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Abwracken von Schiffen in Asien beschäftigt Justiz zunehmend

Hunderte alte Schiffe landen Jahr für Jahr in Asien am Strand. Sie werden dort von Arbeitern zerlegt – oft unter schlimmen Bedingungen. Kritiker sprechen von einem «Umwelt- und Menschenrechtsskandal».

Große Schiffe wurden an der Küste vor Gadani in Pakistan auf Grund gesetzt, damit sie abgewrackt werden können.
Foto: Ppi/Zuma Press/dpa

Das Abwracken ausgedienter Schiffe an Stränden in Asien beschäftigt zunehmend die Justiz in Norddeutschland.

Im Zusammenhang mit einem Verfahren gegen zwei Verantwortliche einer Rendsburger Reederei sind nun auch drei Verantwortliche der Hamburger Reederei Peter Döhle Schiffahrts-KG ins Visier der Staatsanwaltschaft Kiel geraten. Sie sollen als zwischengeschaltete Makler geholfen haben, ein Containerschiff zur Verschrottung nach Alang in Indien zu bringen. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Kiel bestätigte die Ermittlungen am Mittwoch auf Anfrage, nannte jedoch keine Namen.

Nach Recherchen des NDR und der «Süddeutschen Zeitung» soll es sich um die Inhaber der Reederei, Jochen und Christoph Döhle, sowie die Geschäftsführerin Gaby Bornheim handeln. Bornheim ist seit Dezember auch Präsidentin des Verbandes Deutscher Reeder (VDR).

Die Reederei wollte sich unter Verweis auf ein laufendes Ermittlungsverfahren nicht äußern. «Wir dürfen versichern, dass wir an einer lückenlosen Aufklärung der gegen uns erhobenen Vorwürfe interessiert sind und in vollem Umfang mit den Ermittlungsbehörden kooperieren», teilte sie auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur schriftlich mit.

Verband will keine Stellung abgeben

Der VDR will grundsätzlich keine Stellung zu Angelegenheiten von Mitgliedsunternehmen nehmen. «Uns ist allerdings wichtig, festzuhalten, dass gegen Frau Dr. Bornheim nicht in ihrer Eigenschaft als Präsidentin des VDR ermittelt wird», betonte der Verband. Es sei bedauerlich, dass die Ermittlungen bereits jetzt öffentlich bekannt geworden seien. «Für Vorverurteilungen gibt es keine Grundlage.»

In dem Rendsburger Fall ist bereits Anklage gegen die beiden Beschuldigten erhoben worden. Für die Justiz handelt es sich um ein «Pilotverfahren», wie der Sprecher der Staatanwaltschaft sagte. Demnach ist zuvor noch kein Fall illegaler Schiffsverschrottung in Deutschland vor Gericht gelandet.

Wegen eines ähnlichen Verdachts ermittelt auch die Hamburger Staatsanwaltschaft seit längerem gegen mehrere Unternehmer. Sie sollen drei Schiffe im Wissen darum verkauft haben, dass diese in Pakistan auf einen ungesicherten Strand gefahren und dort unter umweltgefährdenden Umständen abgewrackt wurden.

In der EU streng geregelt

Formal handelt es sich bei diesem in der Branche «Beaching» genannten Verfahren um Verstöße gegen das Abfallverbringungsgesetz, für die laut Staatsanwaltschaft eine Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren vorgesehen ist. In der EU ist das Abwracken alter Schiffe streng geregelt. Diese dürfen nur in von der EU zertifizierten Einrichtungen recycelt werden; die Anlagen selbst dürfen sich auch außerhalb der Union befinden. Andernfalls wäre ein direkter Export des Schrottschiffes illegal. Das Problem für Ermittler: Sie haben nur Zugriff, wenn sie nachweisen können, dass ein Schiff direkt aus Deutschland in eine nicht zertifizierte Anlage beispielsweise in Asien geschafft wurde. Die oft komplizierten Besitzverhältnisse bei Schiffen können zusätzlich die Ermittlungen erschweren.

Die internationale Nichtregierungsorganisation Shipbreaking Platform prangert seit Jahren Umweltschäden, Menschenrechtsverletzungen, Kinderarbeit, Krankheits- und Todesfälle sowie Unfälle im Zusammenhang mit der Abwrackung von Altschiffen via «Beaching» an. Allein 2021 sind laut der Organisation 583 der größten Tanker, Massengutfrachter, schwimmenden Plattformen, Fracht- und Passagierschiffe an den Stränden Bangladeschs, Indiens und Pakistans gelandet. Alte Schiffe sind – vor allem angesichts der derzeit hohen Stahlpreise – für Schrotthändler ein begehrtes Gut.

Eigentlich sollte das umweltgerechte und sichere Abwracken längst global geregelt sein. Auf dem Papier gibt es schon seit 2009 ein internationales Abkommen darüber, das von Deutschland 2019 ratifiziert wurde. Allerdings tritt diese so genannte Hongkong-Konvention erst in Kraft, wenn mindestens 15 Staaten mit 40 Prozent der weltweiten Handelsflotten-Tonnage beigetreten sind. Mittlerweile sind zwar schon 17 Länder dabei, die aber erst knapp 30 Prozent der Tonnage repräsentieren. Von den – laut Weltschifffahrtsorganisation IMO – Top Fünf der Schiffsrecycler haben mit Indien und der Türkei erst zwei unterzeichnet, Bangladesch, Pakistan und China noch nicht.

dpa