Im Sommer geriet Deutschlands führender Agrarhändler an den Rand der Zahlungsunfähigkeit. Preis der Rettung sind die Schrumpfung und der Verlust vieler Arbeitsplätze.
Baywa vereinbart Rettungsplan – erste große Schritte
Beim stark verschuldeten Münchner Mischkonzern Baywa stehen die ersten bedeutenden Schritte zur angestrebten finanziellen Erholung unmittelbar bevor. Der Vorstand gab am Wochenende bekannt, dass das Unternehmen sich mit den maßgeblichen Gläubigerbanken und den beiden Hauptaktionären auf den Zeitplan zur Sanierung bis zum Jahr 2027 geeinigt hat.
Die Sanierungsvereinbarung muss bis spätestens Ende April 2025 rechtsverbindlich abgeschlossen sein, einschließlich einer Neugestaltung der Finanzierung. Der Konzern hatte Ende des dritten Quartals eine Verschuldung von knapp 5,3 Milliarden Euro bei seinen Gläubigerbanken, die aus einer schnellen Expansion auf Pump im vergangenen Jahrzehnt resultierte.
Kapitalerhöhung über 150 Millionen Euro
Die Baywa, die aus der Genossenschaftsbewegung hervorgegangen ist, ist der größte Agrarhändler in Deutschland. Der Konzern spielt eine bedeutende Rolle für die Landwirtschaft und Lebensmittelversorgung im Süden und Osten Deutschlands. Zudem ist das 101 Jahre alte Unternehmen als Dienstleister und Händler in den Geschäftsbereichen Bau und Energie tätig.
Ein Element des Sanierungskonzepts beinhaltet die Emission von neuen Aktien. Die geplante Barkapitalerhöhung mit Bezugsrecht für die bestehenden Baywa-Aktionäre soll dem Unternehmen einen Betrag von 150 Millionen Euro einbringen. Die genauen Einzelheiten sollen bis zum ersten Quartal 2025 festgelegt werden. Im Verlauf der ersten neun Monate dieses Jahres verzeichnete der Konzern einen Nettoverlust von fast 641 Millionen Euro.
Große Unternehmensbeteiligung in Österreich wird verkauft
Die erwartete Verkleinerung der Baywa hat begonnen: Bis Ende März plant das Unternehmen, seinen knapp 48-prozentigen Anteil an der Raiffeisen Ware Austria (RWA) für 176 Millionen Euro zu verkaufen, dem österreichischen Pendant der Baywa. Bisher sind die Unternehmen in einer verschachtelten Konstruktion über Kreuz aneinander beteiligt.
Der Anteil von Baywa an der RWA soll nun nach Österreich zurückkehren und von einem Verbundunternehmen der Vermögensverwaltung der RWA-Gruppe übernommen werden. “Der dazugehörige Vertrag ist bereits unterzeichnet, aber die kartellrechtliche Genehmigung steht noch aus.”
Ökostrombeteiligung könnte ebenfalls schrumpfen
Die Mehrheitsbeteiligung an einer Gesellschaft, die sich zum größten Problem des Konzerns entwickelt hat, steht ebenfalls zur Disposition: die auf Planung und Bau von Solar- und Windkraftanlagen spezialisierte Baywa r.e..
Laut einer Investorenpräsentation hätte das Unternehmen in den ersten neun Monaten ohne das Ökostromgeschäft sogar noch ein positives Ergebnis vor Steuern und Zinsen erzielt.
Die Muttergesellschaft Baywa AG besitzt 51 Prozent der Baywa r.e., während die Schweizer Investmentgesellschaft Energy Infrastructure Partners (EIP) Minderheitsgesellschafterin ist.
Die Gesellschafter der Baywa r.e. befänden sich in fortgeschrittenen, aber noch nicht abgeschlossenen Gesprächen über eine weitere Kapitalstärkung, «die zu einem Kontrollwechsel zu Gunsten von EIP» führen könnte, machte der Konzern in einer ergänzenden Mitteilung publik. «Die Parteien verhandeln ergebnisoffen weiter und streben eine Vereinbarung im Laufe des ersten Quartals 2025 an.»
Stellenabbau und Verkäufe
Die Baywa hatte Anfang Dezember bekannt gegeben, dass sie plant, bedeutende Beteiligungen zu verkaufen. Neben Baywa r.e. und RWA gehören dazu der neuseeländische Apfelproduzent Turners & Growers und die niederländische Agrarhandelsgruppe Cefetra. Bezüglich der Zukunft dieser beiden Beteiligungen hat die Baywa am Wochenende jedoch noch keine Informationen preisgegeben.
Konzern hat sich übernommen
Das Geschäft mit Ökostrom sowie die Beteiligungen an Cefetra und T&G wurden von der Baywa erst im Verlauf des letzten Jahrzehnts unter der Führung des ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Klaus Josef Lutz – heute Präsident des Bayerischen Industrie- und Handelskammertags (BIHK) – aufgebaut oder erworben. Die Schulden aus dieser durch Kredite finanzierten Expansion haben sich zu einem Mühlstein für das Unternehmen entwickelt.
Im September 2025 wäre nach den ursprünglichen Vereinbarungen mit den Gläubigerbanken ein Konsortialkredit mit einem Rahmen von bis zu zwei Milliarden Euro fällig geworden. Abgesehen davon führte der vom Management nicht erwartete rapide Anstieg der Kreditzinsen seit 2022 zu einer Verdreifachung der jährlich fälligen Zinszahlungen.
Bis spätestens Ende April sollen neue Finanzierungsverträge für die Zeit bis zur erhofften finanziellen Gesundung im Jahr 2027 abgeschlossen werden. Laut Baywa unterstützen «nahezu alle der rund 300 Finanzgläubiger» die Sanierungsbemühungen.
Die Belegschaft zahlt den Preis
Der Preis der fehlgeschlagenen Expansionsstrategie ist jedoch nicht nur die geplante Verkleinerung des Konzerns: Anfang Dezember kündigte die Baywa einen massiven Stellenabbau an. Von den 8.000 Vollzeitstellen der Muttergesellschaft Baywa AG sollen 1.300 gestrichen werden, was 16 Prozent der Vollzeit-Arbeitsplätze des Konzerns in Deutschland entspricht.
Die Baywa, die in 60 Ländern präsent ist, beschäftigt weltweit über 23.000 Mitarbeiter. Aufgrund der angekündigten Verkäufe von Unternehmensbereichen wird auch die Belegschaft im Ausland schrumpfen.