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Warum die 99-Cent-Butter für Ärger sorgt

Traktoren rollen vor die Lidl-Zentrale und an anderen Standorten des Discounters: Die Bauern protestieren gegen Billig-Butter und fordern faire Preise. Der Handel sieht die Ursache woanders.

Laut Polizei demonstrierten Landwirte mit rund 140 Traktoren.
Foto: Marijan Murat/dpa

Landwirte protestierten mit Traktoren vor der Lidl-Zentrale in Bad Wimpfen (Baden-Württemberg) gegen die Preispolitik des Discounters, da die Preise vor allem für Milch und Butter sinken und Warnleuchten sowie blockierte Straßen die Situation kennzeichnen.

Ähnliche Proteste gab es auch an anderen Orten in Deutschland, etwa im sächsischen Radeburg sowie in Cloppenburg (Niedersachsen). Die Bauern nehmen den Preisverfall als existenzbedrohend wahr. «Ist der Bauer ruiniert, wird dein Essen importiert», steht auf einem Schild. Was steckt dahinter?

Wogegen protestieren die Bauern? 

Lidl verramsche Lebensmittel wie Butter und Milch, wirft Christian Coenen, Vorstandschef des Vereins «Land schafft Verbindung», dem Discounter vor. «Und wenn Lebensmittel zur Ramschware werden, dann wird es Zeit, dass wir etwas dagegen unternehmen», sagte der Ackerbauer in Bad Wimpfen. «Wenn die Butter für 99 Cent angeboten wird, was soll da noch beim Bauern auf dem Hof ankommen?»

In einer Online-Petition wirft der Verein, ein Zusammenschluss aus Landwirten, den Lebensmitteleinzelhändlern im Deutschland «unlautere Handelspraktiken» vor. Lebensmittel unter ihren Produktionskosten zu verkaufen, untergrabe die wirtschaftliche Grundlage der landwirtschaftlichen Produktion, heißt es dort. 

Wovon hängt der Butterpreis ab?

„Die Butter ist so billig wie lange nicht mehr. Die Handelsketten haben die Preise kürzlich erneut gesenkt. Dies hängt insbesondere vom günstigen Milchpreis auf dem Weltmarkt ab. In den Molkereien wurde zuletzt mehr Milch geliefert als im Vorjahreszeitraum, zudem ist der Fettgehalt gestiegen. Dadurch wird weniger Milch benötigt, um ein Kilogramm Butter herzustellen – und es steht mehr Milch für Butter oder andere Produkte zur Verfügung.“

Lebensmittelhändler verwenden Mischkalkulationen. Die Margen variieren je nach Artikel. Besonders attraktiv sind sogenannte Eckpreisartikel wie Butter, da hier die Preise sehr genau beobachtet werden. Oft werden sie von den Ketten zu einem reduzierten Preis angeboten, um Kunden anzulocken.

Wie reagiert Lidl auf die Vorwürfe?

Lidl Deutschland teilte mit, die aktuelle Preissenkung bei Butter sei eine notwendige Reaktion auf die derzeitige Ausnahmesituation am Rohstoffmarkt. «Seit September verzeichnen wir ein deutliches Überangebot an Rohmilch im Vergleich zum Vorjahresniveau», hieß es. Flössen diese Mengen nicht ab, drohe möglicherweise ein noch stärkerer Preisverfall.

Lidl sei nur ein Abnehmer von vielen. Ein Teil des aktuellen Überangebots werde ins Ausland exportiert: «Die Lage der Landwirte ist somit maßgeblich von den Weltmarktpreisen abhängig, die dieses Jahr deutlich unter dem Vorjahr liegen.» Die Ursachen dieser angespannten Marktsituation liege daher nicht beim Lebensmitteleinzelhandel, sondern am Überangebot.

Um dazu beizutragen, diesen «Mengenstau» aufzulösen, habe man den Preis gesenkt, um so bei Kundinnen und Kunden Anreize zum Kauf von Butter zu setzen. «Durch die Preisanpassung konnten wir eine deutlich gesteigerte Nachfrage nach Butter erzielen und so bereits einen Teil des Überangebots reduzieren», so Lidl. 

Was sagt die Politik?

Auch die Politik ist besorgt. In Baden-Württemberg hat Landwirtschaftsminister Peter Hauk (CDU) für Mitte Januar Vertreter des Einzelhandels, des Handelsverbands und der Bauernverbände zu einem Gespräch eingeladen. «Hinter gut gefüllten Regalen mit Lebensmitteln stehen viele bäuerliche Familienbetriebe», sagte er. «Bei aller Freiheit und den Gesetzen des Marktes müssen wir dafür Sorge tragen, dass unsere Landwirtinnen und Landwirte von ihrer Arbeit, von ihren hochwertigen Produkten leben können.» 

Wie stehen die Milchbauern da? 

Verglichen mit vielen anderen Betriebszweigen war die Milchviehhaltung im abgelaufenen Wirtschaftsjahr 2024/25 zunächst recht stabil. Laut Daten des Deutschen Bauernverbandes lag das durchschnittliche Unternehmensergebnis bei rund 115.300 Euro, was deutlich über dem Gesamtdurchschnitt der Betriebe in Deutschland lag. Dies war hauptsächlich auf über weite Strecken höhere Preise zurückzuführen, die den Betrieben nach einem schwierigen Vorjahr etwas Entlastung brachten.

Angesichts der Marktentwicklung seien die Milchbauern aber verunsichert, sagte Bauernpräsident Joachim Rukwied in Stuttgart. Das Plus aus dem Vorjahr werde durch den Preisdruck der Handelsketten gefährdet. Die derzeitige Entwicklung gehe über die normale Marktdynamik hinaus. «Was wir aktuell erleben, ist kein Marktmechanismus mehr, sondern ein von einem Discounter entfachter Kampf um den günstigsten Preis», sagte er. Der aktuell ausgerufene Preis von 99 Cent für ein Päckchen Butter sei inakzeptabel. 

«Für uns Milchviehhalter bedeuten solche Preise ein wirtschaftliches Desaster», sagte kürzlich der Sprecher des Bundesverbandes Deutscher Milchviehhalter, Hans Foldenauer. In der ersten Jahreshälfte 2025 erhielten die Landwirte im Bundesdurchschnitt laut Foldenauer rund 53 Cent pro Kilo Rohmilch. Die Produktionskosten lagen im Juli bei 53,53 Cent pro Kilo und hätten damit «gerade so abgedeckt» werden können. Seit dem Sommer sind die Erzeugerpreise demnach aber gefallen – auf zuletzt durchschnittlich 46 Cent. 

Wird das Bundeskartellamt eingeschaltet?

Der Bauernverband aus Bayern möchte die Butterpreise vom Bundeskartellamt prüfen lassen. Der Preisverfall sei eventuell nicht erlaubt, teilte der Verband vor kurzem mit. Rukwied äußerte sich zur Angelegenheit zurückhaltend. Man setze auf Kooperation und fordere den Einzelhandel auf, seiner Verantwortung gerecht zu werden.

dpa