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Autozulieferer ZF auf Schrumpfkurs

ZF im Krisenmodus: Hohe Schulden und Investitionsdruck machen dem Konzern zu schaffen. Der Automobilzulieferer will in den nächsten vier Jahren Tausende Stellen streichen – und so die Kurve kriegen.

Bis zu 14.000 Stellen könnten in den kommenden Jahren bei Autozulieferer ZF wegfallen. (Archivbild)
Foto: Martin Schutt/dpa

Bittere Nachrichten vom Bodensee: Der Autozulieferer ZF will in den kommenden Jahren bis zu 14.000 Stellen in Deutschland streichen. Die 35 Standorte in Deutschland sollen schrumpfen, zugleich größere Verbünde und schlankere Strukturen entstehen. Das Wort Stellenabbau vermeidet das Traditionsunternehmen, das mit dem Wandel zur Elektromobilität und hohen Schulden zu kämpfen hat. Stattdessen ist von «Stärken stärken» die Rede. Der Plan soll bis Ende 2028 umgesetzt werden.

Der Stellenabbau fällt auch höher aus als vom ZF-Gesamtbetriebsrat ursprünglich erwartet. Anfang des Jahres sei noch ein Abbau von bis zu 12.000 Stellen in Deutschland bis 2030 im Raum gestanden, hieß es. Das Szenario aus dem Januar werde mit der Verlautbarung des Vorstands erheblich verschärft. Der Unmut bei den Beschäftigten war schon damals groß.

Großer Teil soll in Produktion gestrichen werden

Aktuell sind in Deutschland 54.000 Menschen bei dem Stiftungsunternehmen beschäftigt. Mindestens 11.000 Jobs sollen wegfallen – und damit nahezu jede fünfte Stelle. Ein großer Teil soll in der Produktion gestrichen werden, weitere in Forschung und Entwicklung sowie der Verwaltung. Welchen Standort es wie treffen wird, ist noch unklar. «Wir werden um jeden einzelnen Arbeitsplatz kämpfen», teilte ZF-Betriebsratschef Achim Dietrich mit. 

ZF-Vorstandschef Holger Klein hatte bereits im April angekündigt, dass die Zahl der Beschäftigten in Deutschland perspektivisch nicht zu halten sein wird. Andere große Automobilzulieferer aus Deutschland wie Bosch und Continental hatten in den vergangenen Monaten ebenfalls Stellenstreichungen gemeldet, aber nicht in diesem Ausmaß.

Werksschließungen möglich

«Unsere unternehmerische Verantwortung ist, ZF zukunftsfähig auszurichten und die Standorte in Deutschland so weiterzuentwickeln, dass sie nachhaltig wettbewerbsfähig und solide aufgestellt sind», betonte der ZF-Vorstandschef nun. «Uns ist bewusst, dass wir dazu auch schwierige, aber notwendige Entscheidungen treffen müssen.» Dabei wolle man bestmögliche Lösungen für alle Beteiligten finden. 

Wie viele Stellen genau bis 2028 gestrichen werden sollen, ist noch unklar – und hängt auch von der Entwicklung der Märkte ab. «Die Reduzierung soll soweit möglich sozialverträglich geschehen, indem ZF die demografische Struktur der Belegschaft und die Fluktuation nutzt.» Betriebsbedingte Kündigungen schließt der Konzern nicht aus. Abfindungsprogramme seien ebenfalls denkbar. Das Unternehmen will unprofitable Werke möglicherweise schließen – wie im vergangenen Jahr für das Werk in Gelsenkirchen angekündigt.

Problem bei Wandel zu E-Mobilität

ZF erwartet, dass die Nachfrage nach einem seiner Hauptprodukte, den Getrieben, zurückgeht. Diese werden in Elektroautos nicht benötigt. Auch die Abteilung für elektrifizierte Antriebstechnologien bereitet den Friedrichshafenern Sorgen. Wie andere deutsche Zulieferer hat ZF viel Geld in die Entwicklung von Elektromotoren, Software und Komponenten investiert. Der Wettbewerb ist jedoch hart. Darüber hinaus werfen die Technologien derzeit kaum Geld ab – auch aufgrund der schwachen Nachfrage nach Elektroautos. Dies führt zu Überkapazitäten in den hoch investierten Produktionslinien.

Deshalb soll Abläufe, Prozesse und Strukturen dieses Geschäftsbereichs besonders unter die Lupe genommen werden. «Trotz der aktuellen Marktsituation ist klar: Der Elektromobilität gehört die Zukunft. Wir sind hier in Vorleistung gegangen und werden in diesen Bereich auch weiterhin stark investieren», sagte ZF-Chef Klein. Wegen der veränderten Marktperspektive müsse man aber auch für Kooperationen offen sein – und diese prüfen.

Schulden und Sparkurs 

Das Unternehmen mit hohen Schulden hat erst im Frühjahr ein strenges Sparprogramm eingeführt. Es wurde angekündigt, dass die Kosten weltweit in diesem und im nächsten Jahr um etwa sechs Milliarden Euro gesenkt werden sollen. Dies ist auch erforderlich, um den digitalen Wandel bewältigen zu können.

Die hohen Schulden des Konzerns sind der Hauptgrund für die Sparmaßnahmen. Im letzten Jahr beliefen sie sich auf zehn Milliarden Euro. ZF hatte das Geld hauptsächlich für den Kauf des Autozulieferers TRW und des Bremsenspezialisten Wabco geliehen. Die Zinswende hat den Konzern zusätzlich belastet. Derzeit zahlt er Hunderte Millionen Euro für den Schuldendienst.

Das begrenzt die Handlungsspielräume von ZF: Der Zulieferer, der größtenteils der Zeppelin-Stiftung der Stadt Friedrichshafen gehört, muss trotz der Schwäche bei Elektroautos erheblich investieren, um mit der Konkurrenz mithalten zu können. Allein in den nächsten drei Jahren plant ZF weltweite Zukunftsinvestitionen von etwa 18 Milliarden Euro, beispielsweise in Forschung und Entwicklung. Bis zu 30 Prozent könnten nach Deutschland fließen.

Verkauf der Sicherheitstechnik geplant

Der Rotstift wird nicht nur bei den Personalkosten angesetzt. Bei ZF wird bereits seit einiger Zeit an verschiedenen Stellen gespart – und sogar der Verkauf der Sicherheitstechnik-Sparte ist geplant. Dadurch soll die Schuldenlast des Konzerns signifikant reduziert werden. ZF hatte diesen Schritt bereits im Herbst 2022 angekündigt, jedoch war der Zeitpunkt für einen Verkauf oder Börsengang zuletzt unklar. Die Sparte produziert hauptsächlich Sicherheitsgurte und Airbags und trug 2023 rund ein Zehntel des ZF-Umsatzes von etwa 46,6 Milliarden Euro bei.

Rund 169.000 Menschen arbeiten weltweit für ZF. Am Bodensee sind etwa 10.300 Menschen beschäftigt. Etwa 4900 von ihnen haben eine Beschäftigungssicherung bis Juni 2028. ZF hat mehr als 160 Produktionsstandorte in 31 Ländern. In der kommenden Woche plant das Unternehmen, seine Halbjahreszahlen zu veröffentlichen.

dpa