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Bezahlt Bulgarien bald mit Euro und Cent?

Seit Jahren bemüht sich Sofia um die Aufnahme in den Club der Euroländer. 2026 könnte es klappen. Gut findet das nicht jeder.

Bulgarien hofft auf Aufnahme in den Club der Eurostaaten (Symbolbild)
Foto: Arne Dedert/dpa

Eigentlich wollte Bulgarien den Euro schon 2024 einführen. Doch weil die Inflation zu hoch war, gab es bislang ein «Nein» aus Brüssel in Richtung Sofia. Nun könnte die EU-Kommission grünes Licht geben: Heute will die Brüsseler Behörde ihren sogenannten Konvergenzbericht vorlegen. Darin wird geprüft, wo EU-Länder ohne Euro bei der Erfüllung der Kriterien zur Einführung der Gemeinschaftswährung stehen.

Warum will Bulgarien den Euro einführen?

«Der Beitritt zur Eurozone ist eine Möglichkeit, dass Bulgarien reicher wird», werben das Finanzministerium und die Nationalbank BNB in Sofia in einer Informationskampagne. Der Euro werde dem Fremdenverkehr helfen und bulgarischen Herstellern den Handel mit Europa und der Welt erleichtern.

Das pro-westliche Koalitionskabinett, das seit Januar im Amt ist, strebt an, dass Bulgarien am 1. Januar 2026 dem Euroraum beitritt. Bulgarien ist seit 2007 EU-Mitglied. Allerdings ist seine Nationalwährung Lew (Löwe) bereits seit 1999 im Verhältnis von 1,95583 Lew für einen Euro an den Euro gekoppelt. Nach einer Finanz- und Währungskrise war der Lew bereits seit 1997 im Verhältnis 1:1 an die D-Mark gekoppelt.

Wieso hat es bislang nicht geklappt?

Ursprünglich war die Einführung des Euro in Bulgarien für Anfang 2024 geplant. Aufgrund der damals vergleichsweise hohen Inflationsrate von 9,5 Prozent musste der Beitritt zur Eurozone verschoben werden. Die EU-Kommission war der Ansicht, dass das Kriterium der Preisstabilität nicht erfüllt war. In ihrer aktuellen Konjunkturprognose prognostizierte die EU-Kommission eine Inflationsrate von 3,6 Prozent für Bulgarien in diesem Jahr und 1,8 Prozent im Jahr 2026.

Bulgarien bleibt auch im Jahr 2024 eines der ärmeren EU-Länder und hat das niedrigste Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf der Bevölkerung. Trotz höherer Wachstumsraten als anderswo lag die Pro-Kopf-Wirtschaftsleistung im vergangenen Jahr laut vorläufigen Angaben von Eurostat 34 Prozent unter dem EU-Durchschnitt.

Die EU-Kommission prognostizierte zuletzt ein Wirtschaftswachstum von 2,0 Prozent in diesem Jahr und von 2,1 Prozent im Jahr 2026. Die Arbeitslosenquote wird voraussichtlich in Bulgarien in diesem Jahr weiter auf 4,0 Prozent sinken und im nächsten Jahr auf 3,8 Prozent.

Das Reichtum in dem Balkanland ist sehr ungleich verteilt, die Kluft zwischen Arm und Reich ist groß. Der Mindestlohn beträgt 1.077 Lewa (626,83 Euro) pro Monat. Laut Finanzministerin Temenuschka Petkowa entfallen 30 Prozent der Wirtschaft auf die Schattenwirtschaft.

Was sind die Bedingungen für den Beitritt zum Euro?

Um dem Euro beizutreten, müssen bestimmte Kriterien erfüllt sein. Dazu gehören Preisstabilität, solide öffentliche Finanzen und stabile Wechselkurse. Die Inflation darf beispielsweise nicht außer Kontrolle geraten, um den Wert des Geldes zu bewahren und seine Kaufkraft zu erhalten.

Die Euro-Beitrittskandidaten müssen auch belegen, dass sie ihre Staatsverschuldung im Griff haben. Und sie müssen sicherstellen, dass der Wechselkurs ihrer Landeswährung stabil bleibt, damit Unternehmen beispielsweise langfristig planen können.

Wer entscheidet über den Euro-Beitritt eines Landes?

Die Europäische Zentralbank (EZB) und die EU-Kommission überprüfen regelmäßig die Fortschritte der Euro-Beitrittskandidaten bei den sogenannten Konvergenzkriterien – mindestens einmal alle zwei Jahre oder auf Antrag eines EU-Staats, der den Euro noch nicht eingeführt hat.

Letztendlich entscheidet der Rat der Europäischen Union, ob ein Land bereit für den Euro ist. Vertreter aus allen EU-Ländern treffen diese Entscheidung auf der Grundlage eines Vorschlags der EU-Kommission und nach Anhörung des Europäischen Parlaments.

Gibt es weitere EU-Länder ohne Euro?

Zurzeit verwenden 350 Millionen Menschen in 20 europäischen Ländern die Gemeinschaftswährung. Kroatien wurde am 1. Januar 2023 als bisher letztes Land in den Kreis der Eurostaaten aufgenommen. Bulgarien wäre somit das 21. Land im Euro-Club.

Gemäß den EU-Verträgen sind alle EU-Mitgliedstaaten außer Dänemark verpflichtet, dem Euro-Währungsgebiet beizutreten, sobald sie die erforderlichen Bedingungen erfüllen. Die Einführung der Gemeinschaftswährung steht außer in Bulgarien auch noch in Polen, Rumänien, Schweden, Tschechien und Ungarn aus.

Gibt es Kritiker in Bulgarien? 

Die prorussische nationalistische Partei Wasraschdane (Wiedergeburt) ist gegen den Euro. Die Nationalisten, die im Europaparlament zusammen mit der deutschen AfD zur Fraktion Europa der souveränen Nationen gehörten, werben für den Erhalt der Landeswährung Lew. Die drittstärkste Partei im bulgarischen Parlament warnt vor einem «Preisschock» noch vor der Einführung des Euro. 

Staatspräsident Rumen Radew stellt den von der Regierung angestrebten Termin 2026 zur Einführung des Euro infrage. Der als prorussisch geltende Politiker bemängelt, dass die Bevölkerung nicht ausreichend auf eine Währungsumstellung vorbereitet sei. Er fordert zudem Maßnahmen gegen eine übermäßige Verteuerung von Waren und Dienstleistungen.

Kann es noch ein Referendum in Bulgarien geben?

Radew wollte, dass eine Volksbefragung über den Zeitpunkt der Einführung der europäischen Gemeinschaftswährung in Bulgarien stattfindet. Sein Antrag wurde jedoch nicht zur Abstimmung im Parlament zugelassen. Vor kurzem hat die prowestliche Parlamentsmehrheit zum zweiten Mal seit 2023 ein von Wasraschdane beantragtes Referendum über den Euro abgelehnt.

Bulgariens Bevölkerung ist Umfragen zufolge über den Euro gespalten. 33,4 Prozent sehen nach einer jüngsten Umfrage des Instituts Gallup International Balkan «eher Nutzen» in der Einführung des Euro. Dagegen befürchten 32,9 Prozent «eher Nachteile». 22,6 Prozent erwarten weder Nutzen noch Nachteile.

Welche Auswirkungen hätte ein Beitritt Bulgariens auf die Eurozone? 

Im gemeinsamen Währungsraum wird der Handel und das Reisen erleichtert. Keine Sorgen mehr um Wechselkurse machen, wenn man Geschäfte tätigen oder investieren möchte. Auch der Vergleich von Preisen zwischen den bisherigen Euroländern und Bulgarien wäre einfacher, wenn auch dort mit Euro bezahlt würde.

Touristen würden auch profitieren, da sie nach einem Euro-Beitritt Bulgariens keine Landeswährung mehr besorgen müssten, was normalerweise mit Kosten verbunden ist.

Bulgarien würde als Mitglied im Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) zusammen mit den anderen Eurostaaten die Stabilität der gemeinsamen Währung überwachen, wenn es dem Euroraum beitritt. Dort werden geldpolitische Entscheidungen, wie beispielsweise die Höhe der Leitzinsen im Währungsraum, getroffen.

dpa