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Bilanz: Zu wenig Tempo für weniger Zucker

Müssen Joghurts und Limos stark gesüßt sein? Für eine gesündere Ernährung sollen Zutaten verändert werden – so haben es Hersteller der Politik zugesichert. Dazu gibt es eine neue Auswertung.

Bei gesüßten Erfrischungsgetränken hat sich laut einer Untersuchung ein zunächst deutlicher Rückgang der Zuckergehalte zuletzt nicht fortgesetzt.
Foto: Monika Skolimowska/dpa

Quarkspeisen, Müslis, Limonaden: Laut einer Auswertung für die Bundesregierung gibt es bei vielen Fertigprodukten aus dem Supermarkt immer noch zu wenig Fortschritte bei der angestrebten Reduzierung von Zucker, Fett und Salz. Der Bericht des bundeseigenen Max-Rubner-Instituts, der am Donnerstag vorgelegt wurde, zeigt, dass bisherige Änderungen der Rezepturen nicht ausreichen, um eine ausgewogene Ernährung ausreichend zu unterstützen. Ernährungsminister Cem Özdemir (Grüne) betonte, dass die Hersteller mehr tun müssen. Verbraucherschützer forderten weitergehende Maßnahmen.

Die Fortschritte einer Strategie, die von der Vorgängerregierung im Jahr 2018 eingeleitet wurde, wurden erneut offiziell überprüft. Mehrere Branchen haben sich freiwillig verpflichtet, bis 2025 Reduktionsziele für Zucker, Fett und Salz einzuhalten. Um die Veränderungen bei den Zutaten zu überwachen, führt das Institut ein Monitoring durch und hat nun nach dem ersten Zwischenbericht von 2020 einen zweiten vorgelegt.

Bisherige Bemühungen reichen nicht aus

Zentrales Ergebnis: Zucker-, Fett- und Salzgehalte seien in einigen Produktgruppen reduziert worden. Die Daten verdeutlichten aber auch, dass Reduktionsbemühungen «in den letzten Jahren teilweise nachgelassen haben oder zum Stillstand gekommen sind.» Bei einigen Produkten gebe es sogar Erhöhungen beim Nährstoffgehalt. Bei Produkten mit Kindermotiven auf der Packung hätten sich trotz teils erfolgter Reduktion vielfach weiter hohe Zuckergehalte gezeigt – und manchmal auch mehr Energie, Zucker und Fett als bei vergleichbaren Produkten ohne Kinderoptik.

Özdemir sagte: «Eine gute und ausgewogene Ernährung wird schwierig, wenn in verarbeiteten Lebensmitteln viel Zucker, Salz oder Fett enthalten ist.» Der neue Zwischenbericht mache leider deutlich, dass die bisherigen Reformulierungen nicht ausreichten. Daher sei das Institut beauftragt worden, wissenschaftlich unterlegte Reduktionsziele zu entwickeln. Auf dieser objektiven Grundlage werde das Ministerium weitere Änderungen von Rezepturen bei der Wirtschaft einfordern. 

Beispiel Milchprodukte: Bei Joghurtzubereitungen sei «eine kontinuierliche Zuckerreduktion» sichtbar – im Vergleich zur ersten Zwischenbilanz um sechs Prozent, heißt es im Bericht. «Bei gesüßten Quarkzubereitungen fand hingegen seit 2019 keine statistisch signifikante Veränderung statt.» Die Zuckergehalte in gesüßten Milchprodukten mit Kinderoptik seien mit durchschnittlich 11,5 Gramm pro 100 Gramm 2022 weiterhin hoch, das Reduktionstempo habe sich verlangsamt.

Bei Getränken teils wieder höherer Zuckergehalt

Beispiel Getränke: Trotz eines anfänglich deutlichen Rückgangs der Zuckergehalte bei gesüßten Erfrischungsgetränken hat sich dieser Trend zuletzt nicht fortgesetzt. In einigen Untergruppen wie Light-Limonaden und aromatisiertem Wasser wurden teilweise sogar Erhöhungen des durchschnittlichen Zuckergehalts festgestellt. Bei gesüßten Getränken mit Kinderoptik gab es von 2018 bis 2022 keine signifikanten Veränderungen – die Zuckergehalte lagen weiterhin über dem Niveau der Gesamtstichprobe.

Beispiel Müsli und Co.: Die Zuckergehalte in Frühstückscerealien sind bis 2022 im Vergleich zu einer ersten Ausgangserhebung um 20 Prozent gesunken. Gleichzeitig wurde jedoch eine Erhöhung des durchschnittlichen Fettgehaltes festgestellt. Auch der Salzgehalt wird bei anderen Produkten beobachtet. Bei Nudelsoßen ist er von 2016 bis 2021 deutlich zurückgegangen – bei beliebten Bolognese-Soßen mit Fleisch um 15 Prozent. Trotz Reduzierungen wurden bei hellen Nudelsoßen mit Käse oder Sahne weiterhin relativ hohe Energie- und Fettgehalte festgestellt.

Kritik von Verbraucherorganisation

Die Verbraucherorganisation Foodwatch kritisierte: «Die lächerlichen Fortschritte bei der Reduktion von Zucker, Fett und Salz zeigen wieder einmal: Mit freiwilligen Selbstverpflichtungen der Lebensmittelindustrie allein kommen wir nicht weiter.» Die Regierung müsse endlich wirksame Maßnahmen auf den Weg bringen, um Diabetes und Adipositas in den Griff zu bekommen – etwa mit einer Limo-Steuer auf gesüßte Getränke und einem überfälligen Schutz von Kindern vor Junkfood-Werbung.

Die Zuckerwirtschaft erklärte, beim Kampf gegen Übergewicht müssten die Kalorien in den Mittelpunkt gestellt werden – da zeige der neue Bericht Lücken auf. Grünen-Expertin Renate Künast forderte: «Die Lebensmittelindustrie muss endlich liefern und das Angebot bei verarbeiteten Lebensmitteln – speziell auch für Kinder – verändern.» Außerdem müsse das Gesetz, das Kinder und Jugendliche vor Werbung für Zuckerbomben schütze, in die parlamentarische Beratung kommen. In der Koalition werden Pläne für Werbeverbote, die Özdemir vor mehr als einem Jahr vorlegte, von der FDP blockiert.

dpa