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BGH prüft: Haften Geschäftsführer für Kartellbußgelder?

Wenn ein Vorstand oder Geschäftsführer seine Pflichten verletzt, kann das für das Unternehmen schwere Folgen haben. Aber müssen die Führungskräfte für Kartellrechtsverstöße persönlich einstehen?

Der Kartellsenat verhandelt zu einem Rechtsstreit um ein Kartellbußgeld.
Foto: Uli Deck/dpa

Verbotene Preisabsprachen und Bußgelder in Millionenhöhe stehen am Bundesgerichtshof (BGH) zur Debatte: Sollten Unternehmen einen früheren Geschäftsführer und Vorstand für Kartellbußgelder haftbar machen können? Das Urteil könnte bedeutende Auswirkungen auf deutsche Unternehmensleiter haben. Ob die höchsten Kartellrichterinnen und -richter Deutschlands bereits am Dienstag eine Entscheidung treffen, ist ungewiss.

Es handelt sich um die Klage von zwei verbundenen Edelstahlunternehmen gegen einen Mann, der gleichzeitig als Geschäftsführer der klagenden GmbH und Vorstandsvorsitzender der klagenden AG tätig war. Zwischen 2002 und 2015 war er an einem Preiskartell mit anderen Unternehmen der Stahlbranche beteiligt. Nach langjährigen Ermittlungen verhängte das Bundeskartellamt im Jahr 2018 zunächst Bußgelder gegen mehrere Beteiligte.

355 Millionen gegen Edelstahl-Kartell verhängt

«Die Unternehmen haben über Jahre hinweg wichtige Preisbestandteile beim Vertrieb von Edelstahl abgesprochen», erklärte damals Kartellamts-Präsident Andreas Mundt. «Durch die abgestimmte, brancheneinheitliche Berechnung und Anwendung von Schrott- und Legierungszuschlägen und durch einen weitreichenden Austausch wettbewerblich sensibler Informationen wurde der Preiswettbewerb zwischen den Unternehmen erheblich beeinträchtigt.»

Nach Abschluss des Verfahrens gegen die Edelstahlunternehmen im Juli 2021 hatte das Kartellamt insgesamt rund 355 Millionen Euro gegen zehn Edelstahlunternehmen, zwei Branchenverbände und siebzehn verantwortliche Personen verhängt. Die GmbH, die nun vor dem BGH gegen ihren ehemaligen Chef klagt, musste 4,1 Millionen Euro zahlen. Der Geschäftsführer persönlich wurde mit einem Bußgeld von 126.000 Euro belegt. Die AG, die klagt, wurde aufgrund der Strafe gegen die GmbH von einem Bußgeld verschont.

Wer haftet für Kartellbußen?

Die Unternehmen fordern vor Gericht vom Beklagten die Rückerstattung des bezahlten Bußgelds, die Erstattung der IT- und Anwaltskosten zur Abwehr des Bußgelds sowie Schadenersatz für alle zukünftigen Schäden, die aus dem Kartellverstoß resultieren. Sie behaupten, dass der ehemalige Firmenchef seine Pflichten als Geschäftsführer und Vorstandsmitglied verletzt habe, indem er an den Preisabsprachen teilgenommen habe.

Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat kürzlich entschieden, dass trotz des verhängten Bußgelds kein Regress möglich ist. Laut dem Senat gelten die gesellschaftlichen Haftungsvorschriften für Führungskräfte nicht für Schäden, die durch Bußgelder entstehen. Andernfalls würde der Zweck des Unternehmensbußgelds vereitelt. Das Bußgeld soll das Vermögen der Gesellschaft nachhaltig beeinträchtigen.

Existenzielle Risiken für Firmenchefs

Falls der BGH das anders sieht, hätte das für deutsche Firmenchefs erhebliche Folgen. «Sollte der BGH eine Regressmöglichkeit bejahen, wären Geschäftsführer und Vorstände existenziellen Haftungsrisiken ausgesetzt», sagt Rechtsanwalt Lorenz Jarass von der Kanzlei Noerr. «Die gegen Unternehmen verhängten Bußgelder liegen häufig im Millionen-, wenn nicht gar im Milliardenbereich und in vielen Fällen greift, jedenfalls der Höhe nach, nicht der D&O-Versicherungsschutz für Geschäftsführer und Vorstände.»

In den meisten Fällen sind Führungskräfte wie Geschäftsführer und Vorstände persönlich für Schäden haftbar, die durch Pflichtverletzungen entstehen. Die sogenannte Directors-and-Officers- oder D&O-Versicherung bietet Schutz vor Vermögensschäden in solchen Situationen.

dpa