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Ernährungsreport: Deutsche wollen weniger Zucker und mehr Transparenz

Käufer legen Wert auf Tierwohl, Regionalfenster und EU-Bio-Siegel. Flexitarier Markt wächst, Geschmack bleibt wichtig.

Der Wunsch nach mehr Transparenz müsse beachtet werden, sagt Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) bei der Vorstellung des Ernährungsreports 2024 in Berlin.
Foto: Kay Nietfeld/dpa

Die Konsumenten in Deutschland wollen bei Lebensmitteln weniger Zucker und mehr Transparenz über Inhaltsstoffe und Herstellung – vor allem aber guten Geschmack. Dabei achten Käufer nach Darstellung des Bundeslandwirtschaftsministeriums stärker als in früheren Jahren auf Tierwohl, Regionalfenster und das EU-Bio-Siegel. Das ist das Ergebnis des neuen Ernährungsreports «Deutschland, wie es isst», den Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir jüngst in Berlin vorstellte.

Der Grünen-Politiker warnte vor kulturkämpferischen Debatten und einem zunehmend aggressiven Ton im Streit ums Essen. «Der größte wachsende Bereich ist nicht vegetarisch-vegan, sondern das sind die sogenannten Flexitarier, die einfach entweder temporär Vegetarier sind oder sagen, ich reduziere meinen Fleischkonsum und esse bewusst Fleisch und achte dann vielleicht im Idealfall auch darauf, wo das Fleisch herkommt», sagte Özdemir. «Und das ist ein riesiger Markt.»

Beim Zucker wünschen sich nur sechs Prozent keine Veränderung

Bei vielen Lebensmitteln darf es laut Report, der seit 2015 jährlich erscheint, «auch etwas weniger süß schmecken»: Mehr als vier Fünftel der Befragten (85 Prozent) befürworten demnach, wenn Fertiglebensmitteln weniger Zucker zugesetzt wird. Für sieben Prozent sollte die fehlende Süße durch Süßungsmittel – die fast oder ganz kalorienfrei sind – ausgeglichen werden. Sechs Prozent wünschen keine Veränderungen.

«Wir wissen, dass zum Beispiel Softdrinks der exakt selben Marke in unterschiedlichen Ländern unterschiedliche Rezepturen und Zuckeranteile haben und die verkaufen dort nicht schlechter», sagte Özdemir. «Ich glaube jetzt nicht, dass die Geschmacksnerven der Bundesbürger ganz anders sind, beispielsweise wie die in Großbritannien.»

Özdemir: Bürger brauchen keine Belehrungen

Der Wunsch nach mehr Transparenz müsse beachtet werden, betonte er. «Unsere Bürgerinnen und Bürger entscheiden selbst, wie sie sich ernähren, da braucht es von niemandem Belehrungen oder Vorschriften.» Die Menschen wollten «echte Wahlfreiheit, das unterstützen wir – und zwar anhand von validen Daten».

Für den Ernährungsreport wurden im Mai 2024 rund 1.000 Menschen in Deutschland ab 14 Jahren vom Meinungsforschungsinstitut Forsa befragt. Laut Angaben des Ministeriums achten fast doppelt so viele Menschen wie 2015 beim Einkauf auf das Tierwohllabel: Die Zahl stieg von 36 Prozent auf 65 Prozent. Beim EU-Bio-Siegel stieg der Anteil im gleichen Zeitraum von 47 auf 59 Prozent. Auch kaufen mit 39 Prozent deutlich mehr Menschen öfter vegetarische oder vegane Alternativen zu tierischen Produkten. Im Jahr 2020 lag dieser Wert bei 29 Prozent.

Es muss vor allem schmecken

Bei 99 Prozent der Befragten ist der Geschmack – wie auch in den Vorjahren – sehr wichtig oder wichtig. Dies gilt für alle Altersgruppen und für Männer und Frauen gleichermaßen. An zweiter Stelle steht die gesunde Ernährung, die für 91 Prozent (sehr) wichtig ist. Frauen legen mit 97 Prozent mehr Wert darauf als Männer (85 Prozent).

Die Entscheidung zum Kauf hängt auch vom Geld ab. Die unter 30-Jährigen sind preisbewusster als die über 60-Jährigen: 71 Prozent von ihnen geben an, dass sie beim Einkaufen auf den Preis achten. Bei den über 60-Jährigen sind es 51 Prozent. Hohe Zustimmungsraten zu Zielen wie Nachhaltigkeit und Tierwohl spiegeln sich grundsätzlich nicht in gleichem Maße an der Kasse wider.

Der Bericht behandelt auch die Erwartungen an die Politik. 88 Prozent stimmen der Aussage voll und ganz oder eher zu, dass die Politik sich mehr für eine artgerechte Tierhaltung einsetzen sollte. 75 Prozent sind der Meinung, dass es für den Klimaschutz wichtig ist, dass weniger Fleisch konsumiert wird. 50 Prozent sind der Ansicht, dass in Restaurants und Kantinen zu wenige Gerichte mit oder aus Bio-Lebensmitteln angeboten werden.

Umfrage: Marktanteil von als gesund geltenden Lebensmitteln wird zunehmen

Laut einer repräsentativen Umfrage der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC wird das Thema Ernährung und Gesundheit bei den Konsumenten weiter an Bedeutung gewinnen. Immer mehr Menschen setzen demnach auf einen bewussten, gesunden Lebensstil, der sich auch durch ausgewogenes Essen auszeichnet. «Im Bereich der Lebensmittel wird der Marktanteil von Produkten, die als gesund gelten, bis 2030 weiter zunehmen», sagte der Handels- und Konsumexperte von PwC, Christian Wulff. 

Laut Wulff vollzieht sich bis 2030 in Deutschland ein Generationenwechsel: Die Babyboomer-Generation verlässt den Arbeitsmarkt, während die Generation Z ins Berufsleben eintritt. Dadurch ändern sich beim Konsum andere Vorlieben, zum Beispiel in Bezug auf Nachhaltigkeit. Derzeit geben vier von zehn Befragten in einer Umfrage an, dass sie künftig bewusster einkaufen werden, um die Auswirkungen ihres Konsums auf den Klimawandel zu reduzieren.

dpa