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Handelsketten locken Kunden mit Bonusprogrammen und Apps

Kunden erhalten exklusive Vorteile, Händler Daten. Rewe plant eigene Bonusprogramme, um Payback zu ersetzen.

Die Supermarktkette Rewe startet ein eigenes Bonusprogramm innerhalb der bestehenden App.
Foto: Georg Hilgemann/dpa

Die Werbung ist kaum zu übersehen. «Zehn Prozent auf deinen nächsten Einkauf» – so oder ähnlich trommeln große Handelsketten wie Lidl, Rewe und Penny in diesen Tagen auf allen Kanälen für ihre Apps sowie die eigenen Bonus- und Treueprogramme. 

Ziel ist es, die Kunden zu ködern und fester an sich zu binden. Dabei greifen die Händler zu einem Trick. «Immer mehr Sonderangebote können nur genutzt werden, wenn man sich für die Händler-App anmeldet und bereit ist, seine Daten zu geben. Wenn nicht, hat man Pech gehabt», sagt Carsten Kortum, Professor der Dualen Hochschule Baden-Württemberg Heilbronn. 

In den Apps schließen Kunden und Händler ein Geschäft ab: Kunden erhalten exklusive Vorteile. Manchmal werden zusätzliche Artikel angeboten, manchmal gibt es einen zusätzlichen Rabatt auf reduzierte Produkte. Der Discounter Lidl hat kürzlich eine eigene Dubai-Schokolade auf den Markt gebracht. Nutzer der Lidl-App zahlen 45 Prozent weniger als alle anderen.

Sonderangebote haben an Bedeutung gewonnen

Die Händler profitieren davon – im besten Fall – durch loyalere Kunden und deren Daten. Diese unterstützen sie dabei zu verstehen, was die Käufer möchten. Dadurch können sie besser auf deren Vorlieben eingehen und das Kaufverhalten beeinflussen. Laut einer Umfrage des Handelsforschungsinstituts IFH nutzen mehr als vier von fünf Kunden in Deutschland händlereigene Bonusprogramme oder Payback.

Treueprogramme sind nicht neu. Eines der Ersten hatte der schwedische Möbelhändler Ikea, die «Family Card» wurde 1984 eingeführt. Aldi ist das einzige große Handelsunternehmen, das kein Vorteilsprogramm hat. Dass die gefragt sind, liegt auch daran, dass nicht nur viele Lebensmittel zuletzt teurer geworden sind. Sonderangebote haben an Bedeutung gewonnen. Die preissensiblen Kunden nutzen jede Gelegenheit zu sparen. Entsprechend hart umkämpft ist der Wettbewerb zwischen den Händlern.

Rewe startet neues Treueprogramm

Am Ende des Jahres gibt es Bewegung in der Angelegenheit. Die Rewe-Gruppe steigt aus Payback aus und startet eigene, neue Bonusprogramme in ihren Apps. Die Deutsche Presse-Agentur hat aus Unternehmenskreisen erfahren, wie es weitergehen soll: Rewe-Kunden können künftig beim Kauf bestimmter Artikel einen Bonus in Euro erwerben. Für einige Artikel gibt es jeweils 10 oder 20 Cent, bei anderen einen Euro oder mehr. Mehrere Hundert wechselnde Artikel sollen mit Coupons verknüpft sein.

Das angesammelte Guthaben kann beim Einkaufen verwendet werden. Kunden, die innerhalb eines Monats einen Warenwert von 400 Euro erreichen, bekommen zusätzlich zehn Prozent Rabatt auf ihren ersten Einkauf im nächsten Monat. Es gibt auch spezielle Angebote, die nur für App-Nutzer verfügbar sind. Auch Penny, die Tochtergesellschaft von Rewe, führt ein neues Bonus-System ein.

Der Schritt wird auch mit hohen Kosten aus dem Unternehmen erklärt. Laut Branchenkreisen hat die Supermarktkette Rewe allein knapp 150 Millionen Euro pro Jahr an Payback gezahlt. Mit mehr als 30 Millionen Nutzern in Deutschland ist Payback das bekannteste und meistgenutzte Bonusprogramm. Kunden können in verschiedenen Geschäften Punkte sammeln, darunter Aral, dm und Thalia. Ab Anfang 2025 wird dies auch in Edeka- und Netto-Märkten möglich sein, Ende des Jahres auch in Galeria-Filialen.

Bonusprogramm-Nutzer kaufen oft mehr

Der Ausstieg von Rewe wird von Branchenkennern als Chance und Risiko betrachtet. Laut Handelsexperte Kortum ist es ungewiss, ob deshalb viele Kunden abwandern. Bei der Wahl des Einkaufsortes spielen auch andere Faktoren wie Qualität, Auswahl, Verfügbarkeit und Service eine Rolle.

Mit Treue nehmen viele Kunden offensichtlich nicht so genau. Die Marktforscher von NIQ beobachten einen Trend zum Shop-Hopping, also zu mehreren kleinen Einkäufen in verschiedenen Geschäften. Immer weniger Menschen erledigen ihren großen Wocheneinkauf ausschließlich in einem Laden. Nur noch ein Fünftel des Umsatzes entfällt darauf. Die Loyalität zu Händlern nimmt insgesamt ab, heißt es.

Trotzdem wirken Bonusprogramme. Laut einer IFH-Umfrage kaufen 56 Prozent der Nutzer häufiger bei einem Händler, jeder Dritte gibt mehr Geld aus. Viele Kunden haben vier oder mehr verschiedene Einkaufsapps auf dem Handy, nutzen jedoch nicht alle regelmäßig. “Es braucht einen dauerhaften Mehrwert und Anreiz”, sagt der Geschäftsführer von IFH Media Analytics, Andreas Riekötter. Wenn dies nicht gegeben ist, werden die Apps wieder gelöscht.

Der Geschäftsführer des Preisvergleichsportals Smhaggle, Sven Reuter, hält den Nutzen der Bonusprogramme für überschaubar. Die anbieterübergreifende Ersparnis liege im Schnitt nur bei einem Prozent, sagt er. «Durch den gezielten Einkauf von Aktionsangeboten und den Wechsel des Händlers kann man bequemer und deutlich mehr sparen.»

Verbraucherschützer warnen

Es wird erwartet, dass in Zukunft einige Veränderungen bei den Vorteilsprogrammen eintreten werden. Künstliche Intelligenz dürfte dabei eine wichtige Rolle spielen. Der Handelsexperte Kortum prognostiziert, dass Händler ihre Kunden bald noch gezielter ansprechen können. Ein Beispiel hierfür ist der Streaming-Anbieter Spotify. In der App werden individuelle Playlisten erstellt, die auf den persönlichen Geschmack der Nutzer zugeschnitten sind.

Die Supermarktkette Albert Heijn hat vor Kurzem eine KI in ihre App integriert, die Kunden beim Einkaufen unterstützt und auf Anfrage Rezeptideen liefert. Auch in Deutschland sind viele dafür offen. Laut einer Bitkom-Umfrage würde die Hälfte der Befragten gerne eine KI verwenden, um Schnäppchen zu finden. 22 Prozent würden es begrüßen, wenn benötigte Drogerieartikel oder Lebensmittel automatisch nachbestellt würden.

Dass nicht alle Kunden Apps und Treueprogramme in Anspruch nehmen, hat Kortum zufolge vor allem einen Grund. «Viele haben Angst, weil sie nicht wissen, was mit ihren Daten passiert.» Verbraucherschützer sehen die Apps kritisch. Konsumenten sollten die Datenschutzbestimmungen gründlich lesen und Einstellungen gegebenenfalls ändern, sagt Simone Bueb von der Verbraucherzentrale Bayern.

dpa