erhalten. Dies wurde von einem Sprecher Jaffés bestätigt. Das OLG betonte in seinem Zwischenurteil ebenfalls, dass bisher höchstrichterlich nicht entschieden wurde, ob Schadenersatzansprüche von Aktionären Insolvenzforderungen gemäß Insolvenzordnung sind.
Insgesamt handelt es sich um eine beträchtliche Summe: Laut OLG haben rund 50.000 Wirecard-Aktionäre Schadensersatzansprüche in Höhe von etwa 8,5 Milliarden Euro geltend gemacht. Die Wirecard-Gläubiger insgesamt fordern 15,4 Milliarden Euro. Bisher hat Insolvenzverwalter Jaffé 650 Millionen Euro aus der Insolvenzmasse gesichert. Es sei denn, es tauchen unerwarteterweise noch fehlende Milliarden auf, werden die Gläubiger also in jedem Fall nur einen kleinen Teil ihrer Forderungen erhalten.
Der Insolvenzverwalter priorisiert die Forderungen der Gläubiger. Der Grund: Wirecard schuldet sowohl den kreditgebenden Banken als auch den ehemaligen Angestellten viel Geld. Aktionäre haben zwar Kursverluste erlitten, aber dem Unternehmen weder Geld geliehen noch sonstige Leistungen erbracht, bei denen Wirecard zahlungsunfähig geworden wäre. Wenn die Aktionäre gleichberechtigte Ansprüche hätten, bliebe für die Gläubiger viel weniger Geld übrig, argumentiert Jaffé.
Der Zusammenbruch des Dax-Konzerns im Sommer 2020 führte neben dem Strafverfahren zu Hunderten von Zivilklagen. Viele dieser Klagen sind Schadenersatzklagen von ehemaligen Wirecard-Aktionären und -Anlegern gegen den seit Sommer 2020 in Untersuchungshaft sitzenden ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Markus Braun und die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY, die die angeblich falschen Wirecard-Bilanzen testiert hatte.