Ein Blick auf das rasante Branchenwachstum und ausgewählte Beispiele zeigt den Aufschwung der deutschen Rüstungsindustrie. Unternehmen wie Rheinmetall und Hensoldt profitieren von steigenden staatlichen Ausgaben für das Militär.
Deutschlands Rüstungsbranche boomt: Große Investitionen in neue Produktionskapazitäten
Rheinmetall hat in Weeze (NRW) eine Fabrik im Wert von rund 100 Millionen Euro errichtet, um wichtige Bauteile für den Tarnkappenbomber F35 herzustellen. Konzernchef Armin Papperger und NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) feiern heute vor Ort den Abschluss des Baus. Dieses Beispiel verdeutlicht, dass Deutschlands Rüstungsindustrie angesichts steigender staatlicher Ausgaben für das Militär boomt, wobei große Unternehmen stark in die Erweiterung ihrer Produktionskapazitäten investieren. Ein Überblick über das schnelle Wachstum der Branche mit ausgewählten Beispielen.
Rheinmetall (Panzer, Artillerie, Flugabwehr, Munition)
Deutschlands größter Rüstungskonzern hatte Ende März einen «Backlog» von 62,6 Milliarden Euro. Hierzu gehören der Auftragsbestand, Rahmenverträge und Erwartungen aus anderen Geschäftsbeziehungen. Ende 2021 – also vor Beginn des Ukraine-Krieges – war es mit 24,5 Milliarden Euro nicht mal die Hälfte. Auch Umsatz und Gewinn gehen steil nach oben, die Mitarbeiterzahl soll binnen zwei Jahren um ein Viertel auf 40.000 steigen. Der Börsenkurs ist seit dem russischen Angriff auf die Ukraine im Februar 2022 etwa um das 18-fache gestiegen.
Die Stimmung wird lediglich durch das schwächelnde Geschäft als Autozulieferer getrübt. Ein Teil der Belegschaft im Kfz-Bereich soll zukünftig in den Rüstungsbereich wechseln. Rheinmetall erweitert seinen größten Standort in Unterlüß, Niedersachsen, um eine neue Munitionsfabrik für rund 300 Millionen Euro. Das Rumpfmittelteil für die F35 wird in Weeze (NRW) hergestellt. Der Konzern zählt zu den wichtigsten Waffenlieferanten der Ukraine, wofür teilweise von der Bundesregierung bezahlt wird.
Hensoldt (Sensoren und Radare)
Der Ukraine-Krieg zeigt die Bedeutung der elektronischen Kriegsführung. Dieser Trend hat Hensoldt aus Taufkirchen bei München, einem Anbieter von Sensoren und Radarsystemen, begünstigt. Der Umsatz stieg im gleichen Zeitraum um etwa die Hälfte auf rund 2,2 Milliarden Euro. In diesem Jahr strebt das Unternehmen mit seinen etwa 9.000 Mitarbeitern einen Umsatz von mindestens 2,5 Milliarden Euro an und bis 2030 sollen es sechs Milliarden Euro sein. Radare von Hensoldt werden im Ukraine-Krieg eingesetzt, um die Bevölkerung vor russischen Luftangriffen zu schützen, und sie sind auch im Kampfjet Eurofighter enthalten.
Der Staat besitzt eine Sperrminorität von rund 25 Prozent an dem Unternehmen, das früher zu Airbus gehörte. Hensoldt hat in den letzten drei Jahren eine Milliarde Euro investiert, hauptsächlich für einen neuen Optronik-Standort in Oberkochen. Das Unternehmen stellt auch Periskope für gepanzerte Fahrzeuge und U-Boot-Sehrohre her.
Thyssenkrupp Marine Systems, kurz TKMS (U-Boote)
Die Tochtergesellschaft von Thyssenkrupp in Kiel ist laut eigenen Angaben der Weltmarktführer für nicht-nuklear betriebene U-Boote und bis Anfang der 2040er Jahre ausgelastet. Im Dezember genehmigte der Haushaltsausschuss des Bundestages den Bau von vier weiteren U-Booten der Klasse 212CD für die Deutsche Marine. Insgesamt sind zehn solcher Boote in Auftrag gegeben – sechs für Deutschland und vier für Norwegen. Kürzlich erhielt TKMS auch einen 800-Millionen-Euro-Auftrag des Bundes zur Modernisierung von sechs U-Booten der Marine.
Laut TKMS-Angaben beläuft sich das Auftragsbuch auf rund 18 Milliarden Euro. Die Werft bewirbt sich auch um den Bau von U-Booten für Kanada. Der Rüstungskonzern mit insgesamt 8.500 Mitarbeitenden hat neben seiner Hauptwerft in Kiel auch eine im Jahr 2022 übernommene Werft in Wismar in Mecklenburg-Vorpommern.
DND (Panzerfäuste)
Die Dynamit Nobel Defence GmbH bleibt in der Öffentlichkeit weitgehend in Deckung. Bekannt ist, dass DND der Ukraine bis April 2025 insgesamt 16.917 «Matador»-Panzerfäuste zur Verfügung stellte und dafür von der Bundesregierung bezahlt wurde. Für die Firma mit mehr als 300 Mitarbeitern ist der Ukraine-Krieg ein enormer Wachstumsschub. In einer Pflichtmitteilung vom März 2023 schrieb das Unternehmen, dass sich der Umsatz im Jahr 2022 – also dem Jahr des Kriegsbeginns – auf circa 140 Millionen Euro belief und damit auf mehr als das Doppelte von 2021 (58 Millionen Euro). Die Dynamit Nobel Defence GmbH gehört zum israelischen Rüstungskonzern Rafael.
Heckler & Koch (Sturmgewehre, Maschinengewehre, Granatwerfer, Pistolen)
Vor nicht einmal zehn Jahren steckte Heckler & Koch tief in den roten Zahlen und hatte einen enorm hohen Schuldenberg. Die Situation war so kritisch, dass die Mitarbeiter sich sogar zu unbezahlter Mehrarbeit verpflichteten. Das ist längst Geschichte, mittlerweile eilt der profitable Waffenhersteller von einem Firmenhöchstwert zum nächsten. Im Hauptwerk in Oberndorf im Nordschwarzwald wird kräftig investiert, beispielsweise in ein neues Schießzentrum. In den nächsten Jahren sollen die Investitionen weiter ausgebaut werden. Nicht nur die Bundeswehr wird mit neuen Waffen beliefert, sondern auch die baltischen Staaten und Norwegen – also Nachbarländer von Russland. Seit Anfang 2022 hat sich die Mitarbeiterzahl um etwa ein Fünftel auf rund 1.300 erhöht.
MBDA Deutschland (Lenk- und Marschflugkörper)
Die deutsche Tochtergesellschaft des europäischen Rüstungskonzerns MBDA verzeichnet ebenfalls ein starkes Wachstum. Vor dem Beginn des Ukraine-Krieges hatte sie etwa 1.100 Mitarbeiter, jetzt sind es ungefähr 300 mehr. Bis Ende dieses Jahres soll die Zahl auf über 1.700 steigen. MBDA investiert in eine neue Produktionsstätte in Schrobenhausen, Bayern, um Lenkflugkörper für das US-Flugabwehrsystem Patriot herzustellen – dafür erhielt das Unternehmen einen Auftrag für die Bundeswehr und Nato-Partner. Am deutschen Standort produziert MBDA auch Lenkflugkörper für den Eurofighter, für die das Unternehmen kürzlich einen größeren Auftrag erhalten hat. Darüber hinaus stellt MBDA die Taurus-Marschflugkörper her.
Helsing und Quantum Dynamics (Drohnen)
Drohnenhersteller sind derzeit sehr gefragt, auch bei Investoren – den Unternehmen wird ein großes Wachstumspotenzial zugeschrieben. Das Rüstungsunternehmen Helsing aus München konnte kürzlich weitere 600 Millionen Euro von Investoren einsammeln. Helsing produziert bereits die Kamikaze-Drohne HX-2, die von der Ukraine genutzt wird und von der Bundeswehr getestet werden soll. Das Unternehmen hat kürzlich auch ein Unterwassersystem vorgestellt sowie eine Künstliche Intelligenz, die ein Kampfflugzeug in komplexen Luftkampfszenarien steuern soll. Quantum Dynamics aus dem bayerischen Gilching wiederum stellt Überwachungsdrohnen her.