Die Schuldenquote könnte über 150 Prozent steigen, höchster Schuldenberg im Euroraum, Rücktritt verunsichert Finanzmärkte, steigende Kapitalmarktzinsen.
Finanzkrise in Frankreich: Schuldenberg wächst, Premierminister zurückgetreten

Der nächste Premierminister ist abgenutzt, die Sanierung der Staatsfinanzen wird weiterhin verschoben: Die politische Krise in Frankreich wird zu einer Hängepartie. Bedroht die zweitgrößte Volkswirtschaft der Eurozone die Stabilität des Währungsraums?
Warum ist die Lage in Frankreich so prekär?
Gemessen an der Wirtschaftsleistung hat Frankreich mit 114 Prozent die dritthöchste Schuldenquote in der Europäischen Union nach Griechenland und Italien. Ökonomen der Commerzbank warnen: Ohne Reformen könnte die Schuldenquote des französischen Staats in den kommenden zehn Jahren «deutlich über 150 Prozent» steigen.
In Zahlen ausgedrückt hat das Land mit rund 3.300 Milliarden Euro den höchsten Schuldenberg im Euroraum. Die Staatsausgaben gehören ebenfalls zu den höchsten in Europa. Das Haushaltsdefizit betrug zuletzt 5,8 Prozent. Im Juli 2024 hat die EU-Kommission ein Defizitverfahren gegen Frankreich eingeleitet.
Wie reagieren die Märkte auf das erneute Scheitern der Regierung?
Der Rücktritt des französischen Premierministers Sébastien Lecornu nach nur vier Wochen im Amt hat die Finanzmärkte verunsichert. Am Montag gab es Verluste an den französischen Aktienmärkten, zum Beispiel für den dortigen Leitindex Cac 40 ging es abwärts. Vor allem Bankwerte gerieten unter Druck. Den deutschen Aktienmarkt brachte Lecornus überraschender Rücktritt nicht aus der Spur. In Summe hielten sich die Marktreaktionen in Grenzen. «Letztlich zieht man an den Finanzmärkten instabile politische Verhältnisse ins Kalkül», erklärt Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der Liechtensteiner VP Bank.
Drohen in Frankreich italienische Verhältnisse?
Es wird immer teurer für Frankreich, neue Schulden aufzunehmen, unabhängig davon, wer in Zukunft in Paris regiert. Die Zinsen für neue Staatsanleihen steigen stetig an. Darüber hinaus wird die Nachfrage nach französischen Anleihen durch den Mangel an politischen Reformaussichten gebremst.
Die Zinsen für französische Anleihen auf dem Kapitalmarkt sind in diesem Jahr signifikant gestiegen. Am Montag stiegen die Renditen für zehnjährige französische Anleihen auf 3,60 Prozent. Die Renditen für deutsche Staatsanleihen betragen 2,71 Prozent. Aktuell liegen die Renditen französischer Anleihen über denen vergleichbarer Papiere südeuropäischer Länder wie Italien oder Griechenland.
Inwiefern verschärfen Urteile der Ratingagenturen die Krise?
Inmitten der Haushaltskrise senkte die Ratingagentur Fitch Mitte September auch die Kreditwürdigkeit Frankreichs herab. Die Bonität der zweitgrößten Euro-Volkswirtschaft wurde von AA- auf A+ gesenkt. Das macht es Frankreich zusätzlich schwieriger, sich am Kapitalmarkt neues Geld zu beschaffen.
Fitch begründete den Schritt mit geringen Erfolgschancen für Wirtschaftsreformen, weil das Land innenpolitisch polarisiert und instabil sei: «Wir gehen davon aus, dass der Vorlauf zur Präsidentschaftswahl 2027 den Spielraum für eine Haushaltskonsolidierung in naher Zukunft weiter einschränken wird und halten es für sehr wahrscheinlich, dass die politische Pattsituation auch nach der Wahl andauern wird.»
Wird Frankreich zur Gefahr für die Eurozone?
Die Staatskrise bleibe auf Frankreich begrenzt und habe nur wenig Auswirkungen auf die übrigen Eurostaaten, kommentiert der Anleihen-Fachmann Peter Goves von MFS Investment Management. Auch Bankvolkswirte halten die Gefahr für gering, dass es zu einer neuen Krise im gesamten Euroraum kommt – unter anderem, weil die Europäische Zentralbank (EZB) umfangreiche Instrumente hat, um notfalls einzugreifen.
Kann die EZB dem Land helfen?
Die Europäische Zentralbank könnte im Rahmen des «Transmission Protection Instrument» (TPI) im Krisenfall Anleihen einzelner Eurostaaten in unbegrenztem Umfang kaufen. Wenn eine Notenbank in großem Stil Staatsanleihen kauft, muss der jeweilige Staat nicht so hohe Zinsen für Wertpapiere bieten und kommt günstiger an frisches Geld. Gedacht ist das TPI jedoch für den Fall, dass die Anleihenzinsen durch Finanzspekulation unverhältnismäßig stark steigen – nicht, weil eine Regierung schlechte finanzpolitische Entscheidungen trifft.
Ohne direkt auf Frankreich einzugehen, verwiesen die Euro-Währungshüter nach ihrer jüngsten Sitzung Mitte September auf das TPI, das ihnen die Möglichkeit eröffne, «ungerechtfertigten, ungeordneten Marktdynamiken entgegenzuwirken». EZB-Präsidentin Christine Lagarde ging auf Nachfrage nicht näher auf die politische Lage in ihrem Heimatland ein. Sie äußerte allgemein die Hoffnung, dass politische Entscheidungsträger alles tun werden, um «Unsicherheit so weit wie möglich zu reduzieren».








